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Kent Farrington.
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Ein Mann – ein Ziel

01.09.2015 14:45
von  Alexandra Koch //

Er tauchte Ende 2013 für mitteleuropäische Reit­sportkenner praktisch aus dem Nichts auf. Doch sein Sieg damals im Grand Prix beim CSI5* in Genf dürfte vielen Schweizer Turnierbesuchern noch in Erinnerung sein. Ein Jahr später zeigte Kent Farrington beim CHIO in Aachen (GER) den meisten seiner Konkurrenten nur noch die Hinterhufe seiner Pferde. Bei den Weltreiterspielen in Caen (FRA) holte er Bronze mit dem Team der USA. Jenseits seiner Erfolge ist jedoch wenig über den Mann aus den Vereinigten Staaten bekannt. Doch nun gewährt er einen exklusiven Einblick in sein Leben, sein Denken und seine Welt.

Kent Farrington ist mittlerweile 34 Jahre alt – und ein Dauergast in den Top Ten der Weltrangliste. Man könnte fast meinen, er würde sich bereits am Ziel seiner Träume befinden, wenn er emotional einen Sieg bejubelt und im Stechen viele Konkurrenten alt aussehen lässt. In Wirklichkeit hat er seine Wünsche nach einer Karriere im Springsport jedoch viel längerfristig angelegt. «Mein oberstes Ziel ist es, mich unter den Top-Reitern zu etablieren und lange Zeit dort zu bleiben. Meine Vorbilder sind Ludger Beer­baum, Hugo Simon, John Whitaker oder Ian Miller. Ihnen allen gelingt es, nach Jahrzehnten im Springsport nach wie vor Siege mit nach Hause zu bringen.»

Kent Farrington ge­wann an den WEG 2014 auf Voyeur Bronze mit dem US-Team.

Der US-Amerikaner im Training mit Voyeur.

Begonnen hat Farringtons reiterliche Karriere eher untypisch. Seine Eltern hatten im Grunde genommen nicht viel mit Pferden am Hut, wohl aber hatte seine Mutter mal auf einem gesessen. Davon gab es ein Foto, das der achtjährige Kent entdeckte. Er war begeistert und wollte seiner Mutter nacheifern. So kam es, dass er seine ersten Reitstunden bekam. «Ich ritt damals in einem kleinen Stall in Chicago, der eigentlich auf Kutschpferde spezialisiert war. Da ich in der Grossstadt aufwuchs, gab es nicht so viele Möglichkeiten. Doch auch wenn meine Familie eigentlich nicht viel mit Pferden zu tun hatte, haben sie mich immer bestärkt in dem, was ich tue. Meine grosse Inspiration in meinem Sport ist bis heute mein Vater, der immer empfahl, dass ich von allen lernen, aber keinen komplett kopieren soll und versuchen soll, die beste Version von mir selbst zu sein.» Zunächst einmal wollte der kleine Kent vom Springreiten noch nicht so viel wissen: «Mein Traum war es, unbedingt Rennreiter zu werden. Darum bin ich auf meinen Ponys als Kind immer Rennen geritten. Aber dann hörte ich, dass man mit dem Spring­reiten viel Geld verdienen könnte – was natürlich völlig übertrieben war. Aber ich blieb dabei, auch weil Rennen zu reiten mir dann doch zu gefährlich wurde.» Nachdem seine Springkarriere in Fahrt kam, trainierte er unter anderem mit Olympia-Reiter Tim Grubb und Leslie Burr-Howard. «Von den beiden habe ich so viel gelernt und auch von vielen anderen Menschen. Da ich als Kind nicht diesen familiären Hintergrund hatte wie viele andere, musste ich später dadurch lernen, mir selbst vieles abzuschauen.» Auch heute hat er dies nicht aufgegeben: «Ich bemerke heute noch, dass ich mir oft auf den Turnieren vieles abgucke von Menschen, die ich bewundere. Ich bin ein guter Beobachter und freue mich, wenn ich Neu­es lerne und mein Reiten weiter verbessern kann.»

Ein Leben für die Pferde

«Die Arbeit mit den Pferden ist mein Leben. Im Grunde dreht sich alles in meinem Leben um meine Arbeit und ich fühle mich sehr wohl damit», berichtet Farrington so enthusias­tisch, dass man keinen Moment daran zweifeln würde. Hobbys abseits der Pferde habe er eher wenige, erzählt er. «Aber ich kann mich auch gut mit meinen Pferden beschäftigen, wenn ich nicht auf ihrem Rücken sitze. Pferde kaufen und verkaufen beispielsweise. Was für andere anstrengend und eine Wissenschaft für sich ist, mache ich unheimlich gerne. Ich habe auch immer einen Blick auf junge interessante Pferde.» Nebenbei ist er in Florida, wo er eine prachtvolle Anlage sein Eigen nennt, in der Immobilienbranche tätig. Aber mal nicht arbeiten, das kann er sich momentan nicht vorstellen: «Es ist einfach das, was ich liebe.» Neben seiner Farm in Florida besitzt Farrington auch eine Anlage in Green­wich im Bundesstaat Connecticut. Es macht dem Spitzenreiter nichts aus, dass jeder Tag in seinem Stall mit viel Arbeit verbunden ist: «Ja, natürlich hat man mit Pferden immer viel zu tun. Aber ich habe auch ein grossartiges Team, das mir jeden Tag zur Seite steht. Den ganzen Winter über bin ich auf meiner Anlage in Florida, während ich im Sommer immer umherreise, mal in den USA, mal in Kanada, mal in Europa. Da führe ich dann ein komplett anderes Leben. Auch so ist kein Tag wie der andere, aber alle sind sehr geschäftig. Das ist jedoch einfach meine Persönlichkeit, hart zu arbeiten und nicht stillstehen zu wollen. Nichts macht mich glücklicher, als jeden Morgen ganz früh aufzustehen, in den Stall zu gehen und meine Pferde zu reiten.»

Kent Farrington mit seinem WM-Pferd Voyeur.

Sein Schimmel Uceko ist zu Spässen aufgelegt.

Besonders das richtige Management seiner Pferde ist Kent Farrington überaus wichtig: «Ich bewundere Menschen wie Ludger Beerbaum, die das über so viele Jahre hinweg immer perfekt geschafft haben. Es geht für mich nicht darum, einen vierbeinigen Superstar zu reiten und dann wieder in der Versenkung zu verschwinden, sondern darum, viele verschiedene Pferde zu trainieren und mit ihnen allen meine Erfolge zu feiern – und das für lange Zeit. Das bewundere ich an anderen Reitern und das möchte ich auch selbst schaffen.» Neben den Pferden ist Farrington seine Familie überaus wichtig, allen voran seine Eltern. Sein  Vater starb vor einigen Jahren, ist für ihn jedoch bis heute die grösste Inspiration. Neben seiner kanadischen Partnerin, Springreiterin Tiffany Fos­ter, ist auch Farringtons Schwester Kim häufig an seiner Seite, wenn es zu Turnieren geht. Sie geniesst das Sightseeing nebenbei, ist aber vor allem sehr stolz, was ihr Bruder alles erreicht hat.

Gute Pferde soweit das Auge reicht

Momentan hat Kent Farrington eine ganze «Her­de» von Pferden in seinem Stall, die fähig wären, einen Grossen Preis mit ihm zu gewinnen. Dies macht wohl die derzeitige Stärke des Mannes aus, der fast schon standardmässig in den besten zehn der Weltrangliste vermutet wird. Allen voran sei Voyeur genannt, mit dem er auch bei den Weltreiterspielen und beim CHIO in Aachen absahnen konnte und der 2015 unter anderem die Etappe der Global Champions Tour in Hamburg gewann: «Er steht so hoch im Blut, dass er jedes Stechen gewinnen kann.» Besonders schätzt der Reiter an seinen Top-Pferden, dass sie «alle solch ein grosses Herz und den Willen zum Siegen haben». «Ich geniesse es aber auch, unterschiedliche Arten von Pferden zu reiten. Wäh­rend der 13-jäh­rige KWPN-Wallach Voyeur eher heissblütig ist, erscheint mein anderes Top-Pferd, der 14-jährige Hol­länder Uceko, mit dem ich gerade in Dublin siegreich war, eher etwas kühler und vor allem recht ruhig. Dadurch muss ich die Pferde selbstverständlich ganz unterschiedlich trainieren. Aber das ist die Herausforderung daran. Ich muss dafür sorgen, dass sie all diese grossen Springen tat­sächlich gewinnen können. Denn die Anlage dazu haben sie allesamt. Ich muss versuchen, immer alles aus ihnen herauszukitzeln.» Dabei achtet Kent Farrington stets darauf, was die Pferde ihm mitzuteilen versuchen: «Sie haben alle ihre eigene Art, mir zu sagen, wann sie bereit sind. Ich muss dies einfach ausprobieren und versuche immer genau die Prüfungen zu wählen, die für sie am bes­ten passen.»

Gerade als Ausbilder vieler junger Pferde erscheint es nur logisch, dass er am grossen Winter Equestrian Fes­ti­val in seiner Wahlheimat Florida regelmässig teilnimmt. «In Florida bringe ich meist vor allem meine jungen Pferde an den Start, denn die erfahrenen haben den Rest des Jahres über schon genug zu tun. Das Schöne für mich ist am WEF, dass es praktisch vor meiner Haustür stattfindet und ich meine Pferde zuhause arbeiten kann. Ausserdem kann ich dort sowohl auf dem Turnier als auch zuhause bestens mei­ne Schüler weiter ausbilden.» Von diesen hat Kent Farrington eine ganze Men­ge, denn mittlerweile ist der ehemalige Gewinner der «Eisers/Pessoa National Equitation Medal» (1998) und der «Washington International Equitation Medal» (1999) für Nachwuchsreiter selbst erfolgreicher Ausbilder: «Meine beste Schülerin ist Paige Johnson, die schon hocherfolgreich und siegreich war. Daneben trainiere ich Alex Crown, Meagan Nusz und Hilary McNerney, um nur einige zu nennen. Ich bin auf alle meine Schüler stolz. Ich habe ihre Pferde ausgesucht, damit sie mit ihnen ein höheres Level erreichen. Sie dann zu beobachten und zu sehen, wie sie ihre ersten Siege einfahren, ist natürlich für einen Trainer ein grossartiges Gefühl. Ich freue mich, dass es mir möglich ist, mein Wissen mit ihnen teilen zu können.» In Florida habe er die perfekte Ergänzung zu den vielen Reisen, die er den Rest des Jahres über unternehme. «Es ist also für mich auch eine Art Auszeit, in der ich mich mehr um das Business, um den Pferdekauf und -verkauf und um meine Schüler kümmern kann. Es ist einfach ein schönes Gefühl, dort einen ruhigen Winter zu verbringen. Und das Wetter ist selbstverständlich auch nicht zu verachten», lacht Farrington.

Zukunftsträume

Wenn er auf seine grössten Erfolge zurückblickt, denkt Kent Farrington unweigerlich an die Weltreiterspiele 2014 in Frankreich. Eigentlich selbstverständlich, denn dort hatte er seinen ersten ganz grossen Championatsauftritt, abgesehen von den Panamerikanischen Spielen in Mexiko 2011. «Ich war mit meinem Pferd Voyeur sehr zufrieden damals. Aber man muss eben immer Glück haben, wenn es um die Medaillen geht. Hätten wir ein, zwei Abwürfe weniger gehabt, wäre unsere Mannschaft um Gold geritten. So wurde es Bronze. Aber immer wenn man von einem Championat mit einer Medaille nach Hause fährt, kann man sehr zufrieden sein. Und es war eine wunderbare Zeit, in der ich Teil dieses grossartigen Teams sein durfte.» Auch an seine Auftritte in Aachen 2014 und 2015 denkt er gerne zurück: «Aber das i-Tüpfelchen hat dann doch gefehlt. Denn das wäre der Sieg im Grossen Preis gewesen. Dort war ich ja ‘nur’ Zweiter und 2015 war ich noch etwas weiter hinten an fünfter Stelle platziert, wenn auch erneut im Stechen. Aber das bedeutet für mich nur, dass ich wiederkomme und meine kleine ‘Rache’ nehmen möchte.» Denn Aachen ist für den Reiter etwas ganz Besonderes – sein Lieblingsturnier: «Da geht es mir wie vielen meiner Kollegen. Dieses Stadion hat einfach eine unglaubliche Atmosphäre, schon allein seine lange Geschichte macht dies aus, aber auch die vielen Menschen, die einem zujubeln. Die Leute dort haben richtig Ahnung von Pferden, sie jubeln nicht einfach jedem zu, wie das in den USA häufig der Fall ist. Ich weiss es ausserdem zu schätzen, dass dort wirklich alle Top-Reiter mit ihren Top-Pferden antreten. Das macht es besonders.» Selbstverständlich denkt ein Mann wie Kent Farrington, nach dem dritten Platz mit der US-Mannschaft bei den «Pan­am-Games» auf seiner erst neunjährigen Stute Gazelle, an die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im kommenden Jahr. Das Team der USA hat sich hier nach dem wahrlich nicht befriedigenden Abschneiden 2012 (und zwei vorangegangenen Goldmedaillen 2004 und 2008) viel vorgenommen. Wichtiger ist es Farrington aber, seine eigenen Prinzipien zu erfüllen: «Mein Wunsch ist es eigentlich, den Wünschen und Träumen, die so viele Menschen, welche mit mir in Verbindung stehen, haben, gerecht zu werden. Sie haben mich alle im Laufe meiner Karriere derart unterstützt, dass ich sie niemals hängen lassen würde. Schon allein dafür möchte ich mein Bes­tes geben und ihnen zeigen, dass sie mich nicht umsonst gefördert haben.»

An Pferden mangelt es Farrington dafür nicht, denn neben dem Uceko und Voyeur hat er mehrere weitere Top-Pferde zur Verfügung. Es würde der schnellen, 2002 geborenen Vollblutstute Blue Angel beispielsweise sicherlich nicht gerecht werden, sie ein Pferd aus der zweiten Rei­he zu nennen. Auch der zwölfjährige holländische Schimmel Willow hat bereits grosse Qualität bewiesen: «Er ist unglaublich schnell, mutig und so sicher, dass er immer ein gutes Mannschaftspferd sein kann.» Für den Nachwuchs ist ebenfalls gesorgt, am meisten gerät Farrington bei der jungen belgischen Stute Gazelle ins Schwärmen: «Sie ist meine grösste Zukunftshoffnung und ich hoffe sehr, dass sie nun in den grossen Sport hineinwächst. Sie ist unglaublich vorsichtig und sensibel. Ich habe wirklich grosse Erwartungen an sie.» Und was hat er sich konkret für den Rest des Jahres und die Zeit bis zu den Olympischen Spielen vorgenommen? Er lacht: «Einfach weiterhin auf diesem hohen Level reiten – und so viele Springen gewinnen, wie ich nur kann.» Da sollte sich die Konkurrenz schon einmal warm anziehen.

Halbjährlich wohnt der US-Amerikaner auf seiner weitläufigen Anlage in Florida.

In seinen Büro «plant» der US-Amerikaner seinen Erfolg.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 34/2015)

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