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Mathieu Allimann unterwegs mit Lewis du Peruet CH.
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Der Hufschmied und die «Maschine»

24.04.2018 10:51
von  Florian Brauchli //

Mathieu Allimann belegt in der Weltrangliste der Einspännerfahrer als bester Schweizer Rang 17. Trotzdem sucht man den 29-Jährigen im Schweizer Kader vergeblich. Der gelernte Hufschmied lässt sich aber von den Querelen im Verband nicht ablenken und verfolgt konsequent seine Ziele. Er hat sich die Weltmeisterschaft in Kronenberg (NED) im Herbst dick im Kalender angestrichen.

Mit 29 Jahren gehört Mathieu Allimann, der im 300-Seelen-Dorf Undevelier, unweit von Delémont, dem Hauptort des Kantons Jura, aufgewachsen ist, definitiv zu den jüngeren Fahrsportlern. Dem jüngsten von fünf Geschwistern stieg bereits in frühester Kindheit der Pferdegeruch in die Nase. Seine Eltern besitzen Pferde, seit er denken kann, allerdings nicht zu sportlichen, sondern zu freizeitlichen und vor allem touristischen Zwecken. Auf dem familieneigenen Hof kann man als Tourist zu Pferd oder in der Kutsche den Jura entdecken. Dass auch Mathieu, der mit drei älteren Schwestern und einem älteren Bruder aufgewachsen ist, schnell in den Sog der Freibergerpferde geriet, war abzusehen. «Ich bin schon von klein auf immer geritten, ich kenne nichts anderes.»

Eisen und Pferde
So erstaunt es nicht, dass er nach dem Schulabschluss auch eine Berufsrichtung einschlug, bei welcher er mit Pferden arbeiten kann. Doch nicht nur die edlen Vierbeiner hatten es dem sympathischen und stets freundlichen Jurassier angetan, sondern auch der Werkstoff Eisen – das Metall, das sich nur durch harte Arbeit und rohe Kraft bearbeiten lässt. Der Beruf des Hufschmieds scheint wie geschaffen für Allimann. «Ich wollte immer mit Pferden arbeiten, aber auch gut verdienen», gibt er offen zu. «Die Arbeit als Hufschmied ist nicht nur körperlich, sondern auch geistig anspruchsvoll. Das gefällt mir.» Seine Ausbildung absolvierte er in Nyon am Genfersee, anschliessend bildete er sich neun Monate zum Sportpferdehufschmied weiter. «Regelmässig besuche ich auch Kurse bei Stefan Wehrli, um Neues zu lernen und auf dem neuesten Stand zu bleiben.»

Mathieu Allimann in seinen Elementen: Mit Hammer, Hufeisen und Amboss bei der Arbeit und mit Lewis du Peruet CH.


Seine Freizeit verbringt er mit den Freibergern, diesen kompakten, eher kleinen Freizeitpferden, die ursprünglich als Arbeitspferde gezüchtet wurden, nun aber immer mehr auch im Sport eingesetzt werden. «Ich bin früher auch Western geritten und habe dabei einiges gelernt. Aber im Fahrsport braucht man mehr Vertrauen, weil man nicht den direkten Kontakt zum Pferd hat», meint ­Allimann. Vor allem in Deutschland sind die gutmütigen, arbeitswilligen Vierbeiner gefragt. Und mit Viererzugfahrer Jérô­me Voutaz präsentiert ein weiterer Fahrsportler die Freiberger auf dem höchsten sportlichen Niveau.

Liebe und Beruf
Drei Jahre arbeitete der Jurassier als Hufschmied für die Tierarztklinik ISME in Avenches und als Pfleger im Nationalgestüt. Viele seiner Kunden reisten aus dem Kanton Zürich an, um ihre Pferde von Allimann beschlagen zu lassen. Dann trifft der Fahrsportler eine folgenreiche Entscheidung. Zusammen mit seiner Partnerin, der Tierärztin und Springreiterin Sarah Ujvari, verliess er das Welschland und liess sich in Rüti nieder. «Meine Freundin hat hier eine Arbeitsstelle gefunden und ich dachte, wenn schon viele meiner Kunden hier wohnen, gibt es im Kanton Zürich sicher auch genügend Arbeit für mich.» Als selbstständiger Hufschmied betreut er Kunden in den Kantonen Zürich, Schwyz, Thurgau und St. Gallen. «Der Kontakt zu den verschiedenen Pferden gefällt mir sehr. Wenn das Pferd mit den neuen Eisen ‘funktioniert’, bin ich glücklich.» Seine eigenen Vierbeiner stehen in der Pferdepension und Pferdezucht der Familie Schenkel in Fehraltorf. «Das Zusammenleben ist super. Zwar ist der Weg von Rüti nach Fehraltorf etwas weit, aber hier finde ich alles, was ich brauche, um meinen Sport auszu­üben.» Es sei schwierig, eine ideale Infrastruktur für das Training zu finden, präzisiert Allimann. «Gleich auf der anderen Strassenseite gibt es einen 40 mal 100 Meter grossen Sandplatz, das sind Abmessungen, wie sie auch international anzutreffen sind. Das ist perfekt für das Training.»

Lulu und Lewis
2008 entschied sich Mathieu Allimann, den Fahrsport entschlossen zu verfolgen. Die Promotionsprüfungen, die er zuvor mit jungen Freibergern bestritten hatte, seien mehr zum Spass gewesen. Mit dem Wallach Lulu du Peruet CH begann 2012 seine Sportkarriere. «Er war mein ers­tes wirklich gutes Pferd. Und wenn man ein biss­chen Erfolg hat, macht es gleich auch mehr Spass.» Eine Woche vor der Schweizer Meisterschaft 2014 lahmte der Wallach plötzlich und anhaltend. Allimann entschied sich, den damals Achtjährigen aus dem Sport zu nehmen. Lulu durfte zwei Jahre auf der elterlichen Weide im Jura verbringen, bevor er eingeschläfert werden muss­te. Die Karriere des Leinen­künstlers schien zu Ende, noch bevor sie richtig begonnen hatte.

Mathieu Allimann mit Lewis du Peruet CH an der SM 2017 beim Kegelfahren (oben) und im Marathon.


Doch dann trat Lewis du Peruet in sein Leben. Der Halbbruder von Lulu hatte es ihm angetan. «Ich habe Lewis seit er sechs Monate alt war, mit einem Unterbruch. Vierjährig kaufte ihn eine Genferin, aber sie hatte einen Unfall mit ihm und so kam er 2015 zu mir zurück.» Ein Glücksfall, wie sich nun immer mehr herausstellt. Bald zeigte sich das Potenzial des bildhübschen, so gar nicht dem typischen Bild eines Freibergers entsprechenden Wallachs. «Er ist sehr speziell und ein bisschen ‘crazy’. Er schaut alles an, ist mehr wie ein Warmblut. Aber ich bin froh, ich will ja keine ‘Schlaftablette’ an den Leinen. Er hat sehr schöne Gänge für einen Freiberger, will immer vorwärtsgehen und ist sehr vorsichtig und aufmerksam», gerät Allimann ins Schwärmen. Und beweist gleich, dass dies keine Übertreibung ist. Nach einer kleinen Aufwärmfahrt zeigt er mit dem Lugari-Sohn am Wagen einige Dressuraufgaben und dieser geniesst es, sich zu präsentieren. «Jérôme Voutaz wollte ihn mir schon einige Male abkaufen, aber ich habe immer abgelehnt. Wir wollen noch viel zusammen erreichen.»

WM im Fokus
Nach einigen guten Resultaten im Ausland wie zum Beispiel Rang fünf in Saumur (FRA) 2017 oder Rang sechs in Signy 2016 will er in diesem Jahr voll angreifen. «Ich will an die WM, die vom 28. August bis 2. September in Kronenberg stattfindet.» Um dieses Ziel zu erreichen, braucht der Jurassier zwei Resultate – eines 2017 und eines 2018 – mit einem Dressurergebnis von unter 70 Punkten. «Das sollte kein Problem sein, im vergangenen Jahr erzielte ich in Saumur und Kladruby 54 respektive 58 Punkte. Lewis schafft das ohne Probleme.» Es fehlt also noch ein Resultat – dieses strebt er erneut im tschechischen Kladruby und in Saumur oder Altenfelden an, zusammen mit seinem Trainer Beat Schenk, der vergangenes Jahr WM-Bronze gewann. Trotz dieser starken Leis­tungen findet man Allimann aktuell vergebens im Schweizer Kader der Einspännerfahrer. Dies ist allein durch die internen Differenzen im Verband zu erklären. «Wenn ich die Resultate liefere, und da­rauf liegt mein ganzer Fokus, dann sollte einer Aufnahme ins Kader und damit einem Start an der WM nichts im Wege stehen. Im Vordergrund sollte immer die sportliche Leistung stehen», ist sich Mathieu Allimann sicher.

Lewis du Peruet CH: Geduldig wartet er, bis er an den Wagen angespannt wird.

Da der Fahrsport kein sehr einträglicher Sport ist, kämpft der passionierte Hufschmied auch ständig an der Finanzfront. Eine Saison mit Auslandstarts kostet ihn rund 10000 Franken, die Preisgelder sind gleichzeitig verschwindend gering. «In diesem Jahr werden die Ausgaben aufgrund der WM auf über 15000 Franken ansteigen, zudem werde ich rund 11000 Kilometer zurücklegen.» Auf grosse Sponsoren kann man als Ein- und Zweispännerfahrer nicht zurückgreifen. Da änderten auch die grossen Erfolge von Jérôme Voutaz nicht viel, wie Allimann bestätigt. «Wir machen den Sport aus Freude und nicht wegen dem Geld.» Aus seinen Worten ist aber keineswegs Verbitterung heraus­zu­hö­ren. Er akzeptiert die aktuelle Situation und versucht, das Beste daraus zu machen. Seine Freundin Sarah ist ihm dabei eine grosse Unterstützung. Der Jurassier, der in der schwers­­ten Kategorie S international auf Dreisternniveau an den Start geht, kann sich dabei immer auf seinen Sportpartner verlassen. «Il est une machine», sagt Allimann lachend, der seine Stärken vor allem in der Dressur und im Kegelfahren sieht.

In erster Linie ein Pferd
Um seine Ziele zu erreichen, hat Allimann einen klaren Trainingsplan für sich und seinen Vierbeiner erarbeitet. «Einmal pro Woche darf Lewis in den Aquatrainer, das ist optimal für die Muskeln. Am gleichen Tag wird er longiert. Im Winter spanne ich ihn nur einmal pro Woche an, sonst zweimal – einmal trainieren wir dressurmässig, einmal das Fahren in den Kegeln. Aktuell feilen wir für die WM noch am Dressurprogramm. Lewis hat das schon sehr gut drauf, aber ich muss noch an der Präzision arbeiten.

Lewis du Peruet CH vor dem Wagen.

Dazu wird Lewis auch dressurmässig geritten und geht regelmässig ins Ge­lände. Einen Tag pro Woche hat der Freiberger frei. Das ist mir sehr wichtig, in erster Linie ist er für mich ein Pferd und kein Sportgerät. Er darf täglich mit anderen Vierbeinern auf die Gruppenweide, so kann er den Kopf lüften, relaxen und einfach nur Pferd sein.» Auch Allimann gönnt sich ab und zu mal Freizeit. Er geht gerne wandern, um abzuschalten. Im vergangenen Herbst verbrachte er mit seiner Partnerin Ferien in Chile. «Ein wunderschönes Land», sagt der 29-Jährige. Dabei faul herumzuliegen, ist aber so gar nicht sein Ding. «Auch wenn ich mal verreise, will ich aktiv bleiben und muss mich bewegen.» Doch Ferien stehen in diesem Jahr nicht mehr auf der Agenda. Der bevorstehenden WM ordnet er alles unter – zuerst, um sich zu qualifizieren und dann dort ein gutes Resultat abzuliefern. Mit Lewis, der Maschine.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 16/2018)

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