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Hansueli Schmutz mit Cira, die seiner Gattin Caroline gehört.
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Als der freche Oran Olympia­metall «beschmutzte»

23.01.2018 12:52
von  Peter Wyrsch //

Erinnern Sie sich noch an Hansueli Schmutz? Der Baselbieter aus Binningen war der letzte Schweizer Europameister in der Vielseitig­keit. Damals, 1981 im dänischen Horsens, triumphierte der Bauernsohn und gelernte Fleischverkäufer mit dem niederländischen Vollblüter Oran im olympischen Concours Complet, der früher offiziell noch «Military» hiess. 1984 aber, an den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles, bestrafte und beschmutzte der freche Oran im Cross seinen grossgewachsenen Reiter und verhinderte mit einem Stopp vor einem Wasser­sprung die bereitliegende Olympiamedaille.

Europameister in der Military 1981 in Horsens (DEN): Hansueli Schmutz auf Oran. Foto: Archiv

Noch heute ärgert sich der in Oberwil lebende Hans­ueli «Hansi» Schmutz über die verpasste Krönung seiner kurzen internationalen Reiterkarriere. «Ich führte nach der Dressur mit fast zehn Punkten Vorsprung. Eine Medaille lag zum Greifen nahe. Aber ich war zu blöd, und Oran bestrafte mich für meinen fatalen Irrtum.» Hansueli Schmutz übersah im Gelände bei einer Alternative den «guten Weg», wie er sich ausdrückt, und wählte die schlechtere Variante. Vor einem Wassersprung versagte Oran seinen Dienst. Aus der Traum vom olympischen Edelmetall. Es blieb letztlich der elfte Rang – und nicht einmal ein Diplom für den Euro­pa­meister von 1981 und zweifachen Schweizermeister. Der Neuseeländer Mark Todd erbte schliesslich und liess sich mit Charisma erstmals als Olympiasieger krönen.

Oran, der freche Vollblüter

Wer Oran hört, denkt unwillkürlich an die zweitgrösste Küsten- und Indus­triestadt Algeriens. Nicht jedoch Hansueli Schmutz, der 67-jährige Baselbieter Vielseitigkeitsreiter und Trainer. Für ihn ist Oran das Pferd seines Lebens. Der im Juni 1973 geborene und in Holland gezogene Vollblüter, der von Papa Theo für eine Kaufsumme von 7500 Holländischen Gulden (damals rund 5000 Franken) importiert wur­de, eignete sich kaum für den Sport, geschweige für die Vielseitigkeit. Dachte man – bis sich der Bauernsohn dem frechen Pferd annahm und mit viel Wille, Fleiss und Beharrlichkeit ein Pferd von Weltklasseformat formte. Wegen gesundheitlichen Schwierigkeiten hielt sich das harmonisch gewordene Paar mit besonderen Stärken in der Dressur nicht lange an der Spitze. 1985, ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Los Angeles, stellten Veterinäre Herz-rhythmusstörungen fest. Oran musste aus dem Sport zurückgezogen werden und verbrachte noch vier, fünf Jahre auf der Weide, wie Hansi etwas wehmütig erzählt.

Hansueli Schmutz mit seiner Plakette von der Military-EM 1981.

Perret finanzierte Olympiastart

Der Schweizer Verband entsandte 1984 an die Sommerspiele im US-Bundesstaat Kalifornien keine Militaryequipe, weil an der EM 1983 in Frauenfeld die Gastgeber versagten und die Equipe «platzte». Nur Sepp Räber erreichte an der EM im Thurgau das Ziel. Der nach der Dressur auf Medaillenkurs navigierende EM-Titelverteidiger Hansueli Schmutz stürzte auf Oran. «Der Tank war leer», meinte er damals und bestätigt diese Erklärung noch heute. Dennoch durf­te Schmutz als Aktiver an die Olympischen Spiele. 1983 (später auch 1985) war er mit Oran Schweizermeister geworden und war daher qualifiziert. Finanziert wurden Reise und Aufenthalt nach Los Angeles für Pferd und Reiter, aber nicht aus­schliess­­lich vom Verband, sondern vom damaligen Military-Equipenchef und ehemaligen Olympioniken Roland Perret, dem passionierten Vielseitigkeitsreiter, Grossvater der Vogg-Brüder aus Radolfzell und erfolgreichen Unternehmer. «Perret hat grosszügigerweise einige Kos­ten übernommen. Ich selbst hätte diesen Trip nicht bezahlen können», bekennt Schmutz aufrichtig.

Vom Spring- zum Militaryreiter

Mit 17 Jahren war Hans­ueli Schmutz in Collombier erstmals Schweizermeister geworden. «Mit Mayking, einem Pferd von Max Hauri senior, im Springen», ergänzt der rüs­tige Pensionär. «Eigentlich wollte ich Rennreiter werden. Ich hatte aber als 17-Jähriger schon die Schuhnummer 40, wuchs ständig und wurde zu schwer. Allein in der Rekrutenschule schoss ich noch sechs Zentimeter in die Höhe.»

Willy Bürgins Fleischverkäufer

Schmutz wuchs in einer Bauernfamilie in Binningen auf und ritt als Bub Freiberger Arbeitspferde. Papa Theo war ein Rösseler und Kavallerist in der Armee. Er war auch Züchter und Händler und erbaute 1981 die Binninger Pferde­sport­anlage, das PSZ Pferde­sportzentrum, das Schmutz 1997 an Saskia Dorner verkaufte. Seither amtet und werkelt sie als Inhaberin und Geschäftsführerin am höchs­ten Punkt in Binningen. Schmutz war Amateurreiter, arbeitete gegen zehn Jahre lang als Fleischverkäufer bei Willy Bürgin, dem heutigen Präsidenten des CSI Basel. «Um vier Uhr morgens war jeweils Arbeitsbeginn», erinnert sich Schmutz. «Ich arbeitete bis Mittag, damit ich nachmittags reiten und Pferde ausbilden konnte. Auch heute noch, mit bald 68 Lenzen, ist «Hansi» täglich im PSZ Binningen anzutreffen. Er besitzt noch ein kleines, altes Schöpfli, in dem vier Pferde und die 47-jäh­rige Ponystute Susi untergebracht sind. «Sie hat zwar Probleme mit ihren Augen, ging aber noch nie einen Schritt lahm», so Schmutz. «Seit 20 Jahren haust sie schon in meinem Schöpfli. Vor zehn Jahren musste sie sich einer Kolikoperation unterziehen, hat sich aber prächtig erholt und ist körperlich nicht eingefallen.»

Hansueli Schmutz mit Ehefrau Caroline zu Hause in Oberwil.

Schmutz selbst sass letztmals 2013 wettkampfmässig im Sattel, als er sich mit Capo, einem Zangersheidewallach von Besitzer Willy Bürgin, in Bubendorf bei Hansueli Sprunger in einer regionalen Konkurrenz über 110 Zentimeter noch auf einem Spitzenplatz zu klassieren vermochte. «Jetzt besitze ich nur noch ein Pferd, den fünfjährigen Coman, den ich selbst gezogen habe», ergänzt der Baselbieter.

Der (un)reitbare Oran

«Eines Tages, es muss 1977 gewesen sein, hatte Papa ein Pferd aus Holland mitgebracht. Es trabte nur und galoppierte nicht. Er war ein Vollblüter und nicht reitbar. Deshalb erhielt ich ihn.» Es war Oran, der nachmalige Schweizer- und Europameister. «Er war alles andere als brav, frech sogar und hat mich öfters abgeladen. Aber er hatte Anlagen und Temperament. Er war eine echte Herausforderung», erinnert sich Hansi und weist auf die Originalstallplakette seines EM-Triumphes in Horsens hin, die über dem alten Schöpfli am Basler Stadtrand in Biel-Binningen hängt. «Allmählich hatten wir uns nach Wochen täglicher Arbeit und enormer Geduld zurecht- und zusammengefunden. «Als Oran fünf­jährig war und seine Anlagen geschliffen waren, mischte er erstmals an einer Military mit und wurde gleich Dritter. Als Sechsjähriger nahmen Schmutz und Oran erstmals an Schweizer Meisterschaften teil. «Wir stürzten im Gelände», erinnert sich der Reiter. «Danach lag ich aber mit ihm nie mehr auf dem Boden.»

EM-Gold und -Silber

Als Achtjähriger folgte der (unerwartete) Erfolg an der EM in Horsens und zusammen mit Sepp Räber, Josef Burger und dem 1982 tödlich verunfallten Ernst Baumann EM-Teamsilber. «Das hat mich mindes­tens ebenso gefreut wie mein Einzelgold», sagt Schmutz. Apropos: Die Siegesprämie betrug damals, vor 37 Jahren, umgerechnet 1200 Franken. «Das grösste Sieggeld erhielt ich 1982 in Walldorf, als ich mit Oran die internationalen deutschen Meis­terschaften gewann. 2400 Mark war die Beute.»

47 Jahre alt: die rüstige Ponystute Susi.

Die zweite Karriere

Seit Jahren ist Hansueli Schmutz Trainer. Seine Erfahrungen und sein Auge werden geschätzt. «Ich konnte es mit Pferden oft besser als mit Menschen», bekennt er. Über ein Jahrzehnt hat er auf dem Gut Weiherhof in Radolfzell die Gebrüder Vogg ausgebildet. Er war 2006 auch an den Olympischen Spielen in Atlanta. Als Schweizer Nationaltrainer betreute er das CC-Team mit Marius Marro, Heinz Wehrli und Chris­toph Meier, die den zehnten Platz erreichten. Noch heute trainiert und fördert er nationale Spitzenkräfte wie die EM-Vielseitigkeitsreiterin Sandra Leonhardt-Raith aus Biel-Benken, die im Sommer 2017 im polnischen Strzegom mit dem Schimmel Toubleude Rueire in der Schweizer Equi­pe ritt. Privat ist Hansueli mit der regionalen Reiterin Caroline verheiratet und wohnt in Oberwil.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 3/2018)

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