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Hugo Simon.
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Hugo Simon – und kein Ende in Sicht

16.12.2014 13:03
von  Dieter Ludwig //

Hugo Simon (72) ist einer wie keiner, jedenfalls in seiner Branche, dem Springreiten. Trotz eines Ian Millar (67) aus Kanada bleibt er unerreichbar. Echte sentimentale Regungen zeigte er nie. Nur einmal, das war am 5. Oktober 2014, als er in Wiener Neustadt auf CT den Dreistern-Grand-Prix gewann. «Da hatte ich wirklich erstmals Tränen in den Augen bei der Sieger­ehrung.» In diesem Alter gewann bisher noch kein Springreiter auf solchem Niveau einen Grossen Preis.

Er hat noch keine grauen Haare – es scheint, das Alter perle an ihm ab wie Wasser beim Duschen auf der Haut. Er reitet weiter und weiter. Hugo Simon ist ein Besessener, getrieben vom Spring­reiten. Verrückt für viele, und dennoch immer überlegt, nett und unerbittlich, immer unruhig, so, als gäbe es für ihn keinen Morgen und keinen Abend, er ist einer für die Ewigkeit. Er ist der Älteste seiner Zunft auf diesem Level.

Hugo Simon – wie er leibt und lebt. Hier auf der Stute Ukinda, die nächstes Jahr ein E.T.-Klonfohlen gebären wird.

Sein Zuhause ist Weisenheim am Sand nicht weit von Mannheim in der Pfalz, doch er reitet für Österreich seit 1972. In der Alpenrepublik wollten ihn schon einige als Kandidaten für den Präsidentenposten vorschlagen, das will er nicht. Auch international ist er ein Star. Als er während der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona 50 wurde, übertrug ein amerikanischer Sender sein Fest live in die USA, und da hatte er mit der Austria-Equipe noch kein Silber im Real Polo Club de Barcelona gewonnen. Nie zuvor in der langen Geschichte dieser einst nur dem Adel und den Offizieren vorbehaltenen Sportart konnte sich bisher ein Spring­reiter in diesem Alter so lange oben halten. Und – Ende offen…

«Reite nicht mehr für Asche...»

Vorgehabt hatte er mal mit dem grossartigen Wallach E.T. auch selbst von der Bühne abzutreten. Den hat er in einer stimmungsvollen Atmosphäre vor zehn Jahren beim «Fest der Pferde» in der Wiener Stadthalle vom Sport verabschiedet. Den Hannoveraner-Fuchs stellte er auf die Weide, er selbst machte weiter. Er sagt: «Ich reite, solange ich selbst Spass habe, solange die Zuschauer mich sehen wollen.» Und: «Der Unterschied zwischen den anderen und mir ist doch ganz einfach der: Ich reite nicht mehr um Asche, ich reite nur noch fürs Publikum.» Das sagte er am 3. Januar 2004 in Neumünster, am nächsten Tag gewann er auf E.T. den Grossen Preis. Asche, wie Geld in der Branche genannt wird, hat er zur Genüge, allein E.T. sprang – ohne Autos und andere Ehrengaben – an die 3,6 Millionen Euro ein, auch ein Rekord für ein Springpferd. Aber er sagt: «Wenn ich mal keine Lust zum Reiten habe, dann setze ich mich auch gerne hin, trinke ein Bier und einen Schnaps.»

Hugo Simon gewann mit Lavendel 1974 WM-Bronze  im englischen Hickstead.

Hugo Simon, der in der Dressur früher gegen Josef Neckermann ritt, in der Vielseitigkeit antrat und seine Pferde wie kaum ein anderer gymnastiziert. Nach eigenen Worten startet er für Österreich, «ist aber im Herzen Pfälzer». Er pflegte eine Freundschaft zu Altkanzler Helmut Kohl, war dreimal Weltcupge­winner, zehnmal österreichischer Staatsmeister (Rekord) und gewann mit der Equipe völlig überraschend in Barcelona 1992 olympisches Silber hinter Holland. Er holte in Rotterdam bei den sogenannten Olympischen Ersatzspielen 1980 – nach dem West-Boykott von Olympia in Mos­kau wegen des Überfalls auf Afghanistan durch die damalige Rote Armee der UdSSR – auf Gladstone neben Teambronze noch Einzelgold vor John Whitaker auf Ryans Son, Melanie Smith (USA) auf Calypso und Paul Schockemöhle auf Deister. Er nahm an sieben Olympischen Spielen teil, ritt 13 EMs (verlor die Goldmedaille 1979 in Rotterdam mit Gladstone am letzten Sprung, so «nur» Bronze) und kam zu Silber in Mannheim 1997 auf E.T.  Simon startete bei sechs Weltchampionaten, dabei holte er in Hickstead 1974 Bronze auf Lavendel – einsame Rekorde. Er hat sich jedem und überall gestellt, «geschockt hat mich nie einer». Und er war gefürchtet, wenn er anfing zu wetten. Zum Beispiel, dass er mit einem Stock ähnlich dem Stabhochsprung eine Hürde von 2.50 Meter schaffe – es gibt keinen, der diese Wette gewann. Fünfmal hängte man ihm in Hamburg das Blaue Band als Zeichen des Siegers im Deutschen Derby um. In Dortmund hat er auf Lebenszeit Startrecht, und die Alpenrepublik zeichnete ihn mit dem «Goldenen Vaterländischen Verdienstorden» aus.

Als Rentner durch die Rockys

Den Eintritt ins offizielle Rentenalter 2007 begann er in den kanadischen Rocky Mountains. Er erfüllte sich mit seinen beiden Freunden Dr. Michael Ritter und Siegfried Nied einen Kindheits­traum. Das Trio (Aufschrift auf den eigens beschrifteten T-Shirts: «Die glorreichen 3») ritt acht Tage jeweils 60 Kilometer, schlief in Indianerzelten und versorgte sich selbst. Sie sassen auf den trittsicheren Mustangs und waren fern jeder Zivilisation. Hugo Simon, der mal sagte, er habe Angst, dass er eines Tages vor nichts mehr Furcht habe, gestand danach: «Einmal hatte ich wahrlich die Hosen voll, als wir einen Weg ritten, der lediglich einen Meter breit war, aber links und rechts ging es rund 30 Meter in die Tiefe. Für die Pferde war das nichts, ich aber werde so etwas nicht ein zweites Mal mehr machen.»
Margit Herzau begann als Pferdepflegerin, war danach Stallmanagerin und ist inzwischen Ehefrau – er heiratete sie an seinem 70. Geburtstag am 3. August 2012. Sie wurde im Dezember 2009 beim Turnier in Porto als Pferdepflegerin von einem spanischen Reporter gefragt, wer denn dieser Hugo Simon wäre, darauf sagte sie: «Am ersten Tag kennt man ihn kaum oder gar nicht, am Ende wissen alle, wer Hugo ist.» Seine Tochter Conni (46) aus der ersten Ehe mit Gabi ist seit Mai mit Präsidiumsmitglied des Aachen-Laurensberger Rennvereins, Peter Weinberg (62), liiert.

«Kein Deutscher war besser»

Bis 1971 ritt er für Deutschland, drei Nationenpreise sogar, ab 1972 startet er für Österreich. Als es um die Aufstellung der deutschen Equipe für die Olympischen Spiele in München 1972 ging, zeigten die Verbands­oberen in Warendorf zwar Interesse an seiner Ausnahmestute Fair Lady, aber nicht an ihm. Da entsann sich seine damalige Frau Gabi, dass er ja neben der deutschen auch die österreichische Staatsangehörigkeit besitze. Die Eltern hatten nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg ihre böhmische Heimat verlassen müssen, dort in Krummwasser war aber Hugo Simon geboren. Als eine Art Entschädigung jedoch blieb den Flüchtlingen aus dem ehemaligen K&K-Reich auch der österreichische Pass. Der Sprung über den rot-weiss-roten Oxer gelang problemlos. Hugo Simon wurde auf Lavendel in München Vierter, platzgleich mit Hartwig Steenken aus Deutschland. «Dass kein Deutscher besser war, das war für mich entscheidend», sagte er damals sofort aus einer verständlichen Genugtuung heraus.

Hugo Simon startet seit 1972 für Österreich.

Hat er noch Wünsche? «Nein ich habe alles. Ich bin gesund, mehr brauche ich nicht», sagt er. Er benötigt auch keine Brille mehr, er liess sich nämlich operativ neue Linsen in die Augen setzen. Böse Stürze überstand er auch mental bravourös. Zum Beispiel hatte er in Neumünster 2000 einen Schulterbruch, 2004 einen Sehnenabriss in der Schulter nach Sturz im Training zu Hause, 2013 erlitt er in Peking bei einem Sturz auf einem Leihpferd eine Brustbeinprellung und einen Bluterguss in der Lunge. Er stand immer wieder auf und kam auch jeweils zurück.

Im März E.T.-Klon-Fohlen

Sein Lieblingspferd war zweifellos Flipper, dann kamen Little One, der von ihm herausgebrachte Hannove­raner-Wallach The Freak, unter Ludger Beerbaum in Seoul 1988 Team-Olympiasieger mit Deutschland, auf Gladstone gewann er als Ers­ter in der Weltcupgeschichte den inzwischen begehrtesten Pokal, doch mit E.T. steht sein Name für alle Zeit wie in Stein gemeisselt. Und vom E.T.-Klon namens E.T. Cryozootech-Stallion erwartet Hugo Simon im März ein Fohlen aus Ukinda. Die belgische Stute gehört ebenfalls zu den Simon-Spitzenpferden.

Hugo Simon (l.) siegte 1996 auf E.T. im Weltcupspringen von Genf vor dem Briten John Whitaker auf Virtual Village Welham.

Mehr als 20 geklonte Pferde sind bereits auf der Welt, darunter Nachkommen von den grossartigen Springpferden Ratina, vom inzwischen berühmten Vererber Quidam de Revel, für vier Millionen Mark nach den Olympischen Spielen 1992 vom Olympia-Dritten Frederic Cottier (Frankreich) nach Dänemark an Flemming Velin verkauft, Top Gun oder eben E.T. E.T. Cryozooch-Stallion ist jetzt sechsjährig und gekört. Er gehört einem Konsortium von 50 Investoren, von denen jeder 6000 Euro einzahlte, also 500000 Euro für die Hoffnung auf eine wunderbare Geldvermehrung. Leo de Backer, einer der ganz grossen Veterinäre. Er war damals Cheftierarzt im belgischen Gestüt Zangersheide in Lanaken, als der E.T.-Klon nach Zangersheide kam: «Er sieht fast genauso aus wie der echte ET.» Der Hannoveraner-Hengst aus dem Reagenzglas war nach Lanaken geholt worden, «weil die Wissenschaftler ja nichts von Pferden verstehen und gar nicht wissen, dass ein Pferd beispielsweise auch bewegt werden muss» (De Backer). In Lanaken wurde der Klon-Hengst nebenbei getestet, ob sein Samen tauge. Eine Ponystute nahm sofort auf.

«Klon ist die Kopie eines vorhandenen Pferdes»

Leo de Backer (63) über Klonen: «Ein Klon ist die Kopie eines bereits vorhandenen Pferdes, genetisch identisch.» In der Pferdezucht könnten dadurch oftmals begangene Fehleinschätzungen korrigiert werden, dann nämlich, «wenn ein Hengst kastriert wurde, sich aber als Wallach im Sport grossartig entwickel­te, wie eben E.T. zum Beispiel». Um von einem Wallach einen Klon zu erhalten, wird eine Kopie erstellt, um somit Samen für die Zucht zu erhalten. Nach De Backer ist der Vorgang relativ einfach. Erbgut wird aus einer Körperzelle entnommen und in eine Eizelle gegeben, die wiederum wird dann in die Gebärmutter einer Trägerstute eingepflanzt.

Hugo Simon mit dem legendären österreichischen Kommentator Peter Niedezky.

Das französische Unternehmen Cryozootech aus der Nähe von Paris beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Klonen von Pferden. Erster Klon war Pieraz-Cryozootech Z, «Sohn» des Wallachs Pieraz Psar, der 1994 in Den Haag die Amerikanerin Valerie Kanavy zum WM-Titel im Distanzreiten über 160 Kilometer getragen hatte. Das Gestüt Zangersheide erkannte den ersten geklonten Hengst – gegen den Widerstand vieler Züchter – europaweit als Vererber an. Eric Palmer, Chef von Cryozootech: «Wir nehmen nur Stuten, Hengste oder Wallache bester Abstammung oder Leistung, die bei Olympia oder Championaten auf höchstem Niveau vorgestellt wurden.» Sein Werbeslogan: «Gestern kastriert – morgen der Vater deiner Fohlen.»

Ein Quadratzentimeter Haut genügt

Leo de Backer: «Zum Klonen genügt ein Quadratzentimeter Haut von einem lebenden Pferd. Sobald genügend Zellen vorhanden sind, werden diese bis zu jenem Moment eingefroren, an dem der Auftraggeber meint, jetzt hätte er gerne einen Klon.» Dann werden der Zellkultur einzelne Zellkerne entnommen und in eine Eizelle implantiert. Nach etwa fünf Tagen kann bei entsprechender Entwicklung die Eizelle in eine Amme eingepflanzt werden. Probleme zum Beispiel laut De Backer: Man benötige zum Klonen etwa 1800 Eizellen, davon blieben vielleicht 850 gereifte zum Klonen geeignete Eizellen übrig. Am Ende vielleicht gerade mal 20, mit denen man weiterarbeiten könne. Soweit die bisherige Erfahrung. De Backer: «Aus 850 Eizellen entsteht so ein einziges Fohlen, dazu braucht man auch noch 22 Trägerstuten. Das macht alles am Ende eben sehr teuer.» Zu Beginn lagen die Kosten für ein Klon-Fohlen bei 300000 Euro, inzwischen unter 200000 Euro. Der belgische Veterinär ausserdem: «Klonen ist auch im Pferdesport kaum mehr wegzudenken oder wegzudiskutieren.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 50/2014)

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