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Sönke Rothenberger mit Favourit an der Show vom CSI Basel.
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Das Potenzial ist noch nicht völlig ausgeschöpft

17.01.2017 14:54
von  Chantal Kunz //

Am CSI Basel zeigte der deutsche Dressurreiter Sönke Rothenberger seine GP-Kür auf seinem Lehrmeisterpferd Favourit. Er gewann an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro mit seinem Pferd Cosmo die Teamgoldmedaille. Obwohl damit sein Kindheitstraum in Erfüllung ging, hat er noch lange nicht alles erreicht in seinem Leben.

Bewegende Musik ertönt in der Basler St. Jakobshalle, als der Team­olympiasieger von Rio de Janeiro Sönke Rothenberger in die Bahn einreitet. Die Lichter sind auf ihn und seinen Dunkelfuchswallach gerichtet und tauchen die beiden in verträumte Farben. In einer Show präsentierte der 22-Jährige seine Grand-Prix-Kür vor dem Publikum des CSI Basel. Sein Pferd Favourit wird liebevoll als sein Professor bezeichnet, da die beiden gemeinsam im Sport gewachsen sind und einige Erfolge hatten. Mit ihm möchte der Dressurreiter nun noch an seiner Kür feilen und nutzte dazu auch die Gelegenheit in Basel. «Ich habe mich sehr über die Anfrage gefreut, denn die Leute sind alle sehr nett und ich war vorher noch nie am CSI Basel. Ausserdem ist es immer förderlich, eine Kür in so einer Halle zu reiten.»

Dem Pferdesport verfallen

Der 22-jährige Deutsche sitzt täglich mindestens drei Stunden auf dem Pferd. Und dies schon seit seiner Kindheit. Sönke Rothenberger wuchs in einer Reiterfamilie auf, schon seine Eltern – Sven Rothenberger und Gonnelien Rothenberger-Gordijn – ritten auf höchstem internationalen Niveau. So war für Sönke Rothenberger von Anfang an klar, dass auch er in den Pferdesport einsteigen will. Die Kraft der Pferde habe ihn schon immer fasziniert und zusammen mit seinen Eltern und seinen zwei Schwes­tern Sanneke und Semmieke lebt er auf dem Gestüt Erlenhof in der Nähe von Frankfurt am Main. «Auch meine Eltern wollten, dass die Kinder alle sattelfest sind und die ganze Familie im Urlaub am Strand reiten gehen kann», sagt der junge Dressurreiter. Er und seine Schwestern hätten sich schon immer für die Pferde interessiert, egal ob Dressur, Springen oder Zucht. «Da wir in der Familie auch fast immer über Pferde sprechen, wäre es auch schwierig, wenn sich jemand gar nicht für diese Tiere und den Sport inte­ressieren würde.»

Olympische Spiele sind das Ziel

Schon früh war auch sein Ziel, an den Olympischen Spielen mitzureiten, klar. «Die Olympischen Spiele in Athen waren prägend für mich, denn mein Vater konnte dort teilnehmen. Von da an wusste ich, dass ich auch einmal so weit kommen möchte.» Als Kind sei es für Rothenberger normal gewesen, dass seine Eltern an internationalen Turnieren teilnehmen. Doch als er selbst weltweit auf diesem Niveau ritt, habe er gemerkt, was es eigentlich braucht, um so weit zu kommen. «Man muss genau zum Zeitpunkt des Turnieres in Höchstform sein und zu den Besten gehören, was bei den vielen guten Reitern nicht einfach ist.» Sein Ziel wurde schon früh Realität und mit jungen 21 Jahren nahm er bereits an den Olympischen Spielen teil. Mit seinem neunjährigen Wallach Cosmo trat er als jüngstes Paar in Rio de Janeiro an. Die beiden konnten bis zu diesem Zeitpunkt schon einige Erfolge verbuchen, doch die Olympischen Spiele waren ihr erstes Championat. «Es ging schon alles sehr schnell. Aber wenn es wirklich passt, dann funktioniert das auch», sagt Rothenberger rückblickend. «Olympia war für mich das Allerschönste, es ist mein Kindheitstraum, der in Erfüllung gegangen ist. Dass wir auch noch die Goldmedaille gewonnen haben, ist natürlich umso schöner.» Für seine Leistungen wurde der Dressurreiter mit dem «FEI Rising Star Award» ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung werden junge Sportler belohnt, die ein aussergewöhnliches sportliches Talent unter Beweis gestellt haben.

Goldmedaillengewinner mit der deutschen Mannschaft: Sönke Rothenberger. 

Noch nicht auf dem Höhepunkt

Der Dressurreiter freute sich sehr über die Mannschaftsgoldmedaille. Trotzdem denkt er, dass er und sein Partner Cosmo noch Steigerungspotenzial haben und sie noch nicht alles zeigen konnten, was sie eigentlich können. «Vom Alter her wären die Olympischen Spiele in Tokio 2020 perfekt, aber das kann man sich nicht aussuchen. Die Chance, an einem solchen Championat zu starten, muss man nutzen.» Im Special habe es dann auch einige Fehler gegeben, an denen sie nun noch arbeiten können. «Aber Cosmo hat sich stets von der besten Seite gezeigt, wir waren immer unter den besten zehn.» Mit der Leistung im Grand Prix sei er aber sehr zufrieden.


Eine lange Reise


Zu dem ganzen Abenteuer Olympische Spiele kam natürlich auch die Reise der Pferde. «Für mich gingen die Spiele erst richtig los, als ich wusste, Cosmo ist angekommen und es ist alles in Ordnung.» Der Wallach hätte die Reise gut verkraftet, erzählt Rothenberger.Cosmo sei nicht besonders aufgeregt gewesen, ausser in dem Moment, als er mit seiner Boxe hoch in das Flugzeug gehoben wurde. Abgesehen von der Reise hätten Rothenberger selbst die Olympischen Spiele aber nicht besonders nervös gemacht. «Mir hat mal einer gesagt, das Pferd wisse auch nicht, dass es Olympische Spiele sind. Also habe ich mir dasselbe gedacht und mich auf ein normales Turnier eingestellt.» Er sei aber sowieso nicht derjenige, der sich schnell aus der Ruhe bringen lässt. «Klar hofft man, dass alles so klappt, wie man es sich vorstellt, aber es passieren immer Dinge, die man nicht beeinflussen kann.» Im Nachhinein erfahre er aber Stück für Stück, was es eigentlich bedeutet, in so jungen Jahren schon am grössten Championat überhaupt dabei gewesen zu sein und zudem noch eine Goldmedaille zu gewinnen, erklärt der 22-Jährige.

Immer neue Ziele vor Augen

Nicht viele Reiter gewinnen in ihrem Leben einmal eine Goldmedaille an Olympischen Spielen. Umso grössere Bedeutung hat diese für Sönke Rothenberger. Doch der 1.93 Meter grosse Deutsche will sich auf keinen Fall auf diesem Erfolg ausruhen. «Mehrere Personen sagten mir, dass ich nun ja aufhören könne, ich hätte ja das Grösste erreicht. Doch es gibt immer wieder neue Aufgaben. Ich war zum Beispiel noch nie an den Europameisterschaften der Elite dabei, deshalb will ich das sicher noch erreichen», widerspricht er. Trotzdem seien die Olympischen Spiele etwas ganz Besonderes gewesen und er denke auch noch oft daran zurück. Neben dem Reitsport konnte der sympathische Reiter auch noch weitere Highlights der OS schildern. Eines davon war die Eröffnungsfeier: «Wir Athleten standen da in einem dunklen Gang und mussten warten. Dann wurde der Vorhang geöffnet und wir traten hinaus in das riesige Stadion, wo uns Unmengen von Menschen zujubelten. Das ist einfach ein unglaubliches Gefühl.»

Rothenberger wurde als «Rising Star» ausgezeichnet. Foto: FEI 

Intelligenter Partner

Nach einigen Jahren im Dressurlager wechselte der Deutsche in den Spring­sport. Mit 16 Jahren sei Rothenberger schon zu gross für die Ponys gewesen und konnte schon einige Erfolge in der Dressur verzeichnen. Sein Grossvater hatte zu diesem Zeitpunkt einige Springpferde, eines davon war 17 Jahre alt und feierte mit Rothenbergers Onkel bereits internationale Erfolge. Ganz hohe Prüfungen sollte das Pferd nicht mehr gehen und so konnte Sönke Rothenberger mit ihm im Springsport starten. Danach stellte ihm sein Grossvater die Stute Liza Minelli zur Verfügung. Mit ihr sei er in Prüfungen bis 155 Zentimeter gestartet und wurde Zehnter an der Deutschen Meisterschaft. «Springreiten macht mir auch jetzt noch sehr grossen Spass, doch es ist schwierig, Dressur und Springen auf diesem Niveau zu vereinbaren, besonders jetzt, da ich noch studiere», so Rothenberger. Der Fokus solle aber schon auf der Dressur liegen. Nach einiger Zeit im Springsport wechselte er wieder vermehrt in den Dressursport. «Schuld» daran war der Niederländerwallach Cosmo. Dieser sei als Vierjähriger auf den Hof der Familie Rothenberger gekommen. Gedacht sei er eigentlich für die jüngere Schwester von Rothenberger gewesen. «Er ist aber ein temperamentvolles Pferd, ein Energiebündel. Das macht ihn aber auch aus, aber er war schon etwas zu wuchtig für meine kleine Schwester», erklärt der Wirtschaftsstudent. Der Niederländerwallach sollte dann verkauft werden. «Als die Kaufinte­ressenten aus Amerika bei uns auf dem Hof waren, habe ich mich erst richtig mit Cosmo befasst und Glück gehabt, dass sie ihn nicht gekauft haben. Ich hatte selten so ein tolles Gefühl auf einem Pferd wie bei ihm.» Er sei ein richtiges Genie, beschreibt Rothenberger sein Pferd. Er könne wirklich alles und mache mit seiner temperamentvollen Art einfach Eindruck. Zudem lerne er unglaublich schnell. «Er hat zum Beispiel den Trick beim Leckerliball innerhalb einer Stunde begriffen, wo andere Pferde Tage brauchen.»

Sönke Rothenberger gewann mit Cosmo die Mannschaftsgoldmedaille an den Olympischen Spielen in Rio. 

Training bei den Eltern

Mit seinen Pferden trainiert Sönke Rothenberger hauptsächlich auf dem elterlichen Gestüt und wird vom Vater und der Mutter unterrichtet. Für ihn sei das ein grosser Vorteil: «Ich habe es erlebt, dass ‘fremde’ Trainier nicht wirklich das sagen, was sie sehen, um einen nicht zu verletzen. Meine Eltern nehmen kein Blatt vor den Mund und sagen mir, was noch nicht gut ist. Nur so kann ich auch wirklich weiterkommen.» Natürlich gebe es auch immer wieder Vergleiche mit den Eltern oder den Geschwistern. «Wir in der Familie vergleichen uns aber nicht untereinander, dafür sind wir viel zu unterschiedlich», sagt Rothenberger. So könnten sie auch unterei­nander die Pferde tauschen, wenn sie nicht zum ursprünglich gedachten Reiter passen. «Auch Favourit war zuerst für meine Schwester gedacht, aber er lag mir dann einfach besser.» Sich selbst beschreibt der Olympiasieger als sehr ehrgeizig. Er habe aber eher ein grosses Ziel vor Augen, anstatt dass er jedes Wochenende ein Turnier gewinnen wolle. «Ich bin jetzt nicht gerade der, der morgens um sieben Uhr schon im Stall steht und trainiert, aber ich nehme mir das Training schon sehr zu Herzen. Ich versuche es dann mit Leichtigkeit zu nehmen, was leider nicht immer klappt.» Das Wichtigste in seiner Reiterkarriere sei die Gesundheit der Pferde, alles andere kommt danach.

Der 22-Jährige studiert und trainiert täglich mit seinen Pferden. 

Studium, Training und Freunde

Aktuell studiert Sönke Rothenberger noch «International Business Adminis­tration». Sein Studiengang fordert zwei Auslandssemester, welche er bereits in den Niederlanden und der Schweiz absolviert hat. «Ich habe extra Länder in der Nähe gewählt, damit ich die Pferde mitnehmen kann», erklärt er schmunzelnd. Neben dem Studium und dem Reiten habe er ab und zu noch etwas Zeit, wenn auch nicht viel. «Meistens treffe ich dann Freunde. Ich bin nicht so der Fussballspieler.» Nach seinem Studium freue er sich, wieder vermehrt zu trainieren, auch im Springsport. Doch schon jetzt hat er sein Ziel, die Europameisterschaften in Schweden, fest im Blick.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 02/2017)

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