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Frank Rothenberger.
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Er baut die Landschaften für Champions

16.09.2014 13:29
von  Dieter Ludwig //

Der Deutsche fing 16-jährig mit dem Parcoursbauen an, er absolvierte eine Lehre als Bereiter und bastelte in der Freizeit Hindernisse. 1980 machte er sich selbständig und gründete mit Giancarlo Cardinali die danach aufgebaute Firma CARO. Er gehört zu den besten ­Parcoursbauern der Welt, 2017 wird er 60 – dann soll Schluss sein...

Wer bei einer OS, WM oder gar EM ge­winnt oder ein grosses Championat für sich entscheidet, darüber wacht nicht zuletzt auch der Parcoursbauer. Als 1978 in der Aachener Soers der Deutsche Gerd Wiltfang den Titel holte, war der von vielen bis heute verehrte Hans-Heinrich Brinckmann der Li­nienführer, ein Mann, der auch sagte: «Kein Parcours­chef hat die Pflicht, gegen die eigene Mannschaft zu bauen, aber jeder ist an Richtlinien gebunden, die vom Weltverband herausgegeben werden.» «Micky» Brinckmann war vor dem Zweiten Weltkrieg der weltbeste Springreiter, später Bundestrainer und Parcoursgestalter, und ein Künstler dazu, ein feinsinniger Mensch. Er kannte das Geschäft wie kein anderer. Er sagte damals vor der WM in Aachen: «Sorgen bereiten nicht die ­starken, sondern die schwächeren Nationen. Es gilt vor allen Dingen, die Qualifikationsprüfungen so zu gestalten, dass sie ein Ganzes darstellen – und dennoch zur Ermittlung der vier Besten für das ­Finale dienen.» Jeder Parcoursbauer dürfe seine Arbeit als geglückt betrachten, «wenn am Ende tatsächlich die vier Besten den Endkampf erreicht haben». Sicher hänge im Springsport vieles mehr als in anderen Sportarten auch vom Glück ab, «von jenem einen berühmten Klötzchen, aber trotzdem gibt es auch in solchen Fällen eine klare Antwort auf Fragen». Sein eigene klare Aufgabenstellung: «Zufälle müssen vermieden werden, dass starke Reiter plötzlich herausfallen aufgrund falscher Aufgabenstellung, falscher Linienführung.»

Im Gespräch mit Ludger Beerbaum.

Frank Rothenberger, Jahrgang 1957, drückt sich kein bisschen anders aus. Der Ostwestfale gestaltet in Aachen seit 2001 die Hindernislandschaft. Prof. Dr. Arno Gego (GER) als sein Vorgänger im altehrwürdigen Rund der Soers hätte gerne Christa Jung auf diesem Posten gesehen, sie ist Parcourschefin seit Jahren in Mannheim. Doch er setzte sich nicht durch. Das letzte Wort sprach der damalige Präsident des Aachen-Laurensberger Renn­vereins (ALRV), Klaus Pavel, und auch Rudelführer Ludger Beerbaum wollte Frank Rothenberger mit Zollstock über den Rasen laufen sehen.

Erstes Championat

Bei den Weltreiterspielen 2006 in Aachen – 116 Teilnehmer aus 41 Nationen, 25 Teams – stellte er den Springreitern erstmals die diffizilen Denkaufgaben an einem Championat. Er sagte damals: «Natürlich gehört Glück dazu, aber ich hoffe, am Ende kommen die besten vier ins Finale mit Pferdewechsel.» Und er sagte: «Die letzte Qualifikation am Samstag vor dem Endkampf wird am schwierigsten, da wird die Intelligenz der Reiter gefragt in einem Parcours mit kniffligen Distanzen, aber auch gewaltigen Hindernissen bis zu einer Höhe von 1,60 Meter.» Und heute meint er: «Der zweite Umlauf im Preis der Nationen, einen Tag vor dem Finale, gleichzeitig ja auch eine entscheidende Qualifikation für den Einzelfinal, war das Beste, was ich jemals gebaut habe.» Bis auf die spätere Vizeweltmeisterin Beezie Madden aus den USA mit Au­thentic zählten sich die anderen drei des anstehenden Finals mit Pferdewechsel aufgrund ihrer bisherigen Fehler bereits als Verlierer, der spätere Weltmeister Jos Lansink mit dem Schimmelhengst Cumano lag nur an 40. Position, Meredith Michaels-Beerbaum mit Shutterfly auf dem 30. Rang und die Australierin Edwina Alexander versank nach dem 14. Platz mit der Stute Pialotta gar in Hoffnungslosigkeit «und checkte schon vor dem Springen aus dem Hotel aus», so Rothenberger. Sie wurde dann Vierte im Endklassement, Elizabeth Madden belegte den zweiten Rang, Meredith Michaels-Beerbaum wur­de Bronze umgehängt. ­Rothenberger hatte mit dem zweiten Umlauf sein Meisterstück hingelegt. Bis auf die Mauer «hatte jeder an irgendeinem Hindernis einen Fehler», so Rothenberger. Sein Motto: «Ein einziges Hindernis darf nicht zur totalen Fehlerquelle werden – sonst habe ich etwas falsch gemacht.»

Bereiter gelernt – Hindernisse gebastelt

Frank Rothenberger aus Bünde in Ostwestfalen absolvierte eine Bereiterlehre und löste am 1. April 1980 einen Gewerbeschein für die «Herstellung und den Vertrieb von Reit­sporthindernissen». Er hatte schon als Jugendlicher gerne mit Hindernissen in der Reithalle hantiert. Seine Idee war es auch, Hindernisse zu vermieten wie auch transportable Boxen und die entsprechenden Stallzelte dazu. Mit dem aus Ancona stammenden Giancarlo Cardinali, einem Maschinenexperten, gründete er im gleichen Jahr die Firma CARO, CArdinali-ROthenberger. Der zweite Ehemann seiner Mutter adoptierte ihn ausserdem, im Pass wurde eingetragen: Frank Rothenberger, geb. Cardinali. CARO-Hindernisse sind inzwischen in der ganzen Welt zu besichtigen, Pferde sprangen über die speziell entworfenen kunstvollen Oxer, Steilsprünge oder Gatter und künstlichen Wassergräben bei Olympia in Seoul 1988, in Barcelona, Atlanta, Sydney, Athen und Hongkong 2008, bei den Weltreiterspielen in Stockholm 1990, Jerez de la Frontera 2002 und Aachen 2006, bei vier Europameisterschaften und beim letzten Weltcupfinale in Lyon.

Frank Rothenberger mit seinem Geschäftspartner Giancarlo Cardinali.

1981 verdingte er sich bei den Parcoursbauern Hau­ke Schmidt und Olaf Petersen als Helfer. Zunächst werkelte er als «Assi», später war er selbst Parcours­chef bei grossen Ereignissen oder Technischer Delegierter im Auftrag der Internationalen Föderation (FEI), er hat bereits die ganze Welt des Spring­sports erlebt, «nur in Rom beim italienischen CSIO nicht und beim französichen Offiziellen Springreiterturnier in La Baule». Er geniesst längst weltweiten Ruf. Am 16. November 2009 wurde er in Wien als erster Deutscher beim «Fest der Pferde» mit dem Goldenen Ehrenring mit Brillanten geehrt, der seit 1989 vergeben wird. Als Parcourschef gab er so an die 15000 Mal die Richtung vor, an Hindernissen verkaufte CARO bisher rund 18000 ganz speziell konzipierte Hürden aus Holz, «aus Kunststoff wäre zu kostspielig», so Rothenberger. Was ist wichtig beim Aufbau? «Dass nichts passiert», antwortet er.

Gedanken des Olympiasiegers Romeike

Vor einigen Wochen sorgte er «für lau» beim Hausturnier des deutschen Nationenpreis-Reiters Jörg Näve im hohen Norden Deutschlands knapp vor Dänemark dafür, dass die Hindernisse am richtigen Ort standen. Dort hatte er zwei nach­haltige Unterhaltungen. Zunächst mit Holsteinerzüchtern. Denen, die ja auch so herzergreifend jammern können wie viele gut betuchte Spring­reiter, die beim Griff zum Portefeuille für eine Runde meist einen Igel in der Hand haben, unterbreitete er folgenden Vorschlag: Sie sollten sich zusammen­schliessen für eine einmalige Vorstellung ihrer jungen Springpferde auf einem Nachwuchsturnier Ende April, vorbehalten aus­schliesslich der Holsteiner- zucht, «ohne Nenngelder, jeder soll sich an den Kos­ten beteiligen, und Preisgelder sollte es auch keine geben. Lediglich Ehrenpreise». Das sollte zu einem alljährlichen internationalen Treffpunkt werden mit einem festen Termin, «das wird sich rasch in der Szene herumsprechen, und es wäre doch gelacht, wenn da die Züchter ihre bekannt guten Produkte nicht verkaufen könnten», riet er.

Rothenberger im Büro seiner Firma «CARO», die er mit seinem Geschäftspartner Giancarlo Cardinali aufbaute.

Aber er traf dort auch auf den deutschen Military-Olympiasieger Hinrich Romeike, der Springen bei Jörg Näve trainiert. Das Gespräch kam auf die Vielseitigkeit und die letzten beiden tödlichen Unfälle, in Grossbritannien und in Luhmühlen, natürlich auch auf kritische Bemerkungen von Fachleuten wie aus der Schweiz in der «Pferde­Woche». Rothenberger: «Er redete nicht drumherum, sondern sagte direkt, er könne auf Anhieb fünf tödliche Stürze in letzter Zeit aufzählen.» Romeike, auf dem Schimmel Marius mit Doppelgold in Hongkong 2008 dekoriert, führte dann aus eigener Erfahrung an, dass er mal in der Lüneburger Heide Vereinsmeister von ­Bispingen unweit von Luhmühlen geworden sei in einer Kombination aus Springen und Vielseitigkeit, im Cross hätte man Stangen in Ständerkreuze (Cavalettis) gelegt, die beim Anschlagen eben rausgefallen wären. In dieser Richtung sollte man auch in der Vielseitigkeit denken, meint Hinrich Romeike. In Richtung halbbewegliche Sprünge also.

Ab auf den eigenen Katamaran...

Frank Rothenberger, Vater von drei Kindern, eine Tochter reitet sehr ordentlich Springen, bald geschieden, sieht sich auch auf anderer Ebene und ganz anderen Problemen konfrontiert. Zum Beispiel auf der «Global Champions Tour». Die 30 Ersten der Weltrangliste haben automatisch Startrecht, dann kommen die nächsten 20, die können starten, wenn sie sich die Kosten leisten können. Doch dann warten bereits diejenigen, die sich einzukaufen vermögen. Die entsprechenden Pfer­de wurden wahrlich bereits erworben, vielen mangelt es jedoch am Können.

Inzwischen tummeln sich vor allem Reiter aus den arabischen Ölstaaten und andere Nachfahren des Geldadels bei der Globaltour. Das Mitmachen lässt sich Jan Tops als Tour-Erfinder wahrlich fürstlich vergelten. Wie Insider erzählen, habe die griechische Milliardärin Athina Onassis de Miranda (29), wahrlich keine schwache Reiterin, beispielsweise  vor zwei Jahren nicht weniger als 350000 Euro hingelegt fürs Mitmachendürfen, dabei war sie sogar noch zusätzlich Sponsorin des früheren Global-Turniers in Rio de Janeiro. Frank Rothenberger: «Die Schwierigkeit liegt für einen Parcoursbauer bei solchen Turnieren vor allem darin, dass am Ende die Besten vorne sind, aber schlechte Bilder sollen von anderen Reitern möglichst vermieden werden...»

Alles im Blick am Springderby in Hamburg.

Das zermürbt auch einen Frank Rothenberger, einer jener wenigen, die Verantwortung übernehmen dürfen laut Diplom für die Parcours bei Olympischen Spielen und internationalen Championaten sowie Weltcupfinals. Er wird deshalb auch in nächster Zeit nicht mehr jedes Wochenende irgendwo anders auf dem Globus bei Turnieren Anweisungen geben, wo ein Oxer oder Gatter oder eine Dreifache Kombination zu stehen hat. «Bisher war ich auf jedem Turnier, wo ich engagiert war, der Erste, der kam, und der Letzte, der wegfuhr», sagt er.

Rothenberger, vor dem auf seinem Schreibtisch auch eine Hantel liegt und er sich mit dem Stück Eisen auch zu beschäftigen hat («weil ich vor fünf Jahren beim Skilaufen die rechte Schulter brach»), möchte seine Tätigkeit total zurückschrauben, «auf nur noch zwölf Turniere im Jahr», so 2015 im Januar Leipzig, im Februar Villach, im März Göteborg, im April Paris «Grand Palais», im Mai Grand Slam in Aachen und Derby-Veranstaltung in Hamburg, im Juni Deutsche Meisterschaften in Balve, im Juli Villach, im August die Europameisterschaft in Aachen, im September Global Tour in Wien, im Oktober den CSI in Kiel und im November Lyon oder München mit der Riders Tour.

Die Hantel benötigt Rothenberger: «…weil ich mir beim ­Skifahren die Schulter gebrochen habe.»

Gerne wäre er noch verantwortlich bei den Olympischen Reiterspielen 2016 in Rio de Janeiro («wäre mein Traum»), und 2017 im Anschluss an den Grossen Preis der Springreiter beim CHIO von Deutschland in Aachen «möchte ich mit einer grossen Fete Abschied nehmen als Parcoursbauer – und sagen: Ich werde bald 60 – aber jetzt nichts wie weg, ab zum Hafen auf meinen eigenen Katamaran...». Hochsee-Segeln, das ist nämlich das grosse Hobby des Frank Rothenberger.

Rothenberger mit FEI-Präsidentin Prinzessin Haya von Jordanien an den Weltreiterspielen 2006 in Aachen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 37/2014)

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