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Digitale Revolution im Pferdesport?

05.02.2019 09:28
von  Alexa Widmer //

Wir leben heute in einer sehr digitalisierten und gut vernetzten Welt, aus der die sozialen Medien kaum mehr wegzudenken sind. Und diese drehen sich längst nicht mehr nur um «Beauty», «Fashion» und «Lifestyle», sondern sind mittlerweile auch ein integrativer Bestandteil des Reitsports geworden. Dies zieht unverweigerlich Konsequenzen nach sich, manche davon sind offensichtlich, andere ganz subtil.

Facebook, Instagram, Youtube – diese drei sozialen Medien können wohl als diejenigen mit dem gröss­ten Einfluss auf den Pferdesport angesehen werden. Während Youtube zur Veröffentlichung von Videos dient, geht es auf Facebook und Instagram eher um Bild und Text – wobei auch dort Videos geteilt werden können. Beide Plattformen haben Vor- und Nachteile: Bilder sind stets Momentaufnahmen und daher tendenziell weniger glaubwürdig als Videos. Die Produktion von Videos ist dafür mit einem erheblich grösseren Aufwand verbunden. Ob Information besser mittels Sprache (wie in einem Video) oder als Text mitgeteilt werden kann, hängt von den persönlichen Vorlieben und vom Thema ab. Genutzt werden diese sozialen Medien auch im Reitsport von jedem Blogger anders. Manche lassen ihre Zuschauer an ihrem Alltag teilnehmen, andere versuchen eher zu informieren und aufzuklären. Einige möchten Missstän­de aufdecken, andere zeigen ihr Können als Pferdetrainer. Und wieder andere inspirieren ihre Zuschauer mit schönen Outfits oder unterhalten sie mit lustigen Ideen oder Anleitungen zur Herstellung verschiedenster Din­ge rund ums Pferd. Meist findet man eine Mischung aus verschiedenen Themenbereichen, und genau diese Vielfalt ist es, die die sozialen Medien für die unterschiedlichsten Menschen so interessant macht. Jeder findet etwas, mit dem er sich identifizieren kann, was auch die unglaublich hohe Reichweite erklärt, die Facebook, Instagram und Co. mittlerweile haben.

Digitale Realität

Durch die Reichweite der sozialen Medien haben Blogger auch in der Reiterwelt mittlerweile einen erheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung. Grosse Menschengruppen können durch die Ansichten Einzelner beeinflusst werden. Sich in den sozialen Medien zu bewegen, kann lehrreich und inspirierend sein, aber gleichzeitig auch tückisch. Oft ist schwer nachvollziehbar, woher die Informationen kommen und wie fundiert sie sind. Das sollte man stets im Hinterkopf behalten, genauso wie die Tatsache, dass die eigene Wahrnehmung schnell durch den sogenannten «Echokammer-Effekt» getäuscht werden kann. Das bedeutet, dass einem durch die Suchalgorithmen der Betreiber, aber auch durch die eigene selektive Auswahl von Inhalten oft nur Beiträge von Personen mit ähnlichen Ansichten angezeigt werden. So bekommt man in den sozialen Medien schnell das Gefühl, dass eine Ansicht sehr verbreitet ist, obwohl sie tat­sächlich möglicherweise nur von wenigen geteilt wird.

Besser Reiten dank Social Media?

So unterschiedlich sie auch sein mögen, eines vereint wohl alle Reiter: Wir alle arbeiten mit einem Lebewesen zusammen, und wir alle möchten unsere Sache «gut» machen. Viele Reiter streben danach, sich ständig zu verbessern und nutzen hierfür gerne alle verfügbaren Ressourcen. Da­zu ge­hört eben auch das Internet – und somit auch die sozialen Medien. Hier findet man so viele unterschiedliche Herangehensweisen an die Arbeit mit dem Pferd wie wohl nirgends sonst und kann sich wunderbar inspirieren lassen. Das kann Mut machen und die eigene Arbeit mit dem Pferd bereichern. Durch den Austausch mit anderen kann man sein Wissen vermehren und neue Kontakte oder sogar Freundschaften knüpfen. Auf der Suche nach Lösungen für die eigenen Probleme kann man auch verschiedenste Tipps und Anleitungen zu konkreten Fragestellungen finden. All dies gibt den sozialen Medien tatsächlich das Potenzial, uns zu besseren Reitern und «Pferdeleuten» zu machen.

Scheinwelt

Doch wie alles auf der Welt hat auch diese Medaille eine Kehrseite. So fördern die sozialen Medien automatisch eine Art «Do it yourself»-Gesellschaft. Man sieht etwas, das einem gefällt und gerät sofort in Versuchung, dies selbst einfach auch mal auszuprobieren. Dies kann natürlich zum Erfolg führen, hat aber gerade im Reitsport auch grosses Fehlerpotenzial. Hier leis­tet das geschulte Auge eines Reitlehrers vor Ort häufig eine Hilfe, die wohl kaum jemals durch die sozialen Medien ersetzt werden kann. Es gilt hier, das Gleichgewicht zu wahren zwischen «ausprobieren» und «überprüft werden», damit man sich optimal entwickeln kann.
Und noch eine weitere Tücke halten die sozialen Medien für uns bereit, die nicht zu unterschätzen ist. Man läuft nämlich schnell Gefahr, sich von einer Scheinwelt blenden zu lassen. Von einem kann man nämlich ausgehen: Im Internet versucht jeder, sich gut darzustellen und das Gezeigte entspricht kaum jemals der «ganzen» Realität. Es gibt zwar mittlerweile schon Gegenbewegungen, die für mehr Realität auf den sozialen Medien plädieren, was immerhin eine Verbesserung ist, aber selbst dort sieht man immer nur einen Teil des Ganzen. Diese Tatsache kann die menschliche Psyche ganz schön belasten, denn man selbst kommt kaum an dieses Idealbild heran. Es kann so ganz schnell der Eindruck entstehen, bei den anderen laufe alles viel besser, obwohl das in Wirklichkeit meist gar nicht so ist. Das Ganze kann sich aber auch umdrehen und plötzlich die Blogger selbst in Bedrängnis bringen, wenn sie nämlich Opfer eines sogenannten «Shitstorms» werden. Die Anonymität im Internet wird von manch­en Nutzern dazu miss­braucht, ih­r­en negativen Emotionen auf eine oft ungerechtfertigte und beleidigende Art Luft zu machen. Der beste Schutz ist das eigene Verhalten. Durch eine im Vornherein bewusst gewählte Ausdrucksweise und eine angemessene Reaktion kann solchen Menschen schnell der Wind aus den Segeln genommen werden.

Im Namen der Tiere

Ein weiteres Gebiet, in dem die sozialen Medien immer wieder eine Rolle spielen, ist der Tierschutz. Schon einige Missstände konnten durch die Dynamik der sozialen Medien publik gemacht und etwas in dem Bereich unternommen werden. Auch im Pferdesport bemerkt man, dass das ganze Geschehen von der Öffentlichkeit stärker überwacht und beurteilt wird. Dies kann sehr oft tatsächlich zum Wohle der Pferde sein, was sehr zu befürworten ist. Häufig ist es aber auch zum Leidwesen der Reiter, und das nicht immer berechtigt. Videos – und Bilder erst recht – sind immer nur Momentaufnahmen, dessen sollte man sich stets bewusst sein. Bevor man etwas verurteilt, sollte man immer versuchen, es möglichst differenziert zu betrachten und auch den Beschuldigten noch zu Wort kommen lassen.
Diese und weitere Themen werden durch die sozialen Medien im Reitsport tangiert und bestimmt immer wieder für Gesprächsstoff sorgen. Denn die sozialen Medien sind nicht mehr nur eine Modeerscheinung, sondern mittlerweile bei den meisten Menschen im Alltag angekommen. Zwar haben sie durchaus einige Tücken, aber doch auch sehr viel Potenzial für positive Entwicklungen. Wer die sozialen Medien bewusst nutzt und die Informationen kritisch hinterfragt, der kann auf jeden Fall viel davon profitieren.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 5/2019)

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