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Edouard Schmitz.
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Erfahrung und Motivation

05.06.2018 11:47
von  Sascha P. Dubach //

Der Genfer Nachwuchsspringreiter Edouard Schmitz erhielt nach seinem Sieg in der Championatsprüfung in Aarberg von Equipenchef Andy Kistler das Aufgebot  für den CSIO in St. Gallen. Damit ging für den 18-jährigen ETH-Studenten ein grosser Traum in Erfüllung.


Er hat trotz seinem jugendlichen Alter in seiner Reit­sportkarriere schon viel erlebt und erreicht. Und dies, obwohl Edouard Schmitz das Reiten nicht in die Wiege gelegt wurde. «Meine Mutter ritt, als sie klein war, hat dann aber aus Sicherheitsgründen aufgehört», erzählt «Edi» – so einer seiner Spitznamen – während dem CSIO auf dem St. Galler Gründenmoos. Fast wäre aus ihm kein Reiter, dafür ein guter Skifahrer geworden. Auch Fussball spielte eine gewichtige Rolle. «Doch bei meinem ersten Match habe ich ein Eigentor geschossen. Mein damaliger Trainer war richtig sauer und ich hatte derart ‘Schiss’, dass ich danach nicht mehr ins Training gegangen bin.» Da war Edi erst etwa sechs Jahre alt. Er fuhr in der Wintersaison bereits gut Ski, muss­te dann aber auf Geheiss von seiner Mutter auch im Sommer einen Sport aus­üben. «So bin ich zum Reiten gekommen, was ich eigentlich auch immer woll­te.» Seine Mutter war damit zuerst nicht einverstanden – er durfte dann aber dennoch in den Sattel steigen. Zu Hause in Vandoeuvres am Genfersee schloss er sich einem örtlichen Reitclub an und nahm Stunden. Mit zehn Jahren erhielt er sein erstes eigenes Pony und begann, an Springprüfungen teilzunehmen.
In der Ponyzeit nahm er an nationalen Championaten und sogar Europameisterschaften teil. «Die Schweizer Meisterschaften waren nicht so mein Ding, da konnte ich nie auf das Podest steigen», erzählt Edi – übrigens als Genfer in perfektem Schweizerdeutsch. «Das habe ich von meinen Eltern, mein Vater ist halb Zürcher und halb Genfer, meine Mutter halb Deutsche und halb Waadtländerin.»

Grosse Entscheidung
Der sportliche Weg von Schmitz – dessen jüngere Schwester Olivia auch reitet, während der ebenfalls jüngere Bruder Georges lieber Eishockey spielt – hätte auch in eine ganz andere Richtung verlaufen können. Denn in den Wintermonaten trainierte er weiterhin im «Skizirkus». «Im regionalen Leistungszentrum Bern war Michael von Grünigen unser Trainer. Und ich konnte dort viel von ihm profitieren.» Bis Edi 13 Jahre alt war, nahm er beispielsweise auch regelmässig am «Grand Prix Migros» teil und klassierte sich dort im Feld von rund 120 Jugendlichen aus der ganzen Schweiz dreimal in den Top Ten. Dieses Nachwuchsrennen bestritten auch schon Grössen wie Lara Gut, Wendi Holdener, Didier Cuche oder Carlo Janka.

Topresultat im Grossen Jagdspringen mit der 15-jährigen Niederländerstute Worissa’s Whinny.


Der junge Schmitz stand dann vor einer grossen Entscheidung. Denn hätte er sich für eine Skikarriere entschieden, hätte er fix nach Bern zügeln müssen. Es war ihm dann aber doch zu früh, das elterliche Haus zu verlassen und so entschied er sich voll und ganz auf einen reiterlichen Werdegang. Während rund sechs Jahren wurde er von Thierry Paillot trainiert, eroberte in seiner Juniorenzeit zweimal den Schweizermeistertitel und konnte an etlichen Turnieren auf sich aufmerksam machen.

Umzug vor einem Jahr
Es stand aber noch eine weitere wichtige Entscheidung in seinem Leben an. Was und wo studieren? Schmitz entschied sich für ein Studium als Maschinenbauingenieur. «Da kam nur Lausanne und Zürich in Frage. Und da ich mein Deutsch reaktivieren res­pektive aufbessern wollte, entschied ich mich für die ETH Zürich.» Doch nicht nur dieser Fakt spielte eine Rolle. «Ich wollte auch etwas Neues wagen, neue Leute kennenlernen.» Fast genau vor einem Jahr baute er seine «Zelte» in der Zwinglistadt auf. Aber auch reiterlich wollte er nicht stehen bleiben und suchte für sich und seine Vierbeiner eine Bleibe, die er dann im Stall von Martin Fuchs im thurgauischen Wängi gefunden hat. Und ebenfalls seit einem Jahr ist nun Thomas Fuchs sein Trainer. «Das war in allen Belangen eine gute Entscheidung. Ich glaube auch, man merkt, dass ich bei Thomas trainiere, wenn man meine jüngsten Resultate betrachtet», schmunzelt er. «Ich habe das Glück, dass ich ab und zu ein Pferd von Thomas erhalte, um in Prüfungen zu starten. Es ist eine intensive Zusammenarbeit – man muss bei ihm aber auch einen ‘harten Nacken’ haben. Dafür lernt man aber auch enorm viel. Ich hätte nie gedacht, dass ich in nur einem Jahr reiterlich einen derart grossen Sprung nach vorne machen könnte.»

CSIO-Aufgebot
Seine jüngsten Erfolge, wie beispielsweise der dritte GP-Platz im Nachwuchs-CSIO in Fontainebleau – wo Mitte Juli auch die Euro­pameisterschaften stattfinden werden – oder der Sieg in der SM-Qualifikationsprüfung in Aarberg, sind nicht ungeachtet geblieben. «Nach meinem Sieg in Aarberg ist Equipenchef Andy Kistler zu mir gekommen und hat mich direkt für den CSIO St. Gallen aufgeboten. Damit hätte ich nie gerechnet. Es war eine riesengrosse Überraschung», so Edi, der darauf gleich seine Grosseltern und Eltern anrief und sie darüber informierte. Für ihn ging ein Traum in Erfüllung. Er durfte zwar schon einmal am CHI5* Genf mit einer Wildcard starten, dort aber nur in kleinen Rahmenprüfungen in der Kategorie U25. Nebst Genf zählt nun natürlich auch der CSIO St. Gallen zu seinen Lieblingsturnieren. «Es ist unglaublich auf diesem riesigen Grasplatz. Als Schweizer ist es ein absoluter Wahnsinn, hier reiten zu dürfen.»

Parcoursbegehung mit Trainer Thomas Fuchs.


Schmitz profitiert im Moment viel von Thomas Fuchs, bewundert aber auch die Aushängeschilder wie Steve Guerdat. «Aber auch Techniker wie der US-Amerikaner McLain Ward.» Er sei schon sehr beeindruckt von den Spitzencracks, aber vielleicht auch etwas zu scheu, um sich ständig Tipps von arrivierten Reitern zu holen. «Ich lerne lieber, wenn ich sie einfach nur beobachte.»
Aktuell kann der Genfer auf zwei tolle Vierbeiner zählen. Zum einen auf den elfjährigen braunen Holsteinerwallach Cortino V und zum anderen auf die 15-jährige Niederländerstute Worissa’s Whinny. «Cortino ist mein Liebling. Als ich ihn übernahm, war er sieben Jahre alt und ich 15. Wir sind gemeinsam ‘erwachsen’ geworden. Er ist vielleicht etwas unförmig, bringt aber alle Qualitäten mit sich, die es braucht.» Die Stute hingegen reitet er noch nicht so lange und sie sei sehr diffizil. «Eine richtige Dame, mit der man höflich sein muss. Aber sie hat ein riesiges Herz.» Beide Pferde sind Familienbesitz. Schmitz blickt grundsätzlich zufrieden auf seinen ers­ten Einsatz am CSIO zurück. «Es ist vielleicht nicht mein bestes Weekend, aber ich bin ganz zufrieden. Vor allem auf den 15. Platz mit Worissa’s Whinny im Grossen Jagdspringen, denn ohne den Abwurf hätte es sogar für den vierten Platz gereicht. Zudem verzeichnete ich mit Cortino in einer 150er-Prüfung auch nur einen Abwurf.» Vom Auftritt im Gründenmoos nimmt Schmitz vor allem Erfahrung und Motivation mit. In puncto Zukunftsplanung möchte er sich jedoch noch nicht zu sehr aus dem Fenster wagen. «Ich habe erst mit dem Studium begonnen, im August sind die ers­ten Prüfungen und dann geht es nochmals zwei Jahre. Im Moment weiss ich noch nicht genau, was mir die Zukunft bringt oder wie ich mich entwickeln möchte. Der gröss­te Teil von mir will sicherlich einmal Profireiter werden. Doch im Moment geniesst das Studium noch die höhere Priorität.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 22/2018)

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