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Harrie Smolders, Springreiter
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«Du musst zuhören, was deine Pferde sagen»

16.01.2018 14:21
von  Florian Brauchli //

Harrie Smolders war 2017 einer, wenn nicht der erfolgreichste Springreiter der Welt. Der 37-jährige Niederländer siegte in den Gesamtwertungen der Global Champions Tour und League und gewann EM-Silber im Einzel. Zudem war er siegreich im Weltcupspringen von Mechelen und im Grossen Preis von Genf. Auch in diesem Jahr hat er Grosses vor, schliesslich stehen die «World Equestrian Games» in den USA auf dem Programm.

«PferdeWoche»: Harrie Smolders, Sie reihen zurzeit Erfolg an Erfolg. Haben Sie ein Geheimrezept?

Harrie Smolders: Dass ich null bleibe und schneller bin als die anderen. (lacht) Nein, ich habe aktuell super Pferde, die erfahren und toll in Form sind. Don und Emerald sind 14-jährig und wir sind eingespielte Teams. Dazu kam Zinius, als die anderen beiden Pause hatten, der mich mit seinen starken Leistungen überrascht hat. 

Welche Qualitäten zeichnen Ihre Spitzenpferde Don, Emerald und Zinius aus?

Don und Emerald haben mit Diamant de Semilly den gleichen Vater und sind trotzdem sehr unterschiedlich. Don ist sehr vermögend. Er braucht immer ein bisschen Unterstützung am Sprung, aber er ist super vorsichtig, cool und seine Übersicht ist vom Feinsten. Emerald hat eine tolle Technik und ist ausserdem sehr fleissig. Er hat richtig «Saft» und ist äusserst ehrgeizig. Früher war er teils übermotiviert, aber mittlerweile ist er schlauer geworden. Zinius war eigentlich als Zweitpferd hinter den anderen beiden gedacht. Es brauchte eine Findungsphase, wir haben uns nicht sofort verstanden. Aber die letzten Wochen waren überragend von ihm. Er ist nicht so gross, aber richtig schnell, wendig und hat ein grosses Kämpferherz.

In Basel haben Sie mit Cas, Capital Colnardo und Corrada drei Pferde der us-amerikanischen Familie Coulter im Einsatz.

Stimmt, diese drei reite ich seit Mitte 2017. Alles hat mit Don angefangen, der auch der Familie Coulter gehört. Die beiden Töchter der Familie haben bei mir trainiert und ich habe sie sehr oft in den USA besucht, um mit ihnen zu arbeiten. Im Winter bin ich teilweise jede Woche nach Nordamerika geflogen zwischen den Turnieren, um sie zu unterstützen. Audrey Coulter arbeitet nun seit letztem Jahr im Finanzsektor und sie haben mich gefragt, was sie mit den Pferden machen sollen. Ich sagte ihnen verkaufen, weil sie alle in einem guten Alter sind. Das wollten sie nicht und aus Dankbarkeit, dass ich ihnen viel geholfen habe, haben sie mir die Pferde zur Verfügung gestellt. 

Wie sind Sie zum Reitsport gekommen?

Meine Eltern hatten auf ihrem Bauernhof Pferde. Meine ältere Schwester ist auch schon geritten. Als sie aus dem Pony-Alter herauskam, wollten es meine Eltern verkaufen und ich habe gesagt nein, nein, lasst mich es übernehmen. Am Anfang war ich nicht so motiviert, aber mit den ersten Erfolgen kam auch immer mehr der Spass am Reiten.

Sie waren auch ein guter Fussballer?

Ja, das ist sicher ein bisschen übertrieben. Mein Jugendtrainer meinte, ich sei der Einzige im Club, der mal mit Fussball Geld verdienen könne. Das habe ich nicht geglaubt. Ich hatte eher das Gefühl, dass ich mit Reitsport weiter kommen kann als mit Fussball.

Aber Sie sind immer noch ein grosser Fussballfan?

Ja das ist richtig. Ich habe zwar keinen Lieblingsclub, aber ich interessiere mich sehr für Fussball. Spiele von Bayern München, Barcelona, Manchester City schaue ich sehr gerne an.

Basel ist der Auftakt in die WM-Saison. Sie waren vor drei Jahren das letzte Mal am Start. Welche Erinnerungen haben Sie noch an Ihren letzten Besuch?

Ich habe tolle Erinnerungen. Das Turnier ist sehr professionell und die Bedingungen für Reiter und Pferde sind optimal. Ich komme sehr gerne nach Basel, auch weil es mir hier oft sehr gut läuft. Es ist hier aber nicht immer einfach zu gewinnen, weil die besten Reiter und die besten Pferde am Start sind.

Was mögen Sie an Turnieren in der Schweiz?

Sie sind sehr gemütlich und die Zuschauer haben Ahnung vom Pferdesport. Wenn man einen oder zwei Fehler hat, aber trotzdem eine schöne Runde gezeigt hat, erkennen das die Zuschauer und honorieren es.

Steht der Weltcupfinal auf Ihrer Saisonplanung?

Zu Beginn der Hallensaison eigentlich nicht, aber durch die guten Resultate ist das nun ein bisschen anders. Wenn ich mich qualifizieren würde und die Pferde in Form sind, überlege ich mir sicher, teilzunehmen.

Sie haben im vergangenen Jahr sowohl die Global Champions Tour und auch die League gewonnen. Was bedeutet Ihnen das?

Es ist eine grosse Auszeichnung. Der Titel wird vielleicht noch wichtiger in den nächsten Jahren. Der Titel zeigt, dass du über die ganze Saison gut warst – auf Gras, auf Sand, auf grossen und kleinen Plätzen. Man kann es mit der Formel 1 vergleichen. Wer am Ende der Saison oben steht, hat es verdient – ein Allround-Titel.

GCT-Sieger 2017: Harrie Smolders. 

Welche Rolle spielt für Sie GCT in einer WM-Saison?

Erste Priorität hatte die League, weil mein Sponsor ein Team unterstützt. In diesem Jahr bin ich wieder in einem Team, aber man muss immer zuerst schauen, wie fit und bereit die Pferde sind. Ich bin in der glücklichen Lage, über mehrere Toppferde zu verfügen. So kann ich eines mehr in der GCT und GCL einsetzen, ein anderes mehr in den Nationenpreisen. So kann ich vielleicht beide Wege voll bestreiten. Wenn nur ein Vierbeiner zur Verfügung steht, muss man sich für eine Richtung entscheiden.

In welche Richtung würden Sie tendieren, wenn es so weit kommen würde?

Das ist schwierig zu sagen. Es kommt darauf an, welches Pferd nicht zur Verfügung stehen würde und welches Pferd gut in Form ist.

Was bedeutet Ihnen mehr, die EM-Medaille oder der GCT-Gesamtsieg?

Das ist schwierig zu entscheiden. Ich hatte bei beidem sehr viel Spass. Bei einer Europameisterschaft gibt es viel mehr Leute, die hinter dir stehen – du gewinnst für dein Land. Die Siege in der GCT und GCL sind mehr für mich und mein Team mit Pflegern, Sponsoren und Pferdebesitzern. Sie waren auch alle sehr stolz über diese vielen Erfolge.

Was ist Ihr Ziel an der WEG in diesem Jahr?

So gut sein wie möglich. Das Wichtigste an der WEG ist, dass es die erste Chance ist, sich für Olympia zu qualifizieren. Wenn alles passt und ich einen Lauf habe, ist sicher viel möglich.

Bereiten Sie sich auf ein Championat speziell vor?

Ja, ich mache nicht viel anders, aber ich gebe meinem Championatspferd ein biss­chen mehr Pause vor dem Event. So kann es Kraft tanken und ist dann voll im Schuss, wenn es zählt.

Welches ist Ihr grösstes Ziel, dass Sie noch erreichen wollen?

Oh, da gibt es noch viele. Eine Olympiamedaille oder der Sieg im Grossen Preis von Aachen. Der steht noch auf meiner Liste. Der GP von Aachen gehört für alle Springreiter zum Wichtigs­ten, was es gibt.

Aktuell sind Sie die Nummer zwei der Welt. Ist auch die Nummer eins ein Ziel?

Natürlich ist es schön, wenn man oben steht, aber die Rangliste hat bei mir nie eine Rolle gespielt in meinem Leben. Ich habe immer versucht, mich auf die Pferde zu konzentrieren. Nur wenn du deine Vierbeiner optimal managst und pflegst, kannst du auch Erfolg haben. Und durch die Erfolge kommt eine gute Position in der Weltranglis­te automatisch. Wenn du nur den Weltranglistenpunkten nachjagst, bist du auf dem falschen Weg und schadest den Vierbeinern. Du musst zuhören, was deine Pferde sagen.

Smolders gewann EM-Silber in Göteborg. 

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 02/2018)

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