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Der Reitstall, den der Mann betreibt, liegt mitten im Thurgau.
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«Gebt diesem Mann kein Geld»

09.05.2017 13:10
von  Ida Sandl //

Warum ist dieser Mann noch auf freiem Fuss? Er leiht sich Geld von Menschen, die ihm vertrauen, und zahlt es nicht zurück. Die Vermieterin hat seit einem Jahr keinen Rappen mehr von ihm gesehen. Gemäss Betreibungsregisterauszug hat er Schulden von eineinhalb Millionen Franken. Scheinbar unbekümmert pumpt er aber nach wie vor Leute an. Der Mann, um den es geht, kam vor etwa zwei Jahren in den Thurgau, er betreibt hier einen Reitstall. Die Besitzerin der Anlage versucht seit einem Jahr, ihren unliebsamen Mieter loszuwerden. Doch er ist noch immer da. «Das Gericht erklärte uns, die Kaution müsse zuerst für die Miete aufgebraucht sein», sagt die Frau. Das war im Oktober der Fall. Vor gut einem Monat hat das Bezirksgericht Weinfelden eine Mietausweisung verfügt. Doch der hartnäckige Mieter zog weiter vor die nächs­te Instanz. Das Obergericht wird im Mai über die Mietausweisung entscheiden. Zum konkreten Fall kann Gerichtssprecher Thomas Soliva nichts sagen. Aber: Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, das Bundesgericht anzurufen.

Zwölf Anzeigen aus dem Thurgau

Für die Vermieterin wäre das ein Desaster: «Wir verlieren jeden Tag Geld.» Die Miete werde gebraucht, um die Hypothek für den Reitstall zu bezahlen. «Wir sind keine reichen Leute.» Und selbst wenn er ausgezogen ist: Die Schäden, die der miss­liebige Mieter hinterlässt, muss sie aus eigener Tasche berappen. Die Kaution ist ja weg. Ausserdem zahle sie jeden Monat eine hohe Wasserrechnung, sagt die Reitstallbesitzerin. Sie bringe es nicht übers Herz, die Pferde dursten zu lassen. «Das Wasser wäre sonst schon abgestellt.» Lange stehe sie den finanziellen Engpass aber nicht mehr durch. «Wenn er nicht bald geht, reisst er uns mit in den Abgrund.» Die Vermieterin ist nicht die Einzige, die sich von dem Mann betrogen fühlt. Zwölf Anzeigen gingen gegen ihn bei der Kantonspolizei Thurgau ein, sagt Mediensprecher Matthias Graf. Die Anzeigen wurden von der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte in Bern übernommen. Sie führt ein Strafverfahren gegen den Reitstallbetreiber wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung und weiterer Delikte.

Vor Kurzem bekamen einige Gläubiger Post aus Bern. Die Staatsanwaltschaft frag­te sie an, ob sie mit einem abgekürzten Verfahren gegen ihren Schuldner einverstanden seien. «Da nicht alle Privatkläger zugestimmt haben, ist das abgekürzte Verfahren gescheitert», sagt Markus Scholl von der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität.

Die Strafe war den Gläubigern zu milde

Auch Martin Hofmann aus Eggethof war gegen das abgekürzte Verfahren. Das Urteil sei viel zu milde gewesen. Lediglich ein halbes Jahr hätte der Mann absitzen sollen. Der Rest der Strafe wäre auf Bewährung gewesen. Nun droht dem Reitstallbetreiber ein ordentliches Gerichtsverfahren. Im Mai werde gegen ihn beim Wirtschaftsgericht Strafanzeige erhoben, sagt Scholl. Wann die Hauptverhandlung stattfindet, kann er noch nicht sagen. Möglicherweise diesen Herbst. Martin Hofmann hat dem Reitstallbetreiber vor zwei Jahren 27000 Franken geliehen. Der Mann habe ihm versichert, er müsse inves­tieren und sei knapp bei Kasse. Er habe Hofmann einen makellosen Betreibungsregisterauszug gezeigt. Der sei leider falsch gewesen. Einige tausend Franken habe Hofmann zurückbekommen, den grossen Rest werde er wohl niemals wieder sehen, aber: «Ich will, dass dieser Mann eine gerechte Strafe bekommt.»

«Es gibt keine Erbschaft»

Hofmann möchte neue Opfer warnen, denn der Reitstallbetreiber sucht nach wie vor Geldgeber. Marco Stotz von «Marcos Schlafoase» in Kreuzlingen hat er vor Ostern angepumpt. Sie seien in einem Restaurant ins Gespräch gekommen. «Er war übertrieben freundlich.» Dann sei er bei Stotz im Geschäft erschienen. «Er erzählte von einer Kiesgrube von seinem verstorbenen Vater und fragte, ob ich ihm mit 30000 Franken aushelfen könnte.» «Es gibt keine Erbschaft», sagt Agnes Birrer, eine Verwandte des Reitstallbetreibers, die in Rorschach lebt. Der Mann arbeite stets mit der gleichen Masche. Er berichte von Geld aus Kiesabbau im Luzerner Hinterland, das er bekomme. Der grösste Teil des Kieses sei seit zehn Jahren abgebaut, sagt Agnes Birrer. Es gebe noch eine kleine Landzunge, die aber blockiert sei. Doch selbst wenn der restliche Kies abgebaut werde, sehe ihr Verwandter keinen einzigen Franken davon. «Zu gross sind die Schulden, die er allein im Luzernischen hat.» Agnes Birrer warnt: «Er ist ein Lügner. Gebt diesem Mann kein Geld.» Der Reitstallbetreiber dementiert: Von den Forderungen auf dem Betreibungsauszug habe er schon 300000 Franken zurückgezahlt, «die sind aber noch nicht zurückgezogen.» Weitere Schulden begleiche er so schnell wie möglich. Es stimme nicht, dass er sich von Marco Stotz 30000 Franken habe leihen wollen, es seien nur 300 gewesen.

Dieser Artikel wurde uns von der «Thurgauer Zeitung» zur Verfügung gestellt. 

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 18/2017)

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