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Carole Schlatter genoss den Tag mit Werner Muff in vollen Zügen.
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«Happy Day» für Carole

13.03.2018 12:50
von  Peter Wyrsch //

«Oh happy day!» Der Gospel-Song der Edwin Hawkins Singers eroberte vor rund 50 Jahren die Welt und wurde unzählige Male gecovert. Vom Golden Gate Quartett, von Joan Baez, Quincy Jones bis Laura Pausini. Einen «happy day» erlebte auch Carole Schlatter. Die blonde, 16-jährige Teenagerin aus Seon verbrachte mit der Rappstute Happy einen Tag bei ihrem Idol, dem Luzerner Springreiter Werner Muff. Im Gutsbetrieb Heimenstein auf einer Anhöhe der Zürcher Gemeinde Seuzach durfte die angehende Floristin mit dem WM-Kandidaten ausreiten und erhielt vom Spitzenreiter eine Privatlektion.

Werner Muff, der seinen Gästen sofort das vertraute «Du» anbot, nahm sich viel Zeit für den besonderen Tag der Bauerntochter, die im November 2017 die Springlizenz erworben hat und Happy erst seit vergangenen Dezember in ihren Zügeln führt. «Ich reite regelmässig zwei Pferde, den 21-jährigen Macao, der meinen Eltern gehört, und eben die 13-jährige Westfalenstute Happy. Mit ihr vermochte ich mich im Februar im NPZ in Bern schon als Zweite und Dritte in B/R-Springen über 90 und 95 Zentimeter zu klassieren. Sie hat mit Julia Hodel, der Freundin von Jason Smith, schon Springen über 110 Zentimeter gewonnen.»

V. l.: Werner Muff empfängt seine Gäste Janine, Carole und Hanspeter Schlatter mit Stute Happy.

Seit Jahren ist Werner Muff ein national und international erfolgreicher und unabhängiger Spring­reiter. Zusätzlich gilt er als versierter und geduldiger Ausbildner. Für seine gelehrige Schülerin fand er folgende Worte: «Man sieht, dass Carole mit Pferden aufgewachsen ist. Sie hat eine gute Basis, ist konzentriert und willig, muss aber noch viel Routine sammeln. Bei gezielter Arbeit und Fleiss kommt es gut. Ich mache mir nach ers­ter Einschätzung jedenfalls keine Sorgen um die reitsportliche Zukunft von Carole.»

Wiedersehen mit Papa Schlatter

Carole wurde von Papa Hanspeter und ihrer um fünf Jahre älteren Schwes­ter Janine auf den Heimenstein begleitet. Papa Hanspeter, der in Seon mit Gattin Irene einen Bauernhof mit vielen Rindern und einem Pferdepensionsstall führt, und Werni Muff sind alte Bekannte. Früher ritten sie in R-I- bis R-III-Prüfung­en im Mittelland gegeneinander. «Meist hatte ‘Werni’ die Nase vorn», bemerkte Hanspeter Schlatter verschmitzt. «Er ist eben etwas talentierter als ich.»

Werner Muff auf Pollendr nimmt Carole Schlatter und Happy mit auf einen Ausritt.

Carole stuft er als pflichtbewusst, hilfsbereit, pferdebesessen und oft auch als lustiges Mädchen ein. «Nur in Sachen Ordnung hat sie Mängel. Sie ist eine Chaotin.» Janine, Carols ältere Schwester, ist Landwirtin und ebenfalls aktive Reiterin. Sie springt eine Stufe höher, hat schon Siege bei Hindernishöhen von 110 Zentimeter in ihrem Palmarès und reitet ein eigenes Schweizer Warmblutpferd von besonderer Abstammung. Der fünfjährige Lex vom Quellenhof hat mit Curis Sitte, dem zehnjährigen Hengst im Beritt von Paul Estermann, einen bekannten Vater. «Mit ihm habe ich im vergangenen Herbst Rang eins an der SM in der Promotour für Jungpferde belegt», erzählt Janine stolz. Sie hat auch eine besondere Stage hinter sich. Im vergangenen Jahr verbrachte sie einen Monat als Stallhilfe und zur Weiterbildung im Pferdesattel in Schleswig-Holstein in Itzehoe bei Evi Bengtsson, der Frau des ehemaligen Europameis­ters und Weltranglisteners­ten Rolf-Göran Bengtsson.

Werner Muff zeigt Carole Schlatter, wie sein Alltag aussieht.

Ein Dutzend Sportpferde

Der aussergewöhnliche Tag für Carole auf dem imposanten Gutsbetrieb, wo im 15. Jahrhundert die Ritter vom Heimenstein ihren Stammsitz hatten, begann mit einer Stallbesichtigung. Zwölf Springpferde herbergen in hellen, modernen und geräumigen Stallboxen. Vier Pferde stellt Marlis Mühlebach (MM) zur Verfügung (Daimler, Pollendr, Cornet und Golden Future), deren zwei (Escoffier und Cosby) Anette Würgler. Die Hannoveranerschimmelstute Casstina hat zwei Besitzer: Markus Beerbaum und Werner Muff selbst. Daneben habe er nebst eigenen Pferden auch solche von sogenannten «stillen Besitzern», wie sich Muff ausdrückte. Er beschäftigt fünf Angestellte, darunter die talentierte 21-jährige Noelle Barry, eine irisch-schweizerische Doppelbürgerin. Seit April 2004 ist Werner Muff der «Ritter vom Heimenstein» und Pächter der prächtigen Anlagen der Gutsdame Susi Maier. Mit seiner Familie wohnt er in einem geräumigen keltischen Landhaus. Gattin Doris, die Werner nur «Maus» nennt, kümmert sich um Haus und Herd, Werner um die Pferde. Sohn Louis, 14-jährig, ist beim Besuch von Carole nur über Mittag kurzfristig zu Hause. Er absolviert eine Schnupperlehre als Maurer.

Im Gespräch zeigt Muff die positiven und negativen Seiten seines Berufes auf.

Muffs Ehefrau Doris hat das Mittagessen frisch zubereitet, serviert wird es vom Springreiter selber.

Der inzwischen 44-jährige Werner Muff, der im luzernischen Gunzwil aufgewachsen ist und erst nach einer Banklehre auf Pfer­de umsattelte, fühlt sich als Pächter auf dem Heimenstein privilegiert. Er führt seinen Pferdebetrieb am langen Zügel. Der WM-Kandidat brachte schon einige Pferde an die Weltspitze, unter anderem Plot Blue, mit dem er schon WM- und EM-Erfahrung sammelte, oder Kiamon, mit dem er 2012 die Olympischen Spiele in London bestritt.

Daimler für WM bereit

2017 war sein erfolgreichs­tes Jahr. Über 300000 Franken Preisgeld gewann er mit seinen Sportpferden. Der Star im Stall ist derzeit Daimler – nicht der Mercedes des Stuttgarter Autohauses, sondern der zehnjährige, braune Niederländerwallach, den er im April 2015 an einem Turnier in Belgien erstmals gesehen und für die Gattin des renommierten Luzerner Rechtsanwalts erworben hat. Behutsam hat er ihn aufgebaut und geformt. Er verzichtete selbst nach seinem GP-Sieg im Vorjahr am Fünstern-CSIO in Dublin und zwei fehlerfreien Runden im Nationenpreis von Aachen in Absprache mit der Besitzerin auf einen EM-Einsatz in Göteborg. «Ich weiss, wie es an Championaten ist. Es war für Daimler noch zu früh. Doch dieses Jahr wollen wir es wissen. Er ist ein Weltklassepferd und ein Kämpfer. Nichts ist ihm zu hoch und zu breit. Und er weiss, was er kann und wer er ist. Jetzt sind wir für die WM im Herbst in den USA bereit», erzählt Werner am Mittags­tisch der interessiert zuhörenden Carole.

Nach der exklusiven Reitstunde gibt es Lob für Carole und Happy.

Doris Muff, einst selbst eine regionale Reiterin, hatte einen Nüsslisalat mit Ei, leckere Fleischkügeli mit Härdöpfelstock und Rüebli zubereitet, Werni selbst hat serviert. Zum Dessert genoss Carole selbstgemachten Schoggikuchen mit Vanilleglacé. Es mundete. «Doris ist eine fantastische Mutter und Hausfrau. Ihre Küche ist erstklassig. Ich habe ohnehin eine kleine, aber grossartige Familie. Deshalb fahre ich jeweils im Camion unmittelbar nach dem letzten Start nach Hause, sofern die Strecke zumutbar und nicht zu weit ist», verrät Muff.

Musik im Blut

Werner Muff hat viel zu erzählen. Er prahlt nicht mit seinen Erfolgen, obwohl er dies könnte. Immerhin war er dieses Jahr am CSI Basel der erfolgreichste Turnierreiter, gewann als ers­ter Einheimischer im Sattel von Daimler das Championat von Basel und wurde hinter Martin Fuchs auf Clooney hervorragender Zweiter im Grand Prix. Nein, der bescheidene Muff erzählt lieber von weiteren Passionen. Die Muffs sind nämlich sportlich vielseitig, musikalisch und haben Rhythmus im Blut. Bruder Stefan war einst im Sägemehl erfolgreich. «Er war ein starker Schwinger und hoch dekoriert.

Werner Muff zeigt seinem Besuch den Gutsbetrieb in Seuzach.

Aus Luzern kam er vom Eidgenössischen als Eidgenoss zurück», weiss Werner. Er selbst ist auch musikalisch. «Ich spielte zeitweise Euphonium und Trompete in vier Musiken und war während fünf Jahren Mitglied des Trachtenvereins», erzählt der langjährige Elitekaderreiter. Das Trio «Mujowa» trat sogar einmal an der Luzerner Luga auf. Zwei Wochen nach der Gründung wurde eines der Lieder sogar im Radio gespielt. Die Blas­ins­tru­men­te hat Muff inzwischen in die Ecke gestellt. Die Reiterei betreibt er aber weiterhin mit der notwendigen Seriosität und mit Ambitionen. «Eine Championatsmedaille fehlt mir noch. Zweimal war ich an Titelkämpfen mit der Mannschaft Vierter, einmal Fünfter. Nun möchte ich auch einmal aufs Podest springen.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 10/2018)

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