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Parcoursbauer Guido Balsiger.
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Dem Pferdevirus verfallen

24.01.2017 13:03
von  Chantal Kunz //

Springreiter, Reitlehrer, Parcoursbauer, Vater, Ehemann. Guido Balsiger ist ein Mann mit vielen Facetten. Seine grosse Leidenschaft sind die Pferde. Und natürlich seine Familie, für die der Zürcher immer genügend Zeit einrechnen möchte. 

Als kleiner Junge hatte Guido Balsiger Angst vor Pferden, heute sind sie ein sehr grosser Teil seines Lebens. Auf der einen Seite hat er selber aktuell noch einen Vierbeiner und bestreitet auch noch das eine oder ­andere Springturnier. Auf der anderen Seite baut er Kurse für internationale Turniere. «In das Stellen von Parcours bin ich einfach hineingerutscht», sagt der 46-Jährige. Früher sei er vor allem geritten, doch er habe gemerkt, dass er mit seinen Mitteln nicht ganz vorne mithalten könne. Dann habe er mit dem Parcoursbau begonnen: «Es sind dann auch immer mehr Veranstalter auf mich zugekommen und haben gefragt, ob ich für sie arbeiten könne.» Heute ist er im Amt des Chef-Parcoursbauers am CSI Zürich 2017. An einem solchen Turnier diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen, sei schon ein Traum gewesen. Trotzdem sehe er sich nicht als Chef: «Mir ist das Team wichtig. Ohne die Hilfe jedes Einzelnen würde es nicht funktionieren.» Aber na­türlich sei auch der Druck sehr gross, da er zum ersten Mal Chef-Parcoursbauer am CSI Zürich ist, sagte Balsiger. Er wolle seine Arbeit ja gut machen und alle Beteiligten zufriedenstellen. «Das ist aber schwierig, denn was ist ein ‚guter’ Kurs? Die Frage würde jeder für sich anders beantworten.» Wie jeder Reiter andere Vorlieben oder auch Ängste in Bezug auf die Hindernisse hat, so habe auch jeder Designer einen eigenen Stil. «Ich baue am liebsten runde, harmonische Kurse, da ich diese selber auch am liebs­ten reite. Komische Dis­tanzen mag ich einfach nicht.» Den Parcours für den CSI Zürich zu bauen, sei schon ein Traum gewesen, so Balsiger. «Ich bin Zürcher, besuche dieses Turnier seit eh und je und konnte auch schon in der Helfeprüfung mitreiten.» Deshalb sei die Freude über diesen Auftrag sehr gross. Guido Balsiger baut aber nicht nur Parcours für internationale und hoch dotierte Prüfungen, sondern auch für regionale Turniere. «Den Kurs für Erlen baue ich schon seit Jahren und ich freue mich immer darauf. Mir sind kleinere Turniere ebenso wichtig wie grosse, auch dort möchte ich alle zufriedenstellen.» Es gebe zwar ein paar Turniere, bei denen er gerne die Aufgabe für die Reiter stellen würde, grundsätzlich sei aber jeder Auftrag etwas Schönes. Er sei auch nicht einer, der gross nachfragt, sondern er hoffe darauf, dass er von den Veranstaltern angefragt werde. «Sie sollen meine Art des Bauens gut finden, dann klappt auch die Zusammenarbeit gut.» Da seine Frau Marion ebenfalls reitet und auch an Prüfungen teilnimmt, sei schon öfters die Frage aufgekommen, ob sie nicht einen Vorteil in einem von ihm gebauten Parcours habe. Bei dieser Annahme mussten aber beide lachen. «Für mich ist ein Kurs von meinem Mann gleich schwer zu reiten wie jeder andere», so Marion Mäder. Auch ihr Ehemann bestätigte, dass er den Parcours nicht mal auf seine Frau abstimmen könnte, wenn er wollte. «Es gibt nichts Spezielles, das sie gar nicht gut oder eben sehr gut kann.» 

Guido Balsiger ist Teamarbeit im Parcours sehr wichtig. 

Hindernisse als Ausgleich

Beim Kreieren eines Kurses beginnt Balsiger immer mit einer Tafel, auf der er Magnete verschieben kann. Danach überträgt er die Abfolge der Hindernisse auf den Computer und erstellt mit einem Programm eine genaue Zeichnung des Kurses, bei der auch die Dis­tanzen zwischen den Sprüngen eingezeichnet sind. Der gebürtige Zürcher baut aber auch selber Hindernisse. «Das ist für mich ein Ausgleich, dann kann ich ein bisschen für mich werken.» Er wolle auch nicht immer dieselben Sprünge an Turnieren präsentieren und so könne er kreativ sein. «Für St. Moritz habe ich einen Sprung mit Wegweisern in verschiedene Ortschaften und den Kilometerangaben bis dorthin gebaut, dies ist bei den Reitern und Zuschauern gut angekommen. Mir ist es auch noch wichtig, dass Neues auf dem Turnierplatz zu sehen ist.» So habe er schon eine Idee für ein neues Hindernis, falls er nächstes Jahr wieder den Parcours am CSI Zürich stellen könne, gibt Balsiger preis. Um seine Arbeit stetig zu verbessern, sei er auf Feed­backs angewiesen. «In St. Moritz hat mir zum Beispiel Steve Guerdat einige Rückmeldungen gegeben, mit denen ich sehr viel anfangen konnte.» Allen könne man es zwar nicht recht machen, da jeder andere Stärken und Schwächen hat. «Aber ich freue mich, wenn ich sehe, dass der Parcours gut reitbar war.» 

Die Parcours entstehen bei Guido Balsiger zu Hause in Bülach.

Die praktische Erfahrung von Guido Balsiger (hier mit Broker) weckt Vertrauen bei den Reitern. 

Der Weg zum Parcoursbauer

Ursprünglich kommt der 46-Jährige aber aus einer anderen Sparte: Kunststofftechnologe habe er gelernt. Nach der Ausbildung kam das Militär, wo er auch noch weitergemacht habe. Darauf schlug er aber schon die Richtung zu den Vierbeinern ein und absolvierte die Bereiterlehre. Anschliessend genoss er eine Weiterbildung des bekannten Olympia­reiters, Ausbildners und Parcoursbauers Paul Weier. Dieser hätte unglaublich grosse Freude am Beibringen von verschiedenen Bereichen gehabt, sagt Balsiger. «Ich habe viel von ihm gelernt, besonders in der Sparte Concours Complet.» So betätigt er sich auch heute noch als Reitlehrer und gibt auch vereinsinterne Kurse. «Mich freut es am meisten, wenn die Teilnehmer beim Verlassen der Halle zufrieden sind. Dabei spielt es mir keine Rolle, auf welchem Niveau sie reiten.» Die Nachwuchsreiterin Alexandra Suter aus Schaffhausen trainiert zum Beispiel schon jahrelang beim Zürcher. So auch ihre Schwes­ter Andrina, die zwar mehrheitlich in der Dressur antritt, jedoch auch sehr gut springen könne, wie Balsiger verrät. «Sie kamen schon als kleine Mädchen zu mir in die Reitstunde. Die Arbeit mit ihnen macht mir grosse Freude, auch dass sie schon so lange zu mir kommen, empfinde ich als Kompliment.»

 Guido Balsiger mit seiner Frau Marion und den Kindern Fabio (l.) und Reto. 

Wissen weitergeben

Aufgewachsen ist Balsiger in der Fahrweid bei Dietikon und dann den grössten Teil in Adlikon bei Regensdorf. Bis vor einiger Zeit führte er auch einen Pensionsstall in Hünt­wang­en. Dadurch kam er auch nach Bülach, wo er jetzt mit seiner Familie wohnt. In Hüntwangen bildete er Lehrlinge aus. «Das fehlt mir jetzt ein wenig, ich mochte die Arbeit mit den Auszubildenden immer», so der Reitlehrer. Einen solchen Stall aber so zu führen, dass er ohne grosse Unterstützung rentiert, sei immer schwieriger geworden, unter anderem auch, da die deutsche Grenze in der Nähe ist. Im Nachbarland seien die Preise einfach viel tiefer. Der Stall sei noch immer in Betrieb. Ganz hat Balsiger aber nicht mit dem Ausbilden aufgehört. Er sei Richter, bilde nun auch Parcoursbauer aus und nehme Prüfungen ab. «So kann ich immer noch etwas weitergeben.» 

Familienmensch durch und durch

Das Wichtigste aber in Guido Balsigers Leben ist seine Familie. Die Ehefrau Marion und die beiden Kinder Reto und Fabio. Um genügend Zeit mit ihnen verbringen zu können, schaut er, dass er am Nachmittag zu Hause ist und erst später nochmals «geht», um Reitunterricht zu geben. «Es ist natürlich ein Vorteil, dass meine Frau auch reitet und in der Reiterszene aktiv ist», so Balsiger. Ansonsten wäre es schwierig, seinen «Pferdevirus» zu verstehen. Trotz allem schafft es die Familie Balsiger, regelmässig zu verreisen. Immer im Herbst machen sie Ferien in der Südtürkei. «Das ist fix unsere Zeit, in der wir mal nur für uns sein können und das Familienleben ohne Verpflichtungen geniessen können», so Balsiger. Für die Zukunft hat die Familie schon klare Ziele. «Wir möchten gerne ein ‚Heimetli’ kaufen in der Nähe, wenn möglich mit der Möglichkeit, Pferde dort zu halten.» Selber hätten sie aber nicht das Ziel, eine grosse Anzahl Tiere zu halten. Lieber würde der Zürcher ein paar Pferde in Pension oder in Ausbildung nehmen. «Ich habe auch nicht mehr das Ziel, selber in der höchsten Liga mitzuspielen. Dazu habe ich auch nicht die Pferde.» Mit seinem Niederländerwallach Broker bestreitet er Springen über 140 Zentimeter. «Er ist wirklich ein gutes Pferd, sehr umgänglich. Ich kann sogar meinen Sohn Fabio mit auf einen Ausritt nehmen», sagte Balsiger strahlend.

Guido Balsiger schaut im Parcours zum Rechten.

Die Vierbeiner

Pferde begleiten Guido Balsiger schon ein Leben lang. Als er durch den Freund seiner Mutter die Angst vor ihnen überwunden hatte, ist er Feuer und Flamme für die Tiere. Er habe auch schon viele Disziplinen ausprobiert, von Concours Complet über Springen bis hin zu Polo. Im Bereich CC sei Balsiger sogar schon an den bei Schweizern beliebten Turnieren in Chantilly und ­Vittel (FRA) und an der Schweizer Meisterschaft mitgeritten. Hindernisse für diese Disziplin zu bauen, sei aber schon eine andere Sparte, sagt der Pferde­sportbegeisterte. «Ich finde, man muss alles ein bisschen kennen. Springreiter sollten auch Dressur reiten können. So ist es auch von Vorteil, wenn man als Parcoursbauer eine Ahnung von festen Hindernissen hat.» Nach einigen Ausflügen in andere Disziplinen habe er sich aber auf den Springsport fixiert. Dabei haben ihn verschiedene Pferde begleitet. Zum einen ist dies der zehnjährige Broker, der heute noch zu Balsiger gehört. «Ich kann mit ihm an Spring- und Dressurprüfungen teilnehmen und auch meine Mutter und meine Frau reiten ihn. «Er ist ein vorsichtiges Pferd, etwas zu vorsichtig, um in ganz hohen Prüfung­en anzutreten, aber ich kann alles mit ihm machen.» Chuck Berry war dann das erste «richtig gute» Pferd, mit dem Bal­siger auch an den ersten Grands Prix teilnahm. Dann hatte er einige Zeit lang Artuna im Stall. «Sie war eine richtige Stute», sagte der Zürcher lachend. Tin Tin, der belgische Fuchswallach, war ebenfalls auf längere Zeit ein Begleiter Balsigers. «Ihn habe ich gekauft, als er vier Jahre alt war und habe ihn dann selber ausgebildet», schaute er zurück und erinnerte sich, wie er mit dem Wallach die Schweizer ­Meis­­terschaft der Spring­reiter in Ascona geritten ist. Dieser habe seinen eigenen Kopf gehabt. «Wenn die Lehrlinge damals auf dem Hof die Boxentür kurz offen gelassen haben, ist Tin Tin halt schon mal ausgebüxt.» Er hätte einfach alle getestet. Später sei dann Armani zu Balsiger gekommen. Der braune Wallach sei das letzte «wirklich gute» Pferd gewesen, sagte der 46-Jährige. Balsiger war mit Armani in Zweisternprüfungen klassiert. Dann konnte er ihn verkaufen. «Ich habe ein Pferd meis­tens verkauft, wenn ich einen wirklich guten Preis bekommen habe. So konnte ich mir einmal einen LKW oder eine Führanlage leis­ten.» Am Schluss sei Pius Schwizer mit Armani an Turnieren angetreten.

Mit seinem Niederländerwallach Broker konnte Balsiger einige Erfolge feiern.

 

 

 

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 03/2017)

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