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«Am Anfang lag ein komplettes Reitverbot auf dem Tisch»

05.05.2020 12:48
von  Sascha P. Dubach //

Damian Müller, Vizepräsident des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport (SVPS), ist als FDP-Ständerat des Kantons Luzern quasi der «heisse Draht» der Rösseler nach Bundesbern. Wir haben mit ihm gesprochen.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch entschieden, Lockerungen auch im Breitensport zuzulassen. Sind Sie mit den Entwicklungen zufrieden?

Für den Breitensport ja. Die vergangenen Wochen waren äusserst intensiv. Der SVPS hat eine Taskforce einberufen und mit dem Branchenverband Swiss Horse Professionals (SHP) unverzüglich das Heft in die Hand genommen. Vergessen wir nicht, es lag am Anfang auch ein komplettes Reitverbot auf dem Tisch. Das konnten wir erfolgreich abwenden. Weiter haben wir verschiedene Eskalierungsstufen definiert, die wir immer noch zünden können. Unser Ziel war klar: Reitschulpferde brauchen Unterstützung, Reitunterricht muss als Einzelsportart so schnell wie möglich wieder stattfinden, damit die Existenz der Reitbetriebe und somit die Gesundheit der Pferde gesichert sind. Und jetzt kommen die Bestrebungen mit der Öffnung, dass wir wieder «kleine» Veranstaltungen durchführen können. Hier haben wir unsere Exit-Strategie erarbeitet und dabei mit den grossen Sportverbänden zusammengearbeitet.

Reitlehrer und Reitschulbesitzer hätten sich eine Öffnung für den Reitunterricht bereits früher – zusammen mit den Coiffeuren – gewünscht. Viele konnten das bestehende Verbot nicht verstehen. Erklären Sie uns, wie Bundesbern hinter den Kulissen funktioniert – wer entscheidet im Endeffekt über die Pferdebranche?

Das hätte ich mir auch gewünscht! Der SVPS hat immer wieder interveniert und sich für die ganze Pferdebranche eingesetzt. Mehrheitlich hinter den Kulissen, weil in Krisensituationen zu viel Klamauk und undifferenziertes Handeln Gegendruck erzeugt. Unser Hauptproblem ist, dass der Bundesrat den Reitunterricht mit Freizeitaktivitäten gleichgestellt hat. Das wirtschaftliche Ausmass haben die Behörden nicht realisiert, deshalb habe ich in den Kommissionssitzungen und Aussprachen scharf reagiert. Sport ist eben nicht gleich Sport! Bei uns geht es um das nackte Überleben der Reitbetriebe und um die Gesundheit der Pferde.

Welchen Einfluss können Sie persönlich als Ständerat nehmen?


Ich wurde von allen Seiten konfrontiert. Das ist mein Job und ich habe grosses Verständnis für alle Anliegen. Klar ist: Hätte, wäre, wenn – ist eine Schlaumeierei von denen, die nicht in der Verantwortung stehen. Schliesslich braucht es nach der Corona-Krise auch eine genaue Analyse der Situation. Vor allem politisch. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit hat dreimal mit den Bundesräten Parmelin und Berset getagt. Wir wurden also seit Mitte April in die Entscheide einbezogen, unsere Bedenken und Anträge wurden in die Entscheide der Regierung einbezogen und die Verordnungen regelmässig geändert.

Sie haben mit verschiedenen Bundesräten persönlich über die Anliegen der Pferdebranche gesprochen. Wie war das Echo?

Das Echo war verschieden. Diejenigen Bundesräte, welche bereits an Pferdeveranstaltungen teilgenommen haben, zeigten Verständnis und haben gut gearbeitet. Vor allem die Zusammenarbeit mit Bundesrat Parmelin und seinem Team zeigte, dass die Sensibilität da ist. Aber: Die Politik ist kein Selbstbedienungsladen, wo man sich holt, was man gerade gerne hätte. Es brauchte etliche Gespräche im Hintergrund, Mails und Briefe. Es zeigt mir, wir alle müssen die Politik wieder viel mehr für unseren Sport sensibilisieren.

Denken Sie, dass per 8. Juni auch wieder Gruppenunterricht mit mehr als fünf anwesenden Personen oder sogar Kinderreitlager durchgeführt werden können?


Das muss unser Ziel sein. Der SVPS hat seine Exit-Strategie zur Lockerung der Einschränkungen für Outdoor-Sportarten früh entwickelt und eingereicht. Das Gleiche gilt für Veranstaltungen. Damit zeigen wir: Der Pferdesport ist bereit und willig, seinen Beitrag zu leisten. Deshalb lasst uns in Eigenverantwortung und unter den geforderten Schutzkonzepten das tun, was unsere Kompetenz ist:  Pferde reiten, weiterentwickeln und den Nachwuchs ausbilden, damit wir wieder Medaillen holen.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) gab dem Begehren nach nichtrückzahlbaren Beiträgen an Schulpferde eine Absage. Gibt es noch Hoffnung für die Branche?


Seit letztem Donnerstag wissen wir, dass der Bundesrat keine «À fonds perdu»-Gelder sprechen kann. Eine sektorspezifische Unterstützung sei nicht möglich, teilte uns Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch mit. In ihren Ausführungen zeigt sie als Pferdefreundin grosses Verständnis. Trotzdem, ich bin zutiefst enttäuscht. Reitschulpferde sind sozusagen «Mitarbeiter» von Reitschulen und daher seit dem 14. März 2020 arbeitslos, haben jedoch keinen Anspruch auf eine entsprechende Entschädigung. Wir kämpfen weiter, auch wenn die Chancen gering sind!

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 18/2020)

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