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Freud und Leid: Noch im Frühling feierte Claudia Erni (im T-Shirt mit Stern) mit den Mitgliedern des Stalles Aventicum den Sieg von Attique. Im Sommer musste die Stute nach einer Verletzung aufgegeben werden.
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Dank optimalem Umfeld zum Erfolg

06.11.2018 11:16
von  Barbara Würmli //

Claudia Erni ist Rennpferdetrainerin, Physiotherapeutin und Familienfrau. Und alle drei Bereiche sind für sie Herzensangelegenheiten, halbe Sachen gibt es daher nicht. Doch die Belastung ist gross, entsprechend stark schätzt sie die Unterstützung durch ihr Umfeld.


Die heutige Rennpferdetrainerin kommt aus dem klassischen Reitsport und wurde quasi auf dem Pferderücken geboren. Kein Wunder, denn ihr Vater Leo Erni war als eidgenössisch diplomierter Reitlehrer tätig und auch ihre Mutter Doris sass täglich im Sattel und nahm an nationalen Turnieren teil. Claudia begann ihre Reitkarriere als nationale Dressurreiterin und internationale Junioren-Vierkämpferin. Später bildete sie sich in verschiedenen Pferdebereichen weiter und arbeitete unter anderem sechs Monate beim legendären Dressurtrainer Georg Wahl. Sie machte aber auch eine Ausbildung zur Physiotherapeutin für Menschen und arbeitet noch heute Teilzeit in diesem Beruf.


Passion Pferderennen

Zum Rennsport kam die junge Claudia Erni durch die Trainerin und Rennreiterin Françoise Gimmi-Pellegrino, die nach der Trennung von Claudias Eltern mit deren Vater liiert war. Claudia erzählt: «Ich habe viel von Françoise gelernt und bin noch heute in Kontakt mit ihr. Allerdings wanderte sie einige Jahre später nach Frankreich aus. Nach ihrem Wegzug bin ich bei René und Pepi Stadelmann im Training geritten, habe aber auch drei Monate in Frankreich bei Antoine Lamotte d’Argy gearbeitet, um den internationalen Galoppsport kennenzulernen.» Die Vollblüter wurden zu ihrer grossen Passion und haben sie nicht mehr losgelassen. Erni ritt dreizehn Jahre lang als Amateurrennreiterin Rennen, erzielte dabei zwanzig Siege und gehörte auch zu den wenigen Damen, die Hindernisrennen bestritten. Mit zunehmendem Alter auch die Trainerlizenz zu erwerben, war die logische Folge davon.

Berufs- und Familienfrau
Als Claudia Erni mit ihrem Mann Pavel Manak zusammenkam und schliesslich mit Sohn Tim schwanger wurde, wollte sie es vorsichtiger angehen und überliess das Rennreiten den jüngeren. Heute trainiert sie in Avenches ein Dutzend Rennpferde, arbeitet aber auch noch drei Nachmittage pro Woche in ihrem erlernten Beruf als Physiotherapeutin. Zudem gibt sie für die Auszubildenden Pferdefachleute EFZ Fachrichtung Pferderennen achtmal pro Jahr die überbetrieblichen Kurse und ist für ihre Familie da. Auf die Frage, wie sie das alles schaffe, ohne auszubrennen, antwortet die Powerfrau: «Vieles ist eine Frage der Organisation. Am meisten Zeit nehmen natürlich die Pferde in Anspruch, ich habe aber ein tolles Stallteam, das mich unterstützt. Zu Hause kümmert sich mein Mann um sehr vieles, auch im Haushalt. Er hält mir oft den Rücken frei.»

Claudia Erni liebt ihren Trainerberuf und strahlt noch kurz vor dem Rennen Gelassenheit aus, während ihren Jockeys die Anspannung deutlich anzusehen ist.


Die Zeit mit ihrer Familie ist Claudia Erni sehr wichtig, auch wenn ihr Sohn schon langsam flügge wird. Sie erzählt: «Eine Woche gemeinsame Ferien pro Jahr sind uns heilig, die werden nie gestrichen. Zudem machen wir an freien Nachmittagen und am Wochenende – wenn meine Pferde keine Renneinsätze haben – möglichst viel gemeinsam. Mein elfjähriger Sohn hat allerdings schon viele eigene Interessen und hängt nicht mehr an Mamas Rockzipfel.»

Sicher ist sicher
Die Arbeit als Physiotherapeutin ist Ernis zweites Standbein. Da der Pferderennsport in der Schweiz auf wackligen Beinen steht, möchte sie weiterhin auch in ihrem Zweitberuf am Ball bleiben und sich stetig weiterbilden. «Es gibt mir ein gutes Gefühl, eine zweite Option zu haben. Dadurch laufe ich nicht Gefahr, vor dem Nichts zu stehen, wenn die Zahl der Rennpferde einmal so weit zurückgehen sollte, dass es nichts mehr abwirft», so Claudia Erni. Ausserdem liebe sie auch diesen Beruf und wolle die interessanten Nachmittage mit den Patienten in der Praxis nicht missen.

Freunde als Rückhalt
Als speziell wertvoll bezeichnet die vielbeschäftigte Trainerin ihre Freundschaften. «Mir sind meine Freun­de aus dem Galoppsport sehr wichtig, weil sie es sind, die mich moralisch unterstützen, wenn ich Rückschläge – zum Beispiel durch Verletzungen von Pferden – verdauen muss. Hätte ich sie nicht, hätte ich mir wohl schon einige Male überlegt aufzuhören», verrät Claudia Erni offen. «Ich bin aber auch Freunden dankbar, die mich vom Stallalltag ablenken und mich zwischendurch zu anderen Aktivitäten motivieren. Denn manchmal arbei­te ich schon zu viel und vergesse, Pausen zu machen.»

Erfolgreiche Saison
Aktuell trainiert Claudia Erni zwölf Pferde für sieben verschiedene Besitzer. Diese haben in der laufenden Saison bereits dreizehn Rennen gewonnen. Die grössten diesjährigen Erfolge waren der Gewinn des Silberblauen Bandes von Zürich durch Martina Stadelmanns Zambeso und der Sieg im Grand Prix Land Rover Jockey Club von Paul Baumgartners Malkoboy.

Der von Claudia Erni trainierte Take A Guess gehört in 1600- bis 1800-Meter-Rennen zu den Besten des Landes.

Erfolge, die motivieren, denn dass eine «kleine» Trainerin solche grossen Rennen gewinnt, ist keine Selbstverständlichkeit. Claudia Erni musste aber in diesem Jahr auch Tiefschläge überwinden. Sie seufzt: «Ich hatte mit Kathrin Teuschers Atopos einen dreijährigen Hengst im Stall, der seine ersten zwei Starts gleich siegreich gestaltete und als Derbyhoffnung galt. Doch dann verletzte er sich sehr unglücklich und der Derbytraum war von einer Minute auf die andere zu Ende. Er ist nun in der Reha.» Und ein zweiter Schicksalsschlag kam im Sommer dazu, als die kleine feine Stute Attique des Stalles Aventicum – die im Frühjahr in Fehraltorf gewann – nach einer Verletzung aufgegeben werden musste. Freud und Leid liegen im Galopprennsport nahe beisammen. Manchmal zu nahe.

Faszination bleibt
Trotz solcher Rückschläge schaut Claudia Erni immer vorwärts, denn die Rennpferde faszinieren sie noch heute. Sie schwärmt: «Vollblüter haben einen einmaligen Charakter und eine unglaubliche Leistungsbereitschaft. Jedes Pferd ist einzigartig und ich versuche jedes so individuell zu fördern, dass es sich rundum wohlfühlt und dadurch eine optimale Leistung zeigen kann.» Für ihre Pferde lohne es sich, jeden Morgen – 365 Tage im Jahr – früh aufzustehen und sich ihnen mit ganzem Herzen zu widmen. Diese Aussage wird durch die rund neunzig Siege, die sie in ihrer Trai­nerkarriere bisher erreicht hat, eindrücklich bestätigt.

Wichtige Nachwuchsförderung
Da die versierte Trainerin selber keine Lehrlinge ausbildet, früher aber auch Reitunterricht erteilte und somit eine gewisse pädagogische Erfahrung hat, ist sie die geeignete Person, um den Lernenden des Berufszweigs Pferdefachfrau/-mann EFZ Fachrichtung Pferderennen in den überbetrieblichen Kursen den Rennstall-Alltag näherzubringen. Da jede Trainerin und jeder Trainer die eigene Philosophie umsetzt, hat jeder Rennstall einen ganz eigenen Tagesablauf, individuelle Trainingseinheiten und spezifische Vorgehensweisen bei vielen Tätigkeiten. Damit die Auszubildenden auch Einsicht in einen anderen Trainingsalltag bekommen und quasi neutral in die Rennsportpraxis eingefuchst werden, besuchen sie diese überbetrieblichen Kurse.

Der Sieg von Martina Stadelmanns Zambeso im Silberblauen Band von Zürich gehört zu den grössten Erfolgen in Ernis Trainerkarriere.

Claudia Erni dazu: «Die Arbeit mit dem Nachwuchs ist eine willkommene Abwechslung. Und ich gebe meine langjährige Erfahrung gerne weiter. Leider entscheiden sich aktuell nur wenige für die Rennreiterlehre, umso schöner ist es, wenn man mitverfolgen kann, wie die wenigen, die wirklich Jockey werden, ers­te Erfolge einheimsen.»

Es bleibt, wie es ist
Auf die Frage, wo sie sich in zehn Jahren sehe, sinniert Claudia Erni: «Mein Leben passt, wie es ist. Ich werde – wenn ich gesund bleibe – auch in zehn Jahren noch Rennpferde trainieren. Pferde werden mich bis an mein Lebensende begleiten. Und ich wünsche mir, auch dann noch auf Familie, Freunde und treue Besitzer zählen zu dürfen, zu denen ein tiefes Vertrauensverhältnis besteht. Für mich ist ein optimales Umfeld das Alpha und das Omega des Lebens.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 44/2018)

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