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Pferdeernährung – vom Fressverhalten bis zur Futterqualität, anlässlich des «Brennpunkt Pferd»
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Das Pferd ist, was es frisst

19.12.2017 12:17
von  Aline Wicki //

Seit der Domestizierung des Pferdes und der heute häufig vorkommenden Boxenhaltung können Pferde meist nicht mehr, wie es ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechen würde, die meiste Zeit des Tages mit Fressen verbringen. Wie würde das Pferd die Fütterung gestalten und welche Methoden bevorzugt es? Wie sind Heunetze zu beurteilen und was hat es mit dem Wässern des Heus auf sich?


Immer wieder beschäftigt sich die Forschung mit dem Fressverhalten der Pferde und doch bleibt eines immer gleich – das natürliche Fressverhalten der Pferde. Pferde verbringen in der Natur nämlich gut zwölf bis 16 Stunden am Tag mit der Futteraufnahme. Dabei schreiten sie, der Kopf stets am Boden, langsam voran und nehmen immer wieder Nahrung auf. Es wird also einerseits über lange Zeit Nahrung aufgenommen und andererseits befindet sich das Pferd immer in Fortbewegung. Auf den Speiseplan des Pferdes gehören nebst magerem Gras auch Blätter, Kräuter, Rinde und Wasser aus Seen oder Bächen.

Der Verdauungsapparat des Pferdes
Der Weg, welcher das Futter von der Aufnahme bis zur Ausscheidung zurücklegt, ist etwa zehnmal so lang wie das Pferd selbst. Zu Beginn selektioniert das Pferd mit seiner Lippe das Futter und nimmt es in die Mundhöhle auf. Im Mund beginnt die Zerkleinerung durch die Zähne und das Einspeicheln des Futters. Das Pferd als Fluchttier hat einen verhältnismässig kleinen Magen mit einem Fassungsvermögen von rund 15-20 Litern. Dieser wird etwa sechs- bis achtmal am Tag entleert. Im Magen findet die erste Verdauung von Eiweissen und Kohlenhydraten statt, Wasser wird in den Dünndarm weitergeleitet.

Mit der Lippe selektionieren Pferde ihr Futter und zupfen die Grashalme ab.

Nach dem Magen wird der Brei in den rund 25 Meter langen Dünndarm transportiert, der in etwa 1,5 Stunden passiert wird. Die von der Bauchspeicheldrüse und Leber produzierten wertvollen Verdauungsenzyme werden nun eingespritzt. Rund 100 Liter Verdauungssaft produziert ein Pferd pro Tag. Die Rauhfasern werden in den Dickdarm weitergeleitet. Der Dickdarm ist etwa zehn Meter lang und besteht aus Blinddarm, Grimmdarm und Mastdarm. Die Passagezeit beträgt rund 30 bis 50 Stunden, bei einem Fassungsvermögen von 175 bis 230 Litern. Im ersten Teil, im Blinddarm also, findet die Aufschlüsselung der Zellulose durch Mikroorganismen und die weitere Verdauung von Kohlenhydraten und Eiweissen statt. Im Grimmdarm wird, zusätzlich zu den ähnlichen Funktionen wie im Blinddarm, noch 75 bis 100 Liter Wasser pro Tag resorbiert. Im Mastdarm wird die Masse schliesslich zu Kotballen geformt und über den After ausgeschieden.


Riesige Portionen auf zu kurze Zeit

Das Pferd ist kein Dauerspeichler, es produziert also nicht ständig Speichel. Bekommt das Pferd nur zweimal pro Tag Futter, und dazu in grossen Mengen, reicht der Speichel nicht aus, um das Futter gut einzuspeicheln, was einen zu trockenen Nahrungsbrei zur Folge hat.

Das Fohlen geniesst eine kurze Pause auf der an Blumen und Kräutern reichhaltigen Wiese.

Dazu kommt, dass ständig Magensäure produziert wird. Sind die Fresszeiten zu kurz, kann es schnell zu einer Übersäuerung des Magens kommen. Beides kann sich in einer Kolik äussern und kann in schlimmen Fällen gar tödlich enden. Die kürzeren Fresszeiten und zu weiches Futter führen zusätzlich zu weniger Zahnabrieb. Deshalb ist es umso wichtiger, die Zähne regelmässig durch einen Pferdezahnarzt kontrollieren zu lassen und dem Pferd an seine Bedürfnisse angepasste Futtermittel zu geben.

Wasserangebot regelt die Trinkmenge
Ein Pferd trinkt im Schnitt 30 bis 50 Liter Wasser, was saisonal und je nach Leis­tung stark variieren kann. Studien konnten aufzeigen, dass Pferde mehr und lieber trinken, wenn ihnen mehrere Trinkmöglichkeiten zur Auswahl stehen. Man sollte also, wenn immer möglich, dem Pferd mehrere Tränken, Eimer oder Bassins zur Verfügung stellen, oder im Idealfall Zugang zu natürlichen Wasserquellen wie Seen und Bächen ermöglichen.

Pferde trinken nachweislich lieber aus natürlichen Wasserquellen, wie hier in Les Dannes aus dem See.


Futterqualität ist entscheidend
Das Pferd ist ein Feinschmecker, dies ist gut ersichtlich, wenn man beobachtet, wie das Pferd mit seinen Lippen wahrhaftig selektioniert und das Gute vom Schlechten trennt. Doch in den gängigen Haltungsformen können Pferde meist ihr Futter nicht selbst aussuchen, sondern müssen, um ihren Bedarf zu decken, das zu sich nehmen, was ihnen aufgetischt wird. Der Mageneingang des Pferdes ist basisch und sehr empfindlich auf verdorbenes Futter und auch die Mikroorganismen die am Verdauungsprozess beteiligt sind, reagieren empfindlich auf pH-Schwankungen.

Gutes Heu erkennen ist gar nicht so einfach. Am «Brennpunkt Pferd» lernten die Teilnehmer, gutes von schlechtem zu unterscheiden.

Die Futterqualität ist also, neben der Portionierung, entscheidend für die Pferdegesundheit. Doch wie erkennt man gutes Pferdefutter? Jeder Pferdehalter kann anhand einer sensorischen Beurteilung das Pferdefutter selbst einstufen. Gutes Heu beispielsweise weist einen aromatischen Heugeruch auf, ist leicht grünlich bis bräunlich gefärbt und die Stängel und Rispen sind deutlich erkennbar. Insbesondere darf das Futter keinesfalls von Schimmel oder Pilz befallen sein. Wer sich trotzdem nicht sicher ist, kann eine repräsentative Futterprobe im Labor testen lassen und so auch gleich den Nährwert bestimmen.

Heunetz, Bedampfer, Wässern des Heus
Die einen schwören darauf, andere stehen dem Heunetz eher kritisch gegen­über. Das Heunetz bietet die Möglichkeit, das Pferd über längere Zeit mit Fressen zu beschäftigen und damit die Zeit der Futteraufnahme zu verlängern, was sich positiv auf den Verdauungsprozess auswirkt. Die Heunetze, und dies gilt auch für alle Futterraufen, sollten aber möglichst bodennah angebracht werden. Denn das Gebiss und der Schädel des Pferdes sind so gebaut, dass bei zum Boden gestrecktem Hals, also in der natürlichen Fress­haltung des Pferdes, Ober- und Unterkiefer ideal aufeinander zu liegen kommen. Frisst das Pferd stets mit angehobenem oder gar nach oben gestrecktem Kopf, resultiert ein unnatürlicher Zahnabrieb und kann zu schwerwiegenden Zahnproblemen führen.
Empfindliche Pferde reagieren schon auf geringe Staub- und Schimmelkontamination des Futters. Viele Pferdebesitzer bedämpfen daher das Heu oder wässern es. Doch bringen die umstrittenen Methoden wirklich etwas? «Durch das Dämpfen kann der Keimgehalt reduziert werden. Durch das Wässern nimmt mit zunehmender Wässerungsdauer einerseits der Keimgehalt, insbesondere der Hefekeimbesatz, zu und andererseits der Zuckergehalt ab. Das Heu sollte daher nur kurz gewässert und sofort verfüttert werden. Liegt das gewässerte Heu lange herum, steigt der Keimbesatz stark an und das Heu ist nicht mehr zur Verfütterung geeignet», erklärt Ueli Wyss von Agro­scope am diesjährigen «Brennpunkt Pferd».

Erhöhen Ergänzungsfuttermittel Fressdauer?
Die meisten Pferde erhalten heute zusätzlich zu Heu oder Hylage sogenanntes „Kraftfutter“. Es gibt unzählige Hersteller und Varianten von Futtermitteln, doch bringen diese auch den gewünschten Effekt? Studien der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften konnten zeigen, dass «Müesli», zumindest was die Verlängerung der Futteraufnahmezeit betrifft, nicht den gewünschten Effekt bringt.

Nebst Gras sollten dem Pferd auch Büsche, Blätter und Äste zur Verfügung stehen.

Keines der getesteten Futtermittel kommt annä­hernd an die lange Verzehrdauer von Heu heran. Für gesunde Verdauungsvorgänge sollte die Aufnahme von Ergänzungsfuttermitteln limitiert werden.
Die Pferdefütterung ist also alles andere als einfach und sollte stets durch geschultes Personal erfolgen. Die Dauer der Futteraufnahme kann mit möglichst natürlicheren Haltungsformen und einfachen Massnahmen verlängert werden und trägt somit in erheblichem Masse zur Pferdegesundheit bei. Ein gesundes Gebiss, kontrolliert bei regelmässigen Zahnkontrollen, gute Futterqualität, genügend Freilauf und Bewegung sind entscheidend. Das Sprichwort «Du bist, was du (fr)isst» hat noch immer seine Berechtigung.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 50/2017)

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