Dieser Spruch ist nicht nur einer von Markus Eschbachs Leitsätzen in seiner täglichen Arbeit mit Pferden und Menschen. So lernte er auch seine Frau fürs Leben kennen: Andrea. Eine filmreife Liebesgeschichte auf Teneriffa führte die beiden zusammen. Der Sozialpädagoge und die Physiotherapeutin, beides Reitlehrer und Vorreiter in der Schweizer Horsemanship-Szene, bilden durch diese wunderbare Kombination ein einzigartiges Team. Gemeinsam schrieben sie bereits fünf publizierte Pferdebücher zur Kommunikation und einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen Pferd und Mensch.
«Halte das Lederende in der rechten Hand. Gut. Dann kannst du mal antraben. Beim gelben Hütchen parierst du wieder in den Schritt. Genau, sehr gut, Chiara. Jetzt machst du eine Aussenwendung und trabst wieder an. Schön, belohne ihn, indem du dich von ihm abwendest und nichts mehr forderst.» Es ist Kinderlager auf dem idyllischen Eichhaldenhof von Andrea und Markus Eschbach im aargauischen Koblenz. Im Roundpen darf Chiara gerade frei mit Moonlight, dem Quarteraraber, arbeiten. Markus gibt ihr von aussen Anweisungen zur Arbeit mit dem besonders selbstbewussten Schimmel. Die anderen Feriengäste stehen auf dem Zaun und beobachten gespannt das Geschehen, denn sogleich werden auch sie an der Reihe sein. Bemerkenswert, wie selbstständig Markus die Kinder mit Moonlight arbeiten lässt und im richtigen Zeitpunkt unterstützt oder motiviert, nicht aufzugeben. Eindrücklich, wie die Mädchen die verschiedenen Situationen mit «dem Professor» Moonlight meistern. Imponierend, wie gut der Professor auf die Kommandos und die Körpersprache der Kinder hört, die er gerade erst seit zwei Tagen kennt. Dennoch testet er zwischendurch seine Möglichkeiten aus – bei den einen mehr, bei den anderen weniger. Durch ihn erkennt man die ganz unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Persönlichkeiten rasch. Innert weniger Minuten Arbeit mit dem Pferd und Markus als Lehrer verändert sich das Auftreten der Mädchen: Gerade betraten sie den Roundpen noch etwas unsicher und scheu, verlassen sie ihn nun in positiver Körperhaltung, selbstbewusst und stolz, nachdem sie ihren Professor ausgiebig belohnten.
Chiara bei der freien Arbeit mit Moonlight, «dem Professor».
Moonlight macht die gefragte Aussenwendung.
Chiara belohnt Moonlight, indem sie nichts mehr fordert.
Miriam, Valentina und Leila (v.l.) verfolgen die Arbeit von Chiara.
Für Pferde typische Verhaltensweisen kennenzulernen, das eigene Verhalten und Auftreten immer bewusster wahrzunehmen, die eigene Körpersprache zu schulen und ein Gespür für Pferde zu entwickeln, das fördere die Zusammenarbeit entscheidend, so Markus Eschbach. «Eine funktionierende Kommunikation ist die Voraussetzung für harmonischen und stressfreien Umgang. Das sollen auch bereits die Kinder lernen.» Im Anschluss an den Unterricht im Roundpen dürfen sie nämlich reiten. «Wir stellen die Beziehung zwischen Pferden und Menschen in den Mittelpunkt. Sie ist die Grundlage für alles Weitere.»
Breites Angebot an Aus- und Weiterbildung
«Sieben Sekunden vor dem Erfolg geben die meisten Menschen auf», pflegt Markus gerne zu sagen. Das weiss er von den Managerkursen und Persönlichkeitstrainings, die er erteilt. Es sei wie beim Tanzen: «Man muss eben nicht nur das Tempo angeben – was die meisten Führungskräfte gut können – sondern auch die Richtung. Der Umgang mit dem Pferd lehrt dies hervorragend.» Wie beim Fussball oder in anderen Sportarten gehe es bei der Arbeit mit den Pferden um die richtige Positionierung. Deshalb arbeite er auch so gerne mit den farbigen Fussballhütchen. «Die Hütchen dienen der so wichtigen und schwierigen Orientierung des Menschen», erklärt der 48-Jährige. Und er weiss wovon er spricht: Als Sozialpädagoge kann der Reitlehrer und Pferdeausbildner nicht nur Pferde gut einschätzen, sondern auch Menschen.
Der Kurskalender auf dem Eichhaldenhof ist über das ganze Jahr ausgefüllt mit einem vielfältigen und hochkarätigen Programm. Neben den Managerkursen und Kinderreitlagern werden Kurse über Humanship, die akademische Reitkunst, Freiheitsdressur, berittenes Bogenschiessen, Zentauer oder Zirkuslektionen und vieles mehr angeboten. Geführt werden sie von bekannten Namen wie Brent Branderup, Michael Geitner, Linda Tellington Jones oder Kenzie Dysli, Andrea und Markus Eschbach selbst und vielen weiteren mehr. «Einerseits ist es uns wichtig, dass wir uns selbst stetig weiterentwickeln und andererseits wollen wir auch das anbieten, was wir selbst nicht können. Denn niemand kann alles», kommentiert Markus das immense Kursangebot auf seiner Anlage.
Ein bunter Mann mit viel Sozialkompetenz
Während seiner Erstausbildung zum Sozialpädagogen in Basel arbeitete Markus als Radiomoderator. Danach fand er eine Anstellung in einem Kinderheim am Bodensee. Dort kam ihm wie aus dem Nichts der Gedanke: «Du musst reiten lernen. Das fühlte sich an wie eine Erleuchtung.» Zwar sass er mit 16 bereits einmal im Sattel: Auf dem Welsh-Cob seiner damaligen Freundin, das im Liestaler Wald mit ihm durchbrannte. Auf diese spontane Idee, das Reiten zu erlernen, folgten Reitstunden im Abteilungsreiten in einem Springstall im Kanton Thurgau. Doch hatten seine Arbeitgeber keine Freude an der neuen Freizeitaktivität. «Sie sagten mir, ich sei im falschen Beruf, wenn ich einem Hobby nachgehen wolle. Also kündigte ich.» So ging er wieder nach Hause, zu seinen Eltern, die inzwischen unabhängig von Markus’ Reiterei bei einem benachbarten Bauernhof vier Pferde eingestallt hatten. «Meine Eltern hatten fünf Pflegekinder. Sie hatten gelesen, dass Pferde Kindern guttun.» Mit den Pferden seiner Eltern – dem Pony «mit den schönen Augen», zwei Haflingern und einem Shetlandpony – sei er erstmals richtig intensiv zum Reiten und Fahren gekommen. «Das war alles etwas ‘selfmade’.»
Nach der freien Bodenarbeit dürfen die Feriengäste reiten.
Per Zufall sei er 1995 auf einen Artikel über Fred Rai und das «gewaltlose Reiten» gestossen. «Damals war Horsemanship oder auch gebissloses Reiten in der Schweiz noch kein Thema», erinnert sich Markus. Entsprechend hinterliessen Rai und seine Arbeit bei ihm einen tiefen Eindruck. So absolvierte er beim berüchtigten «Pferdepsychologen» und Gründer des europäischen Pferdeschutzbundes 1996 die Ausbildung zum Reitlehrer und Pferdetrainer. Zurück in der Schweiz begann Markus in Wädenswil im Kanton Zürich mit dem Unterrichten in seiner Freizeit. Denn er arbeitete wieder als Sozialpädagoge in einem Heim, später als Anzeigenverkäufer für das legendäre Jugendmagazin «Musenalp-Express» und danach sorgte er bei einer Plattenfirma fürs Merchandising von Kelly Family, Backstreetboys oder Toni Vescoli. Gleichzeitig führte er seine Entdeckungsreise in der Welt des gewaltfreien Reitens fort und besuchte Horsemanship-Vorreiter rund um den Erdball. «Ich konnte viele wertvolle Einflüsse verschiedener Menschen zusammentragen.» Es wurden immer mehr Reitschüler, die von Markus’ Unterricht profitieren wollten und so zu einem grossen Stress, dies nebenher zu verrichten. Zum Mittagessen gab es mittlerweile nur noch Vitamindrinks im Auto. «Ich stand an einem Punkt, wo ich mich entscheiden wollte: Entweder mache ich es richtig und professionell oder ich höre ganz mit den Pferden auf.»
Abenteuer auf der Insel des ewigen Frühlings
Natürlich hörte er nicht damit auf, sondern machte die Arbeit mit Pferden zu seinem Beruf. Über seine Eltern fand er in der «Finca Verde» auf Teneriffa (ESP) die Möglichkeit, die ihm in der Schweiz fehlte. 1998 wanderte er aus und gründete ein Reit- und Ausbildungszentrum im Norden der Kanarischen Insel, fernab von Touristenströmen. Sieben Pferde erwarb er bei der Schweizer Tierärztin Christina Ward in Tarifa.
Das Erholungszentrum auf 800 Meter über Meer, umgeben von Orangen-, Zitronen- und Mandarinenbäumen, mit Blick auf den Atlantischen Ozean zog rasch Gäste an, die sich nach Erholung und Reitferien sehnten oder von den abenteuerreichen Pferdetrekkings oder vielversprechenden Kursen angelockt wurden. Unter ihnen war auch Andrea.
Eine filmreife Liebesgeschichte
«Am 8. Mai 1999 haben wir uns kennengelernt», erzählt Markus mit seinem breiten Lächeln. Er scheint sich zu erinnern, als wäre es gestern gewesen. «Eine Woche bevor Andrea zu mir in die Reitferien kam, hatte mir ein befreundeter Schamane gesagt: ‘Bald kommt eine Frau, die bleibt.’ Ich hatte diese Aussage eher belächelt, denn ich musste mich ja um die Pferde und die Besucher kümmern, Trekkingritte führen und hatte gar keine Zeit.» Der Schamane hätte einfach wiederholt: «Du wirst sehen. Sie kommt, sie bleibt und du hast Zeit.» Eine Woche später stand Andrea da, als Begleitung der Schwester von Markus.
Markus und Andrea Eschbach auf der «Insel des ewigen Frühlings», Teneriffa. Hier lebten sie von 1998 respektive 1999 bis 2008.
Und sie blieb. Aus der geplanten Woche wurden drei. Dann hatte sie allerdings in der Schweiz eine neue Stelle anzutreten. Sie ging, kündigte am ersten Tag und erschien im Juni bereits wieder auf der «Insel des ewigen Frühlings», wie Teneriffa gerne genannt wird. Im Juli entschieden die beiden zu heiraten. Und Anfang 2000 läuteten die Hochzeitsglocken.
Eine Pferdenärrin mit Körpergefühl
Im Unterschied zu Markus war Andrea bereits als kleines Mädchen von Pferden angefressen. Schon als Kind verbrachte sie viel Zeit auf dem nahen Reiterhof und nahm Reitstunden im klassischen Stil. Später probierte sie auch andere Disziplinen wie Western-, Gangpferde- oder Wanderreiten aus. Wie Markus begab sich auch Andrea auf eine Entdeckungsreise in der Pferdewelt, absolvierte verschiedene Aus- und Weiterbildungen. Heute ist die 45-Jährige eine begehrte Reitlehrerin und zertifizierte Dualaktivierungs- und Equikinetic-Trainerin. Ihre ursprüngliche Ausbildung zur Physiotherapeutin helfe ihr bei der heutigen Arbeit sehr: «Ich erkenne gewisse Bewegungsabläufe besser und kann auch die Ursachen analysieren», erklärt Andrea.
Neun intensive Jahre auf Teneriffa
Neben den beliebten Trekkingritten erteilten die beiden auf Teneriffa Unterricht für Anfänger und Fortgeschrittene in Horsemanship- und Roundpen-Training. Auf die grosse Nachfrage hin standen Markus und Andrea mehr und mehr auch im Ausland für Kurse und Seminare zur Verfügung. Schon bald kam auch die erste Anfrage, ein Buch über ihre Arbeitsweise mit den Pferden zu schreiben. Mittlerweile sind von den beiden drei Fach- und zwei Kinderbücher publiziert und schon mehrfach neu aufgelegt worden.
«Die intensive Reiserei war einfacher, als Livia und Alina noch klein waren.» Die Rede ist von ihren Töchtern, die heute 13 und elf Jahre alt sind. Sie waren der Hauptgrund für die Rückkehr in die Schweiz im Jahr 2008. «Wir wollten, dass die Mädchen die Schule in der Schweiz machen können.» Ein französischer Theaterpädagoge kaufte die «Finca Verde». Die einstigen Reitkurse sind heute Theaterkurse.
Das optimale Schmuckstück gefunden
Zurück in der Schweiz verbrachten sie zuerst ein Jahr ohne Pferde in Reinach bei Basel, bis sie sich mit ihren Vierbeinern in einem Hof von Freunden einmieten konnten und nach Waldshut-Tiengen umzogen. Doch Andrea und Markus sehnten sich wieder nach einem eigenen Betrieb und entdeckten per Zufall den leerstehenden Eichhaldenhof in Koblenz, der nur wenige Kilometer entfernt lag. Im März 2013 konnten sie die kleine Perle kaufen.
Seither wohnen sie mit acht eigenen und vier Pensionspferden in der Aargauer Gemeinde, die direkt am Rhein liegt. Drei der Pferde hier sind noch aus Teneriffa. «Die Älteste ist nun 30 Jahre alt und immer noch richtig ‘zwäg’.» Drei weitere stehen in Deutschland, weil sie in Koblenz zu wenig Platz haben. «Wir versuchen, immer acht Boxen für Kurs- oder Ausbildungspferde frei zu halten.»
Andrea und Markus Eschbach wohnen in einem Einfamilienhaus gleich nebenan. Sie können oberhalb des Stalls noch Ferienwohnungen und Zimmer für Kursbesucher oder die Kinder vom Reitlager anbieten. Sie verfügen mit der Reithalle, dem Roundpen, verschiedenen Seminarräumen und ausreichend Weideland über alles, um ihrer Philosophie, wie sie sie schon auf Teneriffa lebten, nachzugehen und ihrer breiten Kundschaft weiterzugeben. «Wir möchten Pferde, die leicht zu führen und fein zu reiten sind. Pferde, die uns vertrauensvoll begegnen, aufmerksam, motiviert und zufrieden mitarbeiten. Pferde, die sich bei uns wohlfühlen.
(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 24/2016)
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