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Horst Becker mit seiner Schweizer Lebenspartnerin Melania Mangia. Fotos: Katja Stuppia
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Ein Pferdemensch mit Gefühl

15.05.2018 10:28
von  Katja Stuppia //

Der Deutsche Horst Becker ist einer der ganz Grossen in der europäischen Pferde­szene. Der Ausbilder mit Fokus auf klassischer Dressur, Doppellonge und Freiheitsdressur und Autor von Büchern und Filmen verlegt seinen Lebensmittelpunkt gemeinsam mit seiner Schweizer Lebenspartnerin Melania Mangia in naher Zukunft in die Schweiz. An der BEA in Bern trat er mit seinem «Expertenforum ­Pferdegerecht» täglich auf.

«Wenn ich gross bin, werde ich etwas mit Pferden machen.» Als der sechsjährige Horst selbstbewusst diese Ansage an einem Familienfest machte, gab es auf dem Hof der Eltern zwar Kühe und Maschinen und 70 Hektaren Land – aber keine Pferde. Der kleine Horst aber war sich so sicher, wie sich dies nur Kinder in ihren lebhaften Fantasien bildhaft vorstellen können. Und der Dreikäsehoch wusste auch, wo er dies später tun wollte: in Südfrankreich und in der Lüneburger Heide.

Ein Pony vom Viehhändler

Ein paar Jahre später brachte ein Viehhändler ein Kalb auf den Hof. Im Hänger aber stand auch noch ein Pony. Der elf­jährige Horst, vom Vater beauftragt, das Kalb auszuladen, liess dieses im Hänger stehen und führte stattdessen das Pony in den Stall. Seinem Vater eröffnete er: «Das Kalb brauchen wir nicht, ich behalte lieber das Pony.» Und tatsächlich: Das Pony blieb. Horst Beckers Karriere als Reiter begann mit diesem denkwürdigen Tag. Auf dem Nachbarhof erhielt er bei der Tochter, die Turniere ritt, seine ersten Reitstunden und ihm war klar: Die Pferde, das war seine Welt, sein Leben. Klar, dass er sich mit seinem ers­ten selbst verdienten Geld – der Vater hatte ihn angehalten, «etwas Anständiges» zu lernen – einen Warmblüter kaufte. Und es kam noch besser. Der frisch gebackene Schlosser, der aber dank des Grossvaters auch bes­tens mit Holz umgehen konnte, schlug seinem Vater nach einem Urlaub auf einem Pferdehof vor, auf dem elterlichen Hof einen Pensionsbetrieb aufzubauen. Und der zielstrebige junge Mann setzte sein Vorhaben in die Tat um. 30 Pferdeboxen entstanden, eigenhändig von Horst Becker erbaut – nicht zur Freude des Vaters, was schliesslich darin endete, dass Horst Becker einige Zeit später seine Heimat verliess und in Richtung Spanien aufbrach.

«Fühlen, nicht reiten»

Den grossen Pferdemenschen Jean-Claude Dysli wollte er kennenlernen, dessen Video «Lässige Eleganz» ihn so inspiriert hatte. In der Camargue aber blieb der Deutsche hängen. Über Freunde hatte er dort Bekanntschaft mit einem alten Spanier gemacht, der den jungen Horst Becker in seinem ganzen Denken und Handeln nachhaltig beeinflussen sollte. «Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich selbstbewusst, dass ich gut reiten kann – ich erlebte dann die grösste Blamage, als er mich auf einem Hengst reiten liess, den ein kleiner Junge zuvor ohne Sattel und Zaumzeug mit Leichtigkeit geritten hatte. Der alte Mann meinte nur: ‘Du musst fühlen lernen, nicht reiten’.» Horst Becker, in seiner Ehre ein bisschen gekränkt, meinte vorlaut: «Dann lernen Sie es mir doch.»

Horst Becker demonstrierte an der BEA Pferd in Bern gemeinsam mit Lebenspartnerin Melania (oben rechts) seine Arbeit vom Boden aus an verschiedenen Pferden.

Der alte Mann, offenbar auch etwas beeindruckt von der Forschheit und Wissbegierde des jungen Deutschen, ging auf dessen Forderung ein. Drei Jahre blieb Horst Becker in der Folge in der Provence und kehrte dann nach Deutschland zurück, um einer Freundin bei der Eröffnung eines Hofes behilflich zu sein. «Wenig später lernte ich meine damalige Lebenspartnerin kennen, gründete mit ihr einen Reitbetrieb – in der Lüneburger Heide notabene – jobbte zusätzlich in der Gartenbaufirma ihrer Familie und versuchte, mit Reitunterricht auf eigene Beine zu kommen.»

Die Anfänge von «Horsemanship»

Ein zunächst unreitbarer Palomino aus Spanien brachte einen weiteren Wendepunkt im Leben von Horst Becker. Er wandte sein Wissen aus der Zeit in Südfrankreich an und begann, mit dem Hengst vom Boden aus zu arbeiten. «Horsemanship war damals eigentlich noch ein Fremdwort, Freiarbeit überhaupt nicht geläufig», erinnert sich Horst Becker. Als aber ein gewisser Claus Penquitt, der ganz in der Nähe von Horst Becker lebte, den beiden zufällig bei ihrer Arbeit zusah, wurde ein grosser Stein ins Rollen gebracht. Er lud Becker und seinen Palomino ein, seine Frei­arbeit öffentlich vorzuführen. Und dann sah sich Horst Becker plötzlich mit ganz grossen Namen der Pferdeszene konfrontiert: Ursula Bruns, Klaus Balkenhol, Linda Tellington-Jones – und Fredy Knie sen., Horst Beckers grosses Idol. Mit Tränen in den Augen erinnert er sich an den grossartigen Pferdemenschen, der den Deutschen einige Zeit später für ein Training zu sich ins Winterquartier nach Rapperswil einlud. Drei Wochen durfte Becker dort bleiben, und er erinnert sich an Fredy Knies eindringliche Worte, als wäre es gestern gewesen: «Wenn Sie den Pferden Liebe geben, kommt diese Liebe zu 100 Prozent zurück.»

Von Pferdemenschen geprägt

Zwischen Fredy Knie senior und Horst Becker entwickelte sich eine gute, von der Liebe zu den Pferden geprägte Freundschaft. Während fünf Jahren fuhr er regelmässig in die Schweiz, durfte vom einzigartigen Wissen von Fredy Knie senior profitieren. «Ohne Fredy Knie senior wäre ich nie da, wo ich heute bin. Dasselbe gilt auch für Kurt Albrecht, den Direktor a.D. der Wiener Hofreitschule.» An einem Seminar hatte Becker den Wiener kennengelernt, in der Folge kam der ausgewiesene Fachmann regelmässig nach Hamburg, um Becker und dessen Schüler zu unterrichten.

Horst Becker an der BEA/Pferd 2018.

Mittlerweile hatte Horst Becker sein erstes Buch «Von der Freiheitsdressur zur Hohen Schule», dessen Vorwort von Fredy Knie sen. stammt, geschrieben und erste Lehrvideos gedreht. Dass Becker mit seinem ersten Buch im renommierten Cadmos-Verlag unterkam, verdankt er einem lustigen Zufall, als der Cadmos-Verleger Becker mit einem Lusitanohengst bei einem ungewöhnlichen Training beobachtete. Der Hengst, der zuvor grosse Angst vor Festzelten gehabt hatte, stellte sich nämlich mit seinem Trainer geduldig in die wartende Schlange mitten im Zelt. In der Folge teilten sich die beiden – Hengst und Becker – ein Radler. Und Horst Becker hatte einen Vertrag in der Tasche. Seither sind im Cadmos-Verlag vier Bücher erschienen, zuletzt sein neuestes Werk «Paraden richtig reiten». Für das ZDF war er mit seinen Pferden in den Filmen «Seelen im Feuer» und «Marie fängt Feuer» als Setcoach und Horsemaster tätig.

Umzug in die Schweiz

Inzwischen ist der Name Horst Becker in ganz Europa ein Begriff. Der Pferdemensch, der dank seiner Offenheit und seiner Wiss­begierde so viele Kontakte knüpfen konnte, gibt sein Wissen gerne weiter. Und dies – wie er betont – allen interessierten Pferdefreunden, die gerne mit ihrem Pferd weiterkommen möchten. Dabei geht es Horst Becker nicht in ers­ter Linie um den grossen Sport. Vielmehr möchte er die Beziehung zwischen Pferd und Mensch vertiefen. Um geballtes Pferdewissen für jedermann zugänglich zu machen, gründete er das «Expertenforum Pferdegerecht». Zusammen mit grossartigen Fachleuten wie Michael Geitner oder Klaus Balkenhol und erfolgreichen Tierärzten, Sattlern und Therapeuten tritt Horst Becker an den grossen Pferdemessen auf – dieses Jahr auch wieder an der BEA – und trägt massgeblich dazu bei, dass interessierte «Rösseler» auf viel Wissen an einem Ort treffen. Auf dieses Wissen dürfen die Schweizer in Zukunft noch vermehrt zurückgreifen. Gemeinsam mit seiner Schweizer Lebenspartnerin Melania Mangia wird Horst Becker seinen Lebensmittelpunkt in naher Zukunft von Süddeutschland in die Schweiz verlegen. «Ich bin schon jetzt regelmässig für Kurse in der Schweiz oder wie jetzt an der BEA in Bern zu Gast. Ich freue mich sehr, in Zukunft vermehrt hier unterrichten zu können.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 19/18)

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