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Stresssituationen entstehen durchaus auch in Herden- oder Offenstallhaltung.
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Das schlägt auf den Magen

07.02.2012 11:07
von  Melina Haefeli //

Magengeschwüre und chronische Magenentzündungen kommen bei Pferden häufig vor. Nimmt man die statistischen Zahlen, ist die Wahrscheinlichkeit gross, ein Pferd mit Magengeschwüren zu haben. Nicht nur Spitzensportler, sondern vermehrt auch Freizeitpferde erkranken daran. Verantwortlich dafür ist vor allem die falsche Fütterung und häufig auch Stress. Aber es gibt ebenso andere Ursachen dafür. Wie entstehen Magengeschwüre und was kann man tun, damit es gar nicht so weit kommt? Die «PferdeWoche» suchte nach Antworten bei Dr. med. vet. Dorothe Meyer.

«Bis vor ein paar Jahren waren Magenentzündungen und Magengeschwüre gar kein Thema. Der einfache Grund dafür ist, dass sie vorher nicht diagnostiziert wurden. Das änderte sich erst, als der Medizingerätemarkt Endoskope bereitstellte, die für eine Untersuchung des Pferdemagens lange genug und vom Preis her günstig genug waren», erklärt Dr. med. vet. Dorothe Meyer. Die Tierärztin und Mi­krobiologin setzte sich als Fütterungsexpertin intensiv mit dem Thema Pferdemagen auseinander. Die Statis­tik besagt, dass 90 Prozent aller Rennpferde und rund 60 Prozent aller übrigen Pferde unter Magengeschwüren leiden. «Auch Freizeitpferde sind keineswegs frei davon. Vermutlich leiden fast alle Pferde – egal ob Fohlen, Freizeitpartner oder Hochleistungsathlet – mehrfach in ihrem Leben an einer Magenentzündung», führt Dr. Meyer weiter aus.

Magen bleibt Wildpferdemagen

Es handelt sich beim Pferdemagen um eine kleine, untergeordnete Durchlaufstation, die dem ständig ankommenden, gut vorgekauten Nahrungsbrei permanent Magensaft hinzufügt, so dass dieser schliesslich den Dickdarm wohl vorbereitet erreicht. Es gibt zwei Arten von Schleimhäuten im Pferdemagen: Die drüsenhaltige und die drüsenlose Schleimhaut. Die meis­ten Magengeschwüre entstehen am Übergang dieser beiden Schleimhäute. Anfällig ist aber auch die drüsenlose Schleimhaut. Der im Verhältnis sehr kleine Magen ist darauf ausgelegt, rund um die Uhr Futter zu verdauen. Die Drüsen der Magenschleimhaut produzieren Magensäure zum Zersetzen der Nahrung 24 Stunden lang. «Diese Konstruktion ist wunderbar geeignet für einen Pflanzenfresser, der in freier Wildbahn mit Freunden abhängt, maximal eine Stunde am Tag schläft, zusätzlich noch ein wenig döst, gerne zwischendurch mit Kumpels spielt und soziale Fellpflege betreibt, aber dabei stets mitten im Essen steht und täglich 16 bis 18 Stunden mit der Füllung seines Magens beschäftigt ist», verdeutlicht Dr. Meyer und fügt an: «Das Leben dieses Pflanzenfressers ist zudem absolut stressfrei, abgesehen von den seltenen Angriffen grössenwahnsinniger Berg­löwen, denen man in sicherer Gemeinschaft in schneller, relativ kurzer Flucht problemlos entkommt. Die Unannehmlichkeit Berglöwe haben unsere Hauspferde nicht mehr, dafür haben sie sich eine Reihe neuer Stress­faktoren und andere Herausforderungen eingehandelt – speziell für ihren Magen. Trotz Domestizierung ist er immer noch der ursprüngliche Wildpferdemagen.» Zu Essen gibt es, was vorgesetzt wird; unsere Vierbeiner stehen nicht mehr 24 Stunden im Essen, sondern bekommen es zugeteilt. Statt primär faserreicher Nahrung gibt es jetzt auch konzentrierte Getreidemahlzeiten. Mit Kumpels abzuhängen ist keineswegs mehr selbstverständlich; das Laufbedürfnis ist in Boxenhaltung stark eingeschränkt. Der Boxennachbar wird einem einfach vor die Nase gesetzt; wer im Offenstall lebt, steht eventuell unter Dauerstress wegen Unverträglichkeiten unter «Herdenmitgliedern» und noch so manches mehr wie Transporte, Trennung von Freunden und so weiter. Dies sind alles Stressfaktoren und Stress erhöht die Magensaftproduktion. «Das Pferd ist von seiner Psyche her ein extrem adaptionsfähiges Wesen – das ist die gute Nachricht. Jedoch ist sein Magen gar nicht adaptionsfähig, bestimmte Grundgegebenheiten müssen erfüllt werden oder der Magen wird krank», fügt die Fütterungsexpertin hinzu.

«Gut gekaut ist halb verdaut»

Diese Redensart trifft beim Pferd voll ins Schwarze. Die Erläuterungen von Dr. Meyer zur Futteraufnahme, zum Kauverhalten und zur Magenverdauung schaffen Klarheit: «Ein Pferd bildet in 24 Stunden fünf bis zehn Liter Magensaft pro 100 Kilogramm Körpergewicht. Das sind bei einem 600 Kilogramm schweren Einhufer stolze 30 bis 60 Liter am Tag. Magensaft enthält zum grössten Teil Salzsäure und ist richtig sauer. Der Pferdespeichel enthält eine Lauge (Bikarbonat), die diese Säure abpuffert. Viel Speichel bedeutet also viel Pufferung des sauren Magensaftes. Magensaft ohne Speichel – also ohne Fressen – greift die Magenwände an. Das Pferd sollte möglichst rund um die Uhr Raufutter zu sich nehmen, um diesem Mechanismus gerecht zu werden, denn die Magenpassage dauert nur zwischen einer bis fünf Stunden.» Das heisst, die ­erste Ursache für Magengeschwüre fängt bereits bei den zu langen Fresspausen an. Länger als vier Stunden ohne Futter bedeutet den Angriff der Magensäure auf die Magenschleimhaut. Dieses Problem besteht in vielen Ställen, weil nur zweimal täglich eine grosse Menge Heu gefüttert wird. «Denn Magensäure beim Pferd wird – anders als bei uns oder unserem Hund – im Drüsenteil des Pferdemagens kontinuierlich gebildet. Also unabhängig von der Nahrungsaufnah­me und vor allen Dingen rund um die Uhr», betont die Spezialistin.

Ein engmaschiges Heunetz ermöglicht es, das Pferd länger mit der Raufutteraufnahme zu beschäftigen.

Durch die Zweiteilung des Magens wird der eingespeichelte Nahrungsbrei aus der Speiseröhre zunächst in den drüsenlosen Teil des Magens geschleudert und dort zunächst vorverdaut. Anschliessend gelangt der durchsaftete Nahrungsbrei in den Salzsäureteil des Magens, in dem dann die Mikroben abgetötet werden und die Verdauung für den Darm vorbereitet wird. «Die gesamte Verdauungsphysiologie des Pferdes ist auf seine ursprüngliche Ernährungsform ausgerichtet. Langandauerndes Fressen rohfaserreicher Nahrung (Gras, Heu) bedingt aufgrund vermehrter Kautätigkeit die Absonderung von viel Speichel, was den Mageninhalt aufgrund des hohen Flüssigkeitsgehaltes locker macht und mit der Magensäure gut vermischt», erklärt Dr. Meyer weiter.

Mangelnde Pufferung mit Bicarbonat

Der Pferdespeichel enthält so gut wie keine Enzyme, aber dafür ist er sehr reich an Bicarbonat. Bicarbonat ist ein exzellenter Säurepuffer. Um ein Kilogramm Krippenfutter zu fressen, braucht das Pferd nur zehn Minuten und macht dabei durchschnittlich 700 Kau­schläge. Für ein Kilogramm Heu benötigt es jedoch bis zu 40 Minuten und macht dabei rund 2800 Kau­schläge. Da beim Pferd der Speichel ausschliesslich beim Kauen freigesetzt wird, bewirkt Heu eine wesentlich höhere Speichelbildung. «Rechnen wir anhand der Speichelmenge pro Minute und der Kauzeit für die unterschiedlichen Futterarten, so gelangen mit einem Kilogramm Krippenfutter maximal 900 Milliliter Speichel als Puffer in den Pferdemagen, bei einem Kilogramm Heu aber schon 6,3 Liter! Ein grosser Unterschied und ein sehr guter Grund dafür, dass man zuerst Heu füttern sollte und erst danach Krippenfutter», konkretisiert Dr. Meyer diese Fakten.

Aber nicht nur die Menge an Puffer sei wichtig. Je besser der Mageninhalt durchsaftet werden könne, umso besser werde der Mageninhalt von Magensäure durchdrungen. Die kontinuierlich gebildete Magensäure gelangt sofort in den bereinigten Mageninhalt, wird also sofort verbraucht, um die nachfolgenden Verdauungsvorgänge ideal vorzubereiten. «Die Magensäure hat ja einen physiologischen Sinn. Sie ist von Natur aus nicht dazu gemacht, Pferde magenkrank zu machen, sondern um mit der Nahrung aufgenommene Keime abzutöten und um die Nahrung für die weitere Verdauung vorzubereiten. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass Magensäure, die vom Mageninhalt nicht aufgenommen werden kann, an den Magenwänden verbleibt und hier entsprechend Unheil anrichtet. In der Steppe gibt es keine Pellets oder Müslis, da steht Gras auf dem Futterplan – und das rund um die Uhr.» Ganz anders sieht es bei unserer Haltung aus: Zwei bis drei Mal wird Kraftfutter gefüttert, dazu in der Regel zweimal Heu. Von kontinuierlicher Raufutteraufnahme kann also nicht die Rede sein.

Zu hohe Krippen­futtermenge pro Mahlzeit

Mit Krippenfutter wird also ohnehin weniger Speichel als Puffer abgesondert. Aber auch bei hoher Anflutung von Stärke oder Melasseanteil im Futter kommt es zu einer vermehrten Säurebildung. Dazu bemerkt Dr. Meyer: «Galten früher Mengen von 400 Gramm Mais oder Gerste und 500 Gramm Hafer pro 100 Kilogramm Körpergewicht eines Pferdes als Maximalmenge pro Mahlzeit, so werden heute 400 Gramm Hafer und nur noch 250 Gramm Mais oder Gerste als Obergrenze angesehen. Das bedeutet in der Praxis für ein 500 Kilogramm schweres Pferd maximal 1,25 Kilogramm Mais und Gerste oder zwei Kilogramm Hafer pro Mahlzeit. Bei Hochleistungspferden wer­den diese Mengen sehr häufig überschritten – insbesondere bei Rennpferden. Vor dem Training ­erhalten sie in der Regel eine kleine Krippenfuttermenge, mittags eine etwas grössere und den gesamten Rest mit der Abendfütterung. Der hohe Prozentsatz an Magengeschwüren bei diesen Pferden wird also durch die Fütterungspraxis durchaus erklärbar.»

Gewohnheitstier Pferd

Doch die Fütterung ist nicht die alleinige oder einzige Ursache für das Magen­elend. Auch Stress verursacht, wie anfangs erwähnt, eine zu hohe Bildung von Magensäure, eine verminderte Schleimhautdurchblutung sowie eine herabgesetzte Aktivität der Verdauungsorgane. Stress jeglicher Art habe einschneidende Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Damit ist eben nicht nur der Turnierstress von Leistungspferden gemeint. Auch Freizeitpferde sind gestresst – oft aus Gründen der Haltung. Sie sind gezwungen, mit Artgenossen zusammenzuleben, denen sie in freier Natur aus dem Weg gehen würden. Es kann auch die unpassende Aus­rüs­tung sein, die unseren geliebten Vierbeinern auf den Magen schlägt oder ein zu abwechslungsreiches Training. Pferde sind Gewohnheitstiere, die zwar nicht täglich die gleichen Lektionen ausführen möchten, aber auch kein zu aufregendes Leben. Vor allem Freizeitreiter möchten ein möglichst abwechslungsreiches Programm zusammenstellen und die Pferde werden täglich wieder mit Neuem konfrontiert. Pferde möchten wissen, was sie erwartet und möglichst ähnliche Trainingsabläufe absolvieren: heute Longieren, morgen Dressur, übermorgen Springen und dann Ausreiten zum Beispiel. Dank der Routine schafft dies kein Stress und sorgt trotzdem für Abwechslung.

«Flight or fight?»

«Es ist klar, dass speziell beim Fluchttier Pferd die Frage ‘flight or fight’ (Flucht oder Kampf) fast ausschliesslich im Sinne von ‘flight’ (Flucht) entschieden wird. Dem vegetativen Nervensystem ist die Beeinflussung durch den Willen entzogen, es arbeitet also unabhängig vom Denken und Wollen. Und es steuert im Wesentlichen die Funktion der Organe. Kein Wunder, dass eine Reizung des vegetativen Nervensystems Reaktionen am Verdauungstrakt und am Magen hervorruft», erläutert die Expertin diese zweite wichtige Ursache für Magengeschwüre. Dazu kommt, dass für eine Flucht eine gut funktionierende Muskulatur wichtig ist. Deshalb wird im Stress die Blutmenge automatisch im Verdauungstrakt gedrosselt und somit auch die Verdauungsprozesse zurückgestellt – das spart Energie und optimiert die Funktion der Muskeln. Diese Wirkung sei natürlich auf Dauer weder sinnvoll – irgendwann ist man entweder entkommen oder gefressen – noch gesund. Also bewirkt ein weiterer Teil des Nervensys­tems, dass diese Vorgänge gebremst werden. «Sobald dies eintritt, kommt es im Magen prompt zu vermehrten Bildung von Magensaft. Diese Kombination der Stressreaktionen ist natürlich fatal. Zuviel gebildete Säure löst die schützende Schleimhautschicht auf, die Säure verätzt das Gewebe und es entsteht eine lokale Verletzung.»

Kontinuierliche Arbeit in forcierter Gangart

Allerdings kann auch das berechenbare Training zum Magenfiasko werden. Die Lage und der Bau des Pferdemagens sind von Natur aus – ebenso wie die kontinuierlich stattfindende Bildung von Magensäure – auf den Lifestyle des Pferdes in der Wildbahn ausgerichtet. Da bewegen sie sich mit Freunden langsam mit ständigem Suchen nach Gras über das Gelände und le-gen dabei eine erhebliche Strecke (ungefähr 20 Kilometer täglich) im Schritt zurück. Falls ein Feind kommt, trifft die Entscheidung für Abwarten, Flucht oder Kampf in der Regel nur die Leitstute und die Flucht selbst ist normalerweise nur ein paar hundert Meter lang. «Anders sieht dies beim Training aus. Je nach Arbeit und Disziplin geht die körperliche Bewegung in Trab oder Galopp recht lange. Beim Pferd wird in forcierter Bewegung prinzipiell die Verdauungs­tätigkeit gedrosselt und auch die Blutzufuhr zu den Verdauungsorganen abgesenkt. In der Bewegung und durch die Bauchmuskulatur wird der Magen nach oben gedrückt, sodass aus dem tiefer gelegenen Drüsenteil Magensaft nach oben in den drüsenlosen Teil gelangt und dort auf die schutzlose Schleimhaut trifft, wo er Schaden anrichtet. Wie gross dieser Schaden wird, ist eine Frage des Füllungszustandes des Magens, wie viel Magensäure abgepuffert ist und wie gut Magensäure im Magenbrei gebunden ist. Aber es kommt  auch darauf an, wie lange die forcierte Arbeit anhält. Ruhige, besonnene und stress­freie Trainingsarbeit mit immer wieder einge­legten Schrittpausen sind jedenfalls eine sinnvolle Mass­nahme», schildert Fütterungsexpertin Dr. Meyer sehr nachvollziehbar.

Weitere mögliche Ursachen

Als Ursprung für Magengeschwüre gelten also vor allem falsche Fütterung und Stress. Dazu kommen aber auch physikalische sowie chemische Umstände, die man nicht vergessen darf.

Als physikalische Ursachen gelten:
• Zahnerkrankungen oder Kaubeschwerden: Gebiss sollte mindestens einmal
jährlich von einem Fachmann überprüft werden.
• Luftschlucken (Kopper).
• Gefrorenes oder zu heisses Futter.
• Mechanische Schädigung der Schleimhäute durch beispielsweise grobfaseriges Stroh oder stark verholztes Heu.
• Gerstenfütterung (glasharte Schale; reduzierte Stärkeverdaulichkeit).
• Magenparasiten.

Als chemische Ursachen gelten:
• Aufnahme von Kunstdünger, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel.
• Fehlgegorene Silage.
• Übermässige oder langfristige Gabe von Me­dikamenten: Natürlich müssen Schmerzzustän­de tierschutzgerecht behandelt werden. Wenn die Therapie hochdosiert oder über längeren Zeitraum erfolgt, so sollte man mit dem behandelnden Tierarzt unbedingt Vorsorgemassnahmen für den Verdauungstrakt besprechen.
• Überdosierung von Futterzusatzstoffen und Mineralstoffgemischen.
• Aufnahme grösserer Mengen von Gerbsäure (Bucheckern, Eicheln).

«Ob die Aufzählung der möglichen Ursachen tat­sächlich vollzählig ist, wage ich selbst zu bezweifeln», stellt die Spezialistin klar.

Symptome oft Fehlinterpretation

Eine Vielzahl teilweise sehr unterschiedlicher, verwirrender und unspezifischer Hinweise können beobachtet werden, da die Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Dies sind Gewichtsverlust; verminderter Appetit; Unterbrechen der Kraftfutteraufnahme; schlechte Aufnahme von Heu, vor allem gröberes Heu; immer wieder ohne erkennbaren Grund auftretende, zunächst leichte Koliken; stumpfes Fell oder sogar eine plötzliche Veränderung der Haarfarbe sowie ein Absinken des Leistungsniveaus; vermehr­tes Gähnen oder Leerkauen; Zähneknirschen; vermehrtes Koppen bei Koppern; reduziertes Allgemeinbefinden bis zur Depression; Absondern von den Artgenossen oder aber umgekehrt auch vermehrte Aggression; Abwehrverhalten beim Gurten; Unwillen beim Aufsitzen oder extreme Treibigkeit; zögerliches Bergabgehen oder mangelndes oder deutlich erschwertes Hinlegen. Ei­ne vermehrte oder auch verringerte Trinkwasseraufnahme und belecken von Metallgegenständen fallen auch darunter. Dr. Meyer fügt hierzu an: «Etliche der genannten Anzeichen können auch bei anderen Erkrankungen beobachtet werden und sind daher sehr unspezifisch. Das ist ebenfalls ein Grund dafür, dass auf Magenentzündung oder gar ein ­Geschwür – trotz beste­hender Symptome – oft nicht untersucht wird.» Da sich einer akuten Magenentzündung auch gerne eine Darm­entzündung an­schliesse, bestehe anfangs oder immer mal wieder ohne erkennbaren Grund leichter Durchfall oder Kotwasser.

Gastroskopie keine sichere Diagnose

«Können bei der Gas­t­ro­s­kopie Magengeschwüre nachgewiesen werden, so sind sie definitiv vorhanden. Wenn jedoch keine Magengeschwüre festgestellt werden, bedeutet das nicht unbedingt, dass sie in den nächsten Tagen nicht doch in voller Blüte vorhanden sein können», erklärt Dr. Meyer zur eigentlich ein­zigen Untersuchungsmethode für Geschwüre. Dabei wird eine Sonde über die Speiseröhre in den Magen eingeführt. Auch das Finden von abgeheilten Magengeschwüren heisse nicht, dass das Pferd gesund ist. Zudem ist die Gastroskopie für das Pferd eine sehr unangenehme Untersuchung und immer noch sehr kostspielig. Es bestehen auch Risiken wie allfällige Blutungen. Rund zwölf bis 14 Stunden sollte das Pferd vorher nichts fressen. Um den Stress so gering wie möglich zu halten, wird vorher leicht sediert.

Eine Gastroskopie ist im Grunde die einzige Methode, Magengeschwüre zu diagnostizieren. Heutzutage wird jedoch oft ohne Untersuchung direkt behandelt.

Behandlung von Geschwüren

Das aus der Humanmedizin stammende Omeprazol ist ein Säureblocker. Der Mechanismus, der die Säu­re in den Magen pumpt wird gestoppt und die Magensäure wird dabei zu 100 Prozent blockiert. Über die Wirkung bestehen keine Zweifel. Jedoch hat man bisher nur eingeschränkte Erkenntnisse über die Nebenwirkungen. Nur, dass beim neugeborenen Fohlen bakterielle Infektionen im Magendarmtrakt wie auch in der Lunge auftreten können, wenn die Therapie über längeren Zeitraum fortgesetzt wird. «Nebst ­anderen Medikamenten, die nicht genauso wirkungsvoll sind wie Omeprazol, trotzdem die Magensäurebildung hemmen oder neutralisieren (Ranitidin, Cimetidin, Antazida), existieren auch noch andere Substanzen, die nicht die Säure stoppen, sondern die Schleimhaut schützen. Sucralfat ist ein Zuckerkomplex, der sich schützend auf die Geschwüre legt und ein Pektin-Le­cithin-Glycerin-Kom­plex, welcher der Übersäuerung des Magens entgegentritt und die Schleimhautschicht stabilisiert», ergänzt Dr. Meyer.

Mehr Beachtung schenken

Es steht fest, dass dem Thema Magengeschwüre beim Pferd mehr Beachtung geschenkt werden sollte: Mehr als jedes zweite Pferd erkrankt daran. Nicht nur wegen den erheblichen Kosten der Behandlung ist es wichtig, Magenprobleme konsequent vorzubeugen. Dies ist jedoch sehr schwierig: «Viele Pferdebesitzer können keinen oder nur wenig Einfluss auf die Fütterung nehmen. Auch der Nachbar in einem Pensionsstall wird einem einfach vor die Nase gesetzt – egal ob sich die beiden vertragen. Leider beschränkt sich die Stallsuche in erster Linie auf die gute Erreichbarkeit und Infrastruktur. Erst in zweiter Linie betrachten die Meisten die Fütterung. Dabei sind Kleinigkeiten wie Heuabgabe vor der Kraftfutterabgabe so enorm wichtig», verdeutlicht Dr. Meyer abschliessend. Aber mit im Allgemeinen einfachen Mass­nahmen (siehe Kasten oben) kann man bereits sehr viel erreichen.

Eckpunkte für eine gut erhaltende Pferdeernährung

• Fresspausen von mehr als vier Stunden sind zu vermeiden.
• Nachts fressen Pferde am meisten (Heunetze anbringen, so sind sie länger beschäftigt und haben «Steppenfeeling»).
• Vor jeder Krippenfuttergabe immer zuerst Heu füttern.
• Starke Melassierung und Getreide mit schwer abbaubarer Stärke vermeiden.
• Krippenfutter-Obergrenzen beachten.
• Stark verholztes, grobstängeliges, überständiges Raufutter vermeiden, Vorzüge des Hafers beachten.
• Mash nicht zu heiss, Trinkwasser nicht zu kalt.
• Gefrorene Futtermittel vermeiden, ebenso übersäuerte oder fehlgegorene Silage.
• Bei Anzeichen von Futterneid Sichtschutz im Trogbereich anbringen, um Hast und Unruhe beim Fressen zu minimieren.
• Ausreichend lange Ruhezeit nach Kraftfutterfütterung einhalten (rund zwei Stunden).
• Während der Fütterung auf Ruhe im Stall achten.
• Fressverhalten kontrollieren und laufend beobachten.
• Jedes hygienisch bedenkliche Futtermittel vermeiden.
• Bei Offenstallhaltung darauf achten, inwiefern alle in Ruhe fressen können oder von Ranghöheren verscheucht werden.
• Jeden abrupten Futterwechsel umgehen.
• Magenunfreundliche Zusatzfuttermittel und jede übertriebene Mineralstoffzufütterung vermeiden.
• Salzleckstein stets sauber halten und Verbrauch beobachten.

Sind Magengeschwüre im Blutbild erkennbar?

«Jein. Massiv blutende Magengeschwüre haben eine Anämie zur Folge und sind natürlich im Blutbild erkennbar. Aber nicht alle Geschwüre bluten», erklärt die Fütterungsexpertin. Zudem verfügt das Pferd über einen körpereigenen Speicher von roten Blutkörperchen. Bei der Flucht ist das sehr praktisch, denn das erhöht die Sauerstoffversorgung. Das heisst, bei Aufregung werden die Milzreserven an Erythrozyten (rote Blutkörperchen) ausgeschüttet, so dass eventuell bereits die Angst vor der Nadel zu reichlich roten Blutkörperchen im Blut führt, die normalerweise gar nicht da wären. Bei folgenden Abweichungen im Blutbild sollte an blutende Magengeschwüre gedacht werden: Erythrozytenzahl, Hämatokrit, Hämoglobingehalt des Blutes vermindert, MCHC und MCH unverändert, MCV erhöht, Retikulozyten erhöht.

Dieser Artikel entstand durch die Zusammenarbeit mit: iWest Produkte, I. & B. Bürgisser, Emmen.

Infos: Tel. 041 260 24 84, info@iwest.ch, www.iwest.ch

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 05/2012)

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