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Edwina Tops-Alexander.
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«Es schien, als ob es nie passieren würde»

29.01.2019 09:05
von  Ruth Müller //

Edwina Tops-Alexander ist seit Jahren eine der erfolgreichsten Springreiterinnen und mit 3,9 Millionen Euro gewonnenem Preisgeld die Grossverdienerin in der Global Champions Tour. Mit ihrem strahlenden Lächeln und dem edlen Loro-Piana-Outfit gilt die zierliche Australierin als Stilikone. Vor eineinhalb Jahren ging der Lebenswunsch der Ehefrau von Jan Tops in Erfüllung: Sie wurde Mutter von Töchterchen Chloe. Auch nach ihrer Babypause reitet die 44-Jährige auf einer Erfolgswelle. Im Interview anlässlich des CSI Basel sprach sie über Herausforderungen, Glücksgefühle und Ziele.

«PferdeWoche»: Ende 2018 gelang Ihnen in Paris, La Coruña und Prag eine beeindruckende Serie von GP-Siegen. Was möchten Sie in diesem Jahr erreichen?
Edwina Tops-Alexander: Ich würde allzu gerne wieder die Gesamtwertung der Global Champions Tour gewinnen. Das ist mir bereits zwei Mal gelungen. Mit meinen tollen Pferden möchte ich mein Bestes geben sowie die Nachwuchspferde weiter aufbauen und an grössere Aufgaben heranführen.

2012 gewann Edwina Tops-Alexander die GCT-Gesamtwerung.

Und was ist Ihr sportliches Lebensziel?
Das Grösste wäre eine Olympia-Goldmedaille.

Dazu braucht es ein Top­pferd. Sie haben gleich mehrere Ausnahmekönner unter dem Sattel. Wie viele Grand-Prix-Pferde haben Sie derzeit?
Drei – California, Inca Boy und Vinchester, der das quasi über Nacht geworden ist, mit seinem Weltcupsieg in La Coruña. Ich hätte nicht erwartet, dass das so schnell geht mit ihm. Es war erst unser sechstes gemeinsames Turnier, und er neu auf diesem Level unterwegs. Er ist erst zehn Jahre alt und immer noch ziemlich grün.

Wie beschreiben Sie Ihre Beziehung zu ihnen?
Ich liebe sie und habe eine grossartige Verbindung mit ihnen. Pferde haben einen unglaublichen Instinkt, sie sind feinfühlig und fühlen dich als Reiter. Ich glaube, auch Frauen verfügen über ein spezielles Einfühlungsvermögen. Jedes Pferd ist einzigartig. Ich versuche, seine Individualität nicht zu stark zu verändern, sondern einen Kompromiss mit ihm zu finden.

Wie sieht dieser Kompromiss aus?
Ich möchte mich dem Pferd anpassen und es dazu bringen, sich auf mein Sys­tem einzustellen. Manchmal geht das schnell, manchmal dauert es länger, als mir lieb ist. Ich bin weder gross noch stark. Vielmehr habe ich mein eigenes Vorgehen, indem ich die Balance zwischen der Natürlichkeit des Pferdes und dem Formen des Pferdes behalte.

Traumpaar: Edwina Tops-Alexander und Itôt du Château (hier am CHI Genf).

Wie geht das?
Indem ich die Pferde gezielt ausbilde und an Schwachpunkten arbeite. Ich springe sie nicht oft, eigentlich nur speziell vor einem Turnier. Im Training lege ich Wert auf das Verbessern von Fit­ness und Rittigkeit. Früher meinten jene, die ihre Pfer­de auf ihren Reitstil trimmten, ich würde zu viele Kompromisse machen. Für mich aber ist wichtig, dass das Gefühl zwischen Pferd und Reiter stimmt.

Welche Momente sind besonders schön?
Wenn ich in den Parcours reite und mich eins fühle mit dem Pferd. Wenn ich nur denken muss, wohin ich reiten will und es einfach passiert. Ich denke, rechts wenden und das Pferd denkt das Gleiche. Dass wir eine Einheit bilden, erlebte ich mit all meinen besten Pferden. Diese Verbindung ist schwierig zu erreichen, aber wenn man sie hat, ist das sehr beglückend. Die Dinge werden dann einfach.

Eine besondere Beziehung hatten Sie zu Itôt du Château ...
Oh ja, «Toti» ritt ich wäh­rend sieben Jahren im Top-sport. Mit ihm gewann ich so viel, es war magisch. Wir kauften das Pferd von Michel Hécart, ohne es vorher auszuprobieren. Das war nicht nötig, wir verstanden uns sofort und passten einfach perfekt zusammen.

Was macht der prominente Pferderentner heute?
Wir behalten unsere Pferde, wenn sie alt werden, und bieten ihnen einen schönen Ruhestand. «Toti» und Socrates geniessen ihr Rentnerleben, sie sind im gleichen Stalltrakt. Auch meinem ersten Toppferd Pialotta, die nach ihrer Sportkarriere einige tolle Fohlen zur Welt brach­te, geht es gut. Sie ist jetzt 28, steht in Frankreich und sieht fantastisch aus.

Zum Glück sind Sie Ihrer Linie treu geblieben. Ihre Erfolge sprechen für sich …
In meine Art zu Reiten habe ich grosses Vertrauen. Zudem kenne ich keine Angst. Dass ich Jan an meiner Seite habe, der immer voll und ganz zu mir hält, an mich glaubt und mich enorm unterstützt, gibt mir viel Zuversicht. Es ist alles leichter mit jemandem, der so positiv und fokussiert ist. Sein Sys­tem funktioniert offensichtlich gut. Und auch mit all den anderen Reitern, die er hervorgebracht hat. Er versteht es, zu kommunizieren und ist sehr gefühlvoll. Ihm entgeht einfach nichts.

Immer an Edwina Tops-Alexanders Seite: Ehemann Jan Tops.

Was treibt Sie an?
Wie alle Spitzenreiter liebe ich die Herausforderung, schnell zu reiten und zu siegen. In unserem Sport ist man heute der Held und morgen der Verlierer. Das macht das Ganze so spannend. Alle Reiter haben Höhen und Tiefen, gute und schlechte Zeiten. Wäre es so einfach, würden wir es vermutlich nicht machen. Ich mag es, wenn sich am Turnier herausstellt, dass ich meine Hausaufgaben gemacht habe. Gute Pferde reiten zu dürfen und Erfolg zu haben, lohnt den grossen Aufwand. Wenn man gewinnt, sieht alles leicht aus. Wenn man nicht gewinnt, muss man rekapitulieren und etwas daraus lernen.

Macht das auch Spass?
Ja, mir gefällt auch diese Sei-te des Sports. Wenn es nicht nach Wunsch läuft, gehe ich nach Hause und stelle die Dinge richtig. Ich bin streng mit mir selber, hinterfrage und prüfe mich. Auch beobachte ich die anderen Reiter und schaue, wo ich etwas verbessern kann. Wenn ich gute Tipps erhalte, versuche ich, diese umzusetzen.

Sie sind am 30. Juli 2017 mit 43 Jahren relativ spät erstmals Mutter geworden. Wie fühlt sich das an?
Grossartig, denn ebenso fest, wie ich den Sport liebe, möchte ich auch etwas für die Zukunft haben, jemandem etwas weitergeben. Ich konnte immer gut mit Kindern. Als ich noch in Australien war, erteilte ich an der Universität Sportunterricht und schätzte die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sehr. Selber ein Kind zu haben, war etwas, das ich eines Tages wollte. Aber alles nahm seinen Lauf und es schien, als ob es nie passieren würde.

Edwina Tops-Alexander mit Töchterchen Chloe.

Der Reitsport ist anspruchsvoll, zeitintensiv und anstrengend. Auf uns las­tet viel Druck, um die Position in der Weltrangliste zu wahren. Ich ritt viele gute Pferde, nie war die richtige Zeit für eine Pause. Immer, wenn ich dachte, jetzt läge eine drin, kam ein super Pferd und ich fokussierte mich wieder auf den Sport.

Ein Glück, dass es doch noch geklappt hat ...
Ja, ich habe nie so intensiv darüber nachgedacht, dass die Uhr tickt, bis ich etwa 40 war. Auch realisierte ich nicht, wie schwierig es für Frauen in meinem Alter sein kann, überhaupt schwanger zu werden. Ich begann, mir Sorgen zu machen. Und dachte schon, ich würde wohl nie ein Kind haben. Plötzlich war ich schwanger, was mir wie ein Wunder vorkam. Ich war überglücklich, ohne eine Ahnung zu haben, was mich jetzt erwartet.

Machten Sie sich viele Gedanken über die Zukunft?
Sicher, als Frau hört man so viele Dinge: Ein Kind wird dein Leben total verändern, du wirst viel weniger Zeit haben, du wirst nicht mehr machen können, was du möchtest. Und auch, dass Frauen nie mehr dieselben sind, wenn sie nach der Babypause in den Sport zu­rückkehren. Jedoch gibt es fantastische Reiterinnen mit Kindern: Luciana Diniz, Malin Baryard-Johnsson, Péné­lope Leprévost und Meredith Michaels-Beerbaum. Alle haben ihren eigenen Weg gefunden. Und ich glaubte, es auch zu schaffen, alles unter einen Hut zu bringen. Jetzt weiss ich: Meine Zukunft schaut sicherlich besser aus, sportlich und persönlich.

Sie starteten äusserst erfolgreich in Ihre Babypause …
Lange behielt ich die Schwangerschaft für mich, sprach erst darüber, als ich aufhörte mit Reiten. Das war nach meinem GP-Sieg mit California beim CSI Paris Mitte März. Da war ich bereits in der 19. Woche. Ich genoss dann eine entspannte Schwangerschaft, ohne Angst, dass etwas schiefgehen könnte.

Vier Monate später brachten Sie die kleine Chloe zur Welt. Wie haben Sie Ihr neues Leben organisiert?
Ich verbringe so viel Zeit wie möglich mit Chloe. Ich liebe es, mit ihr zusammen zu sein. Und habe grosse Unterstützung von Team und Familie. Es kommt da­rauf an, wo wir und die Pferde sind, ob in Monaco oder in Valkenswaard und welches Programm ansteht. In der Regel manage ich es so: Ich reite am Vormittag und bin zum Mittagessen fertig. Ich koche sehr gerne. Dann verbringen wir den ganzen Nachmittag mitei­nander. Zwischendurch che­cke ich E-Mails und erledige andere Arbeiten. Und bin dann wieder mit Chloe, bis sie schlafen geht. Da wir sehr viel unterwegs sind und es bei den Turnieren oft spät wird, schätze ich es, so viel wie möglich zu Hause zu sein. Es ist ein Balanceakt, bisher klappt das ganz gut. Das Wichtigste für mich ist, dass es ihr gut geht, sie sich wohlfühlt und ich alles or­ganisiert habe. Ein Kindermädchen unterstützt uns, damit Chloe mit uns zu den Turnieren reisen kann.

Wird sie dereinst auch eine Reiterin?
Sie ist ganz verrückt nach Pferden, geniesst es, auf ihrem Rücken zu sitzen, gemeinsam mit mir. Und sie hat schon ein eigenes Pony: Minimilton, ein Schimmel, den sie mit einem Strahlen im Gesicht im Schritt reitet. Man weiss nie, was später sein wird. Falls sie etwas anderes machen möchte, ist das okay, Eltern können nichts erzwingen. Den Reit­sport muss man lieben, er ist mehr als ein Hobby oder ein Beruf. Dieser Lebensstil fordert grosse Hingabe. Man ist nur gut, wenn man etwas wirklich liebt. Ich möchte herausfinden, was Chloe am liebsten macht in ihrer Zukunft.

Sie gelten als starke Frau, die sich mit 24 Jahren von Australien nach Europa aufmachte, um ihren Traum zu leben ...
Ja, es ist mir wichtig, nie zu vergessen, wo ich herkomme und bodenständig zu bleiben. Ich weiss, was es alles brauchte, um an die Spitze zu kommen und dass es nicht einfach ist. Aber ich habe erlebt, dass alles möglich ist, wenn man fest dran glaubt und all seine Leidenschaft reingibt. Es ist mir wichtig, ein gutes Vorbild zu sein und den Leuten Hoffnung zu machen, dass auch sie es schaffen können.

Was macht Sie glücklich?
Ich darf mich sehr glücklich schätzen und bin mir bewusst, dass ich privilegiert bin. Ohne diese fantasti-
sch­en Pferde und unser Team, das füreinander einsteht, wäre meine Karriere nicht möglich gewesen. Und Gewinnen ist nicht alles. Auch Gedanken an meine spätere Zeit mit Jan und Chloe erfüllen mich mit Glück. Ich weiss nicht, was ich in zehn Jahren tun werde. Wer weiss, was Tolles auf uns wartet, ich freue mich da­rauf. Ein Kind zu haben, relativiert gewisse Dinge, zum Beispiel, wenn man im Parcours eine Stange am Boden hat. Ich weiss nun: Es gibt noch etwas anderes Wichtiges in meinem Leben.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 4/2019)

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