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Walter Gabathuler mit Silver Surfer (l.) und Fine Fleur du Marais.
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Das Comeback des Altmeisters

10.01.2017 12:45
von  Peter Wyrsch //

In Basel werden auch Pferdemärchen geschrieben. Am achten Longines CSI Basel gibt Walter Gaba­thuler ein unerwartetes Comeback. Der 62-jährige Altmeister misst sich nach 25-jähriger Absenz an grossen Turnieren wieder mit der Weltelite der Spring­reiterszene. Möglich gemacht hat dies der Basler Pferde­mäzen Thomas Straumann, der Verwaltungsratspräsident der CSI-BHE AG. Er hat den sechsfachen EM-Medaillen­gewinner und fünffachen Schweizermeister seit dem 1. August im süddeutschen Kandern nahe der Schweizer Grenze als Bereiter angestellt und hat ihn mit einigen Spitzenpferden ausgerüstet. 

Zwei Schimmel stehen seit Anfang November 2016 in Gabathulers Stalltrakt im imposanten Hofgut Kaltenherberge in Kandern, wo eifrig renoviert und ausgebaut wird: Die zwölf­jährige in Belgien gezogene Stute Fine Fleur und der zehnjährige Holsteiner Silver Surfer. Fine Fleur du Marais nahm unter dem für die Ukraine startenden Brasilianer Cassio Rivetti an den Olympischen Spielen in Rio teil. Zahlreiche Nationenpreiseinsätze und ein GP-Sieg in Arezzo zeugen von der Qualität des feingliedrigen Pferdes. Der Holsteinerwallach Silver Surfer ist grösser, muskulärer, temperamentvoller, aber nicht minder veranlagt. Straumann ist überzeugt: «Fine Fleur hat ihre Klasse schon bewiesen. Silver ist ein fantastisches und kraftvolles Pferd, das seinen Zenit noch nicht erreicht hat.»

Im Sattel von Fine Fleur am Turnier in Frankfurt.

Ein GP-Sieg im Sommer 2016 in einem Springen der Grossen Tour am Dreistern-CSI bei Holger Wulschner in Gross Viegeln nahe Rostock und ein Triumph in einem Zeitspringen in Neumünster unter der deutschen Amazone Inga Czewalina verheissen einiges. Bald soll auch die elfjährige Oldenburgerstute Querida, die unter Denis Lynch einige Siege und Klassierungen in Vier- und Fünfsternturnieren erreicht hat, nach einer Pause von einem Jahr wieder für Wettkämpfe einsatzbereit sein. Und schliesslich ist auch der achtjährige Westfale Arlington, der den gleichen Vater wie Ludger Beerbaums einstiges Olympiapferd und späteren Lynch-Crack All Inclusive hat, nach ausgeheilten Fesselträgerproblemen für den Beritt Gabathulers vorgesehen.

Die ersten Erfahrungen

Erste Starts mit seinen neuen Pferden hat Gabathuler bereits vollzogen. Die Hallen-CSI in Oldenburg Ende November, in Opglabbeek in Belgien und der CSI Frankfurt dienten dem gebürtigen St. Galler Rheintaler als Aufbauturniere für den grossen Wiedereinstieg in Basel. «Es war enorm schön, wieder Turnierluft auf höchster Stufe zu schnuppern», meinte der einstige Vorzeigereiter des Basler Uhrenfabrikanten William Mosset. Bei seinen Tests für den CSI Basel verzeichnete der Routinier bereits wieder erste Klassierungen. Mit Fine Fleur wurde er Fünfter im Championat des CSI Frankfurt und kam mit der Schimmelstute zu einer weiteren Klassierung.

Gabathuler 1989 mit Landlord an den German Classics in Bremen.

«Im GP hatten wir zwei kleine Fehler. Ich bin aber an sämtlichen Vorbereitungs­turnieren und mit beiden Pferden nicht auf Sieg oder Spitzenrangierungen geritten. Mein Hauptaugenmerk galt der Abstimmung. Ross und Reiter müssen sich aneinander gewöhnen. Es war deshalb für mich eher ein wettkampfmässiges Training.» Gabathuler stellte fest, dass Fine Fleur über etwas mehr Routine verfügt und ein typisches Parcours­pferd ist. «Sie muss man im Training mehr motivieren als den neugierigen Silver Surfer. Mit beiden Pferden, auch mit dem Casall-Sohn, komme ich aber gut zurecht. In Oldenburg blieben wir bei sämtlichen Starts fehlerlos. Es braucht mit beiden Pferden noch die Feinabstimmung, denn ich habe feststellen müssen, dass während meiner Abwesenheit an grossen Turnieren die Parcours nochmals technischer wurden, die Hindernisse trickreicher aufgestellt und luftiger gebaut werden. Aber ich war ja nie ganz weg vom Fenster.»

Feinschliff mit Susanne Behring

In der Vorbereitung, auch in den Tagen vor dem grossen Comeback in der St. Jakobshalle, kann er auf die bewährte deutsche Trainerin und ehemals erfolgreiche Reiterin Susanne Behring zählen. Jahrelang trainierte sie in Riaz bei Bulle Christina Liebherr und führte sie an die internationale Spitze.

Vielleicht erfüllt sich der Traum von den Olympischen Spielen 2020 für Gabathuler noch.

Drei- bis viermal pro Monat formt nun die Deutsche den Wiedereinsteiger sowie auch Flaminia Straumann, die Tochter von Thomas Straumann. Ihr steht ebenfalls ein eigener Stalltrakt für ihre Vierbeiner zur Verfügung. Sie startet vor allem in Zweisternturnieren, wird aber auch am CSI Basel ihre Fortschritte beweisen wollen. Die ersten Erfahrungen mit den neuen Hoffnungsträgern hat Gabathuler inzwischen gesammelt: «Ich spüre es. Es passt. Ich habe ein gutes Gefühl, reite ich doch gerne bewegliche Pferde mit viel Blut, Temperament und viel Vermögen.»

Jahrelang im zweiten Glied

Über 25 Jahre war es still geworden um den fünffachen Schweizermeister (1975 bis 1979), sechsfachen EM-Medaillengewinner (unter anderem Teamgold 1993 in Hickstead), dreifachen WM-Teilnehmer und Olympiareiter in Seoul 1988. Seine Spitzenpferde Harley, Beethoven, Butterfly und The Swan waren Pferdefreunden einst weltweit ein Begriff. Der feinfühlige Reiter verpass­te aber wegen kommerziellen und privaten Rückschlägen und fehlender pekuniärer Unterstützung den Sprung aufs immer heftiger drehende Turnierkarussell. Der einstige Weltklassereiter war seit Anfang der 90er-Jahre an grossen Turnieren nicht mehr zugegen. Es fehlte an Spitzenpferden. So backte er kleinere Brötchen und verdiente seinen Lebens­unterhalt mit Starts und Klassierungen in regionalen, nationalen und kleineren internationalen Turnieren sowie mit der Ausbildung von Pferden und Trainingslektionen. Seit 35 Jahren führt Walter zusammen mit seiner Gattin Rosmarie die Reitanlage Rifugio im aargauischen Wallbach. Besitzer des Pensions- und Ausbildungsstalls ist Werner Edelmann, der ehemalige Präsident des FC Basel. Seit der Anstellung bei Thomas Straumann in Kandern führt «Rosi» den Reitbetrieb fast im Alleingang weiter.

Der neue Anlauf

Mitte 2016 erfüllte sich Gabathulers Sommernachtstraum. Er fand in Thomas Straumann einen Mäzen und Sponsor, der an ihn glaubt. «Ich schätze Walter seit Jahren als Menschen und Reiter sehr. Er ist ein stiller Schaffer, ruhig, bodenständig und vermag auf Pferde einzugehen. Er hat eine neue Chance verdient», sagt Straumann.

Mäzen Thomas Straumann (l.) und Walter Gabathuler mit Fine Fleur du Marais.

Im sogenannten «Glocken­stall» mit einer antiken Uhr auf dem Dach sind sämtliche Pferde in Gabathulers Beritt untergebracht. Auch seine «eigenen» Pferde hausen nunmehr dort: Die Inländerstute Valeria von Besitzerin Verena Buess, die 2016 neun Siege bis Stufe 140 auf ihrem Konto verbuchte, der zehnjährige Quidam de Luxe und der achtjährige Bantou Balou von Besitzerin Manuela Linder. Gabathuler: «Ich reite täglich drei, vier Pferde von Thomas Straumann und die drei eigenen Pferde. Ich fühle mich wie im Pferdeparadies, obwohl ich mehr zu tun habe als zuvor.»
Die grosse Frage: Erfolgt das Comeback im grossen Turniersport mit 62 Jahren nicht etwas spät? Findet der einstige Klassereiter nach 25 Jahren wieder den Anschluss? Gabathulers Antworten: «Ich bin fit, gesund und topmotiviert. Die neue Chance macht mich gedanklich jünger. Und ich war ja nie richtig weg vom Springreitsport. Unter Erfolgsdruck lasse ich mich nicht setzen. Ich will mich kontinuierlich wieder he­rantasten. Aber vielleicht wird mein grosser Traum wahr und ich vertrete die Schweiz 2020 an den Olympischen Spielen in Tokio.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 1/2017)

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