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Selbst an kalten Wintertagen haben Markus, Jessica und Nadja Kessler beim Training ein Lächeln im Gesicht, denn die Arbeit mit den Rennpferden ist für alle ein Herzensding.
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Familiensache Pferderennsport

22.01.2019 11:31
von  Barbara Würmli //

Für die ganze Familie Kessler ist der Pferderennsport eine Herzensangelegenheit und ein Leben ohne Rennpferde und -ponys können sie sich nicht vorstellen. Damit sie ihre Passion intensiv leben können, braucht es den vollen Einsatz aller, 365 Tage im Jahr. Vielleicht ist die Liebe zu Pferden oder im Falle der Familie Kessler zu den Pferden und zum Pferderennsport tatsächlich vererbbar. Denn schon Mutter Ursula und Vater Markus wurden in Familien geboren, in denen die schnellen Pferde einen wichtigen Stellenwert hatten.

Ursulas Vater Hans-Ueli Gerber war Besitzertrainer und fuhr auch selber Trabrennen. Noch heute ist er als Besitzer aktiv. Die klei­ne Ursi lernte auf den familien­eigenen Ponys und Pferden reiten und war begeistert von den schon damals durchgeführten Ponyrennen. Kein Wunder, dass sie sich auch heute noch für die Ponyrennen engagiert und selber Rennponys hält. In den 80er-Jahren absolvierte sie auch die Trabfahrerli­zenz und bestritt einige Rennen als Amateurfahrerin. Die Situation in Markus’ Familie war in etwa die gleiche wie in Ursulas. Mit dem Unterschied, dass Markus Eltern Galopprennpferde besassen. Er blickt zurück: «Bereits mit 15 Jahren machte ich die Amateurrennreiterlizenz und ritt viele Jahre Flach- und Hindernisrennen. Allerdings war meine Karriere von verschiedenen Verletzungen geprägt, was mich immer wieder zu Pausen zwang.» Trotzdem konnte er als Reiter über 20 Siege feiern. Heute ist Markus Besitzer-Trainer und trainiert die drei aktuellen Familienrennpferde Power Primus, Simple Affaire und Urquiro.

Gemeinsames Hobby verbindet

Dass in der Schweiz viele gemischte Renntage mit Galopp- und Trabrennen stattfinden, war wohl ein wichtiger Faktor, damit sich Ursula und Markus finden konnten. Sie lernten sich auf der Rennbahn kennen und Ursi begann, sich auch für die Galopper zu interessieren. Sie ritt oft im Training bei Kesslers mit. Als Markus 1988 bei einem Sturz in einem Cross-Country einen komplizierten Beinbruch erlitt und den Sport an den Nagel hängen wollte, war sie es, die ihn davon abhielt. Ursula erzählt: «Ich ritt unbeirrt weiter im Training mit und versuchte, Markus mit meinem Enthusiasmus wieder für den Galoppsport zu begeis­tern.» Das gelang und die beiden kauften sich das ers­te gemeinsame Rennpferd Abolitionist.

Egal ob Erster, Dritter oder auch Sechster – die Familie Kessler freut sich gemeinsam über jede gute Leistung ihrer Pferde.

Ein Jahr später übernahmen sie die Rennfarben von Markus’ Vater und kauften ein Einfamilienhaus in Niederbipp. In Eigenregie und mit der Unterstützung der Familien Gerber und Kessler wurde noch ein Pferdestall mit drei Boxen angebaut.

Töchter genauso begeistert

Jessica (23) und Nadja (21), die beiden Töchter von Ursula und Markus, kennen ein Leben ohne Rennpferde und Rennpo­nys gar nicht. Nadja erzählt schmunzelnd: «Lustigerweise fand ich als ganz kleines Mädchen unser damaliges, sehr zuverlässiges Rennpferd Bogus Trumper viel interessanter als unsere Ponys. Als es 2005 in der Schweiz mit den fast professionell organisierten Ponyrennen losging, fuhren Jessica und ich aber begeis­tert Ponytrab- und ritten -galopprennen.»

Die Kesslers – eine Familie im Gleichschritt.

Nadja reitet heute im Amateurstatus Galopprennen bei den Grossen und durfte dieses Jahr mit Simple Affaire ihren ersten Sieg feiern. Zudem ist sie im Rennreiterverband aktiv. Jessica reitet täglich im Training mit und engagiert sich im Vorstand des Ponyrennclubs Schweiz. An den Rennen betreut sie die familieneigenen Vollblüter und Ponys jeweils als Führerin und Groom.

Pferde sind nur Hobby

Kesslers betonen, dass sie ihr Hobby als ganze Familie betreiben. Wobei «Hobby» bei drei Rennpferden und vier Ponys eine Untertreibung ist. Denn es braucht den vollen Einsatz von allen vieren, damit neben den beruflichen Tätigkeiten der Rennsport erfolgreich betrieben werden kann. Mutter Ursula sagt dazu: «Ich arbeite im Teilzeitpensum und kümmere mich um Haus, Stall und Garten. Bei Markus und mir sind Power Primus, Urquiro und die Ponys Benjamin, Basil und Muus untergebracht. Zudem essen hier mittags alle zusammen, quasi in der Betriebszentrale.»

Für Nadja Kessler ist es ein Privileg, dass sie alle Ritte auf den familieneigenen Pferden absolvieren darf. Ohne eigene Galopper wäre es für sie als Amateurrennreiterin schwierig, zu so vielen Einsätzen zu kommen.

Nadja habe das nahe gelegene und von der Familie selber renovierte Bauernhaus von Markus’ Eltern übernommen, als diese ins Altersheim wechselten, erzählt Ursula weiter. Nadja wohnt dort mit Simple Affaire und Pony Marvin und auch die kleine Trainingsrennbahn befindet sich auf diesem Grundstück. An beiden Standorten stehen den Vierbeinern Boxen mit Allwetterauslauf und Weiden zur Verfügung. Jessica wohnt in einer eigenen Wohnung, auch in Niederbipp.

Ständig zusammen

Obwohl die erwachsenen Töchter allein wohnen, ist die Familie viel zusammen. Die Eltern und Jessica arbeiten sogar alle drei bei Pneu Bögli AG in Zuchwil. Markus und Jessica im Vollzeitpensum. Nadja arbeitet 80 Prozent bei der Firma Vivell Schwimmbadtechnik in Kappel. «Ich habe mein Pensum reduziert, damit ich neben dem Training zu Hause auch noch einmal pro Woche bei Trainer An­dreas Schärer in Dielsdorf in der Morgenarbeit verschiedene Pferde reiten und zusätzliche Erfahrung sammeln kann», erläutert sie. Da alle vier Kesslers sehr viel Zeit miteinander verbringen, stellt sich die Frage, ob es da nicht öfters zu Reibereien kommt. Jessica meint: «Es gibt schon Meinungsverschiedenheiten und da kann es auch einmal laut werden. Wir können die Konflikte aber immer lösen, denn die gemeinsame Leidenschaft für den Pferdesport ist immer grösser als die Differenzen.»

Sehr ausgefüllte Tage

Die Werktage sind für die ganze Familie sehr intensiv. Vater und Trainer Markus Kessler beschreibt den Ablauf: «Im Sommer reiten Jessica, Nadja und ich die drei Vollblüter jeweils am Morgen vor der Arbeit. Da beginnt der Tag bereits um vier Uhr mit Füttern und Misten. Da wir alle einen kurzen Arbeitsweg haben, sind wir um sieben Uhr aber bereits an unseren Arbeitsplätzen.» Am Mittag werden die Pferde und Ponys an den zwei Domizilen gefüttert und die Familie isst zusammen. Abends nach der Arbeit erledigen alle zusammen den Abendstall, bewegen die Ponys und vom Herbst bis und mit Frühling werden dann auch die Galopper geritten. Damit sind die Tage aber nicht zu Ende.

Die Kessler-Ladys freuten sich gemeinsam über den ersten Karrieresieg von Nadja mit Simple Affaire in Aarau.

Am späteren Abend kümmert sich Mutter Ursula um den Haushalt und die administrativen Dinge. Jessica und Nadja engagieren sich meistens für ihre Ämter beim Ponyrennclub und beim Rennreiterverband und Vater Markus macht Instandhaltungsarbeiten an den Ställen und den Maschinen, erledigt die Bahnpflege, die Mistentsorgung und was sonst noch anfällt.

Ferien gibt es nicht

Ob es denn für einzelne Familienmitglieder möglich sei, auch einmal eine Woche Ferien zu machen, beantworten Kesslers mit einem klaren Nein. Ursula dazu: «Markus und ich fahren zwischendurch einmal für zwei Tage zum Ausspannen in einen Kurort wie Leukerbad und die Mädchen besuchen gerne Rennbahnen im Ausland. Es sind aber immer nur kurze Trips möglich.» Das geht für die gan­ze Familie in Ordnung. Sie sehen es pragmatisch: «Wir wollen alle den Rennsport nicht missen. Um ihn in diesem Masse auszuüben, wie wir es tun, braucht es uns alle. Es ist nicht möglich, auf jemanden zu verzichten.»
Schicksalsschlag gemeistert
Wie schwierig es ist, auf ein Familienmitglied bei der täglich anfallenden Arbeit zu verzichten, haben Kess­lers diesen Sommer erlebt. Jessica stürzte im Training unglücklich und musste sich am Rücken operieren lassen. Sie fiel als Reiterin und für schwere Arbeiten bis im Spätherbst aus. Trainer Markus ernst: «Dieses Unglück warf uns aus der Bahn. Wir mussten improvisieren, uns längerfristig neu organisieren. Dank der Hilfe von Freunden und dem Zusammenhalt unserer Familie haben wir aber auch diese schwierige Zeit gemeistert.» Inzwischen geht es Jessica wieder so gut, dass sie an den Winterausritten teilhaben kann.

Erfolgreiche Saison

Trotz dem Unfall von Jessica war die vergangene Saison für Kesslers eine erfolgreiche. Überstrahlt wurde alles vom Sieg von Simple Affaire und Nadja in Aarau. Es war der erste seit 2012 und der erste mit Nadja als Reiterin. Diese ist noch immer gerührt: «Der Sieg war das absolute Highlight und wir erinnern uns gerne an diesen sehr emotionalen Tag zurück. Die drei Galopper konnten mit mir im Sattel aber noch weitere elf Platzierungen unter den ersten sechs erreichen. Und auch unsere Ponys Marvin (Galopp) und Muus (Trab) zeigten mit ihren Ponykindern schöne Leistungen.» Und so soll es im nächsten Jahr weitergehen. Für die Zukunft hat die Familie Kessler nur einen gemeinsamen Wunsch: «Dass unsere Pferde und die ganze Familie gesund bleiben und wir unser geliebtes Hobby noch sehr lange ausüben dürfen.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 3/2019)

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