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Reitsportcenter Nikiya.
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Die Seele baumeln lassen

05.09.2017 10:11
von  Karin Rohrer //

Einen gemütlichen Ausritt geniessen, erste Reiterfahrungen machen oder einfach nur die Pferde im Offenstall beobachten. Das und noch viel mehr ist möglich im Stall Nikiya in Roggwil. Menschen mit speziellen Bedürfnissen, Wiedereinsteiger und Kinder fühlen sich wohl in der pferdigen Oase an der Aare.

Ohne Druck und Stress kann das Lebewesen Pferd kennengelernt und der Umgang mit ihm erfahren werden. Gerade Kinder und Jugendliche schätzen es, wenn sie mal einfach sich selbst sein können bei den Pferden und das Tempo der Reitlernschritte selber bestimmen. «Wir sind quasi eine grosse Familie mit Reitschülern und manchmal eine Anlaufstelle für Kinder, die vielleicht Probleme in der Schule haben. Hier können sie mit Bodenarbeit oder in einem kleinen Geschicklichkeitsparcours spielerisch mit dem Pferd zusammen sein, ohne in ein Muster gedrängt zu werden», erklärt Monica Fehlmann.


Spass im Vordergrund
Sicherheit wird grossgeschrieben, aber sonst bestehen viele Freiheiten für die ‘Kids’ «und sie dürfen auch mal dreckig werden», lacht Monica Fehlmann. Die 62-Jährige hat früher als Desig­nerin gearbeitet, heute hilft sie auf dem Hof mit, wo Not am Mann respektive der Frau ist.

Praktikant Sandro Gardi gehört zum Team von Alexandra und Monica Fehlmann.

Sie kocht in den Reitlagern, betreut die Kinder und packt nebst den administrativen Arbeiten bei Events wie dem Ferienpass mit an. «Ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Kinder heute nicht mehr so selbstständig sind und oftmals das ‘miteinander‘ zuerst lernen müssen. Aber es macht riesig Freude, deren Entwicklung mitzubekommen, wie sie sich machen, respektvoll mit dem Pferd umgehen und hilfsbereit sind», freut sich Fehlmann.

Viel Betrieb im Stall
Normalerweise kommen die rund 40 Reitschüler wöchentlich und die elf ‘Pfleger‘, welche eine Reitbeteiligung auf einem Pflegepferd haben, sind mehrmals die Woche im Stall. Am Wochenende sind natürlich die berufstätigen Kunden hier und die Gymnasiumschüler. «Das jüngs­te Mädchen ist fünf Jahre alt und auch eine 75-jährige Seniorin kommt regelmässig auf den Hof», erzählt Alexandra Fehlmann, Monicas 23-jährige Tochter, die eine Lehre als Pferdepflegerin absolviert und seit sieben Jahren im elterlichen Betrieb mitarbeitet.

Ordnung ist das halbe Leben. Das beginnt bei den fein säuberlich aufgereihten Mistkarretten.

Die selbst aktive Reiterin ist für den Reitunterricht, die geführten Ausritte und die Pferdebetreuung zuständig: «Den Stall Nikiya gibt es seit 17 Jahren, aber der Standort hat geändert. Vor sieben Jahren haben wir den bestehenden Boxenstall umgebaut. Nun haben wir drei Bereiche im Offenstall, welche bei Bedarf abgetrennt werden können, damit die jüngeren Pferde eine Spielgelegenheit oder die älteren eine Rückzugsmöglichkeit haben. Zudem bestehen sechs individuell benützbare Boxen.»

Möglichst artgerechte Haltung
Nebst den 13 eigenen Pferden und Ponys sind zwei Pensionspferde, ein Hannoveraner und ein Freiberger im Stall eingestellt, welche schon seit Jahren zum Team gehören. So lange niemand am Reiten ist, kann der neu gestaltete Sandplatz als Auslauf genutzt werden.

Eine der Weiden beinhaltet ein kleines Waldstück mit Pfaden und Dickicht, wo sich die Pferde gerne aufhalten.

Die Pferde können auswählen, ob sie sich drinnen oder draussen aufhalten möchten und dürfen täglich auf die Weide. «Steter Zugang zu Heu, viel Sozialkontakt und Bewegung sorgen dafür, dass die Pferde ausgeglichen sind, zudem eine klare Rangordnung und, durch das jahrelange Zusammenleben, eine enge Beziehung untereinander haben», meint Fehlmann. Heu und Haylage sind die Futterbasis und nebst Kraftfutter stehen Luzerne und Mineralien auf dem Futterplan, bei Fellwechsel ergänzt mit Zusatzfutter und Schüss­lersalz.

Ausreiten und Baden im Fluss
Das Baden mit den Pferden in der Aare, verbunden mit einem Picknick am Fluss­ufer, ist ein Highlight für die Kinder. Und auch die Streifzüge durch den Wald auf begleiteten Ausritten kommen gut an. Nicht nur bei den Jugendlichen: «Es kommen Mutter-Tochter-Duos oder Ehepaare und ganze Familien, welche regelmässig Ausritte auf unseren verläss­lichen und geländeerprobten Pferden buchen.

Das Baden in der Aare ist für Pferd und Reiter eine willkommene Abwechslung und Abkühlung.

Teilweise mit langen Anfahrten aus dem Kanton Obwalden oder gar aus dem Fürstentum Liechtenstein.» Bis zu sieben Pferde (Freiberger, Araber, englische Vollblüter und Ponys) werden für die geführten Ausritte eingesetzt. Dank des guten Einvernehmens mit den benachbarten Landwirten können auch mal spezielle Wege oder Felder benutzt werden und die penible Bollenbeseitigung ist für Fehlmanns selbstverständlich.

Reiten als Therapie
Stallinhaber Fritz Fehlmann ist ausgebildeter Reitheilpädagoge und bietet therapeutisches Reiten an. Der 57-jährige Musiklehrer hat zudem die Ausbildung zum medizinischen Masseur EFA, Schwerpunkt Rü­cken, was er in seiner Tätigkeit im Reitbetrieb mit einfliessen lassen kann. Sein Angebot richtet sich auch an geis­tig und körperlich beeinträchtigte Personen.

Der grosse Sandplatz bietet den Pferden und Ponys genug Raum und Ausweichmöglichkeiten.

Oder hochsensible Menschen, welche die kleinsten Veränderungen in ihrer Umgebung wahrnehmen und darauf reagieren. «Pferde und hoch­sensible Menschen verstehen sich intuitiv und haben oftmals eine sehr spezielle Beziehung untereinander», weiss Fritz Fehlmann, welcher auch für die Namensgebung des Stalles zuständig ist. «Nikiya» ist ein Lakota­name und bedeutet «Allem auf den Grund gehen». Unterstützt wird Familie Fehlmann von Sandro Gar­di, einem 25-jährigen Praktikanten, welcher seit 2016 dazugehört und vom Garten bis zum Pferdestall ein grosses Tätigkeitsfeld hat.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 35/2017)

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