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Im Kampf gegen die Druse

12.02.2019 11:23
von  Karin Omran-Marty //

Seit einigen Wochen laufen die Social-Media-Kanäle heiss wegen der Pferdekrankheit Druse. Diese hochansteckende Infektionskrankheit ist im Moment vor allem im Zürcher Unterland aktiv und bedroht die dortige Pferdepopulation. Was ist Druse überhaupt? Wie geht man bei einem bestätigten Fall vor? Die «PferdeWoche» hat einen betroffenen Betrieb besucht und sich mit Fachleuten unterhalten.

Es ist ein Samstag Ende Oktober letzten Jahres. In der Reiterstube des Pferdesportstall Sigg AG in Buchs ZH haben sich alle Pensionäre zu einer Informationsveranstaltung versammelt. Eingeladen hatte die Besitzerfamilie Angliker des weitherum bekannten Stalles. Yvonne und Ruedi Angliker brachen sogar ihre Herbstferien im Schwarzwald ab, um in diesem schwierigen Augenblick an der Front mit dabei zu sein. Notwendig gemacht hatte dieses Treffen ein bestätigter Befund von Druse. «Wir haben am Morgen das Ergebnis des Testes erhalten und umgehend reagiert», erzählt Simon Angliker, Juniorchef des Betriebes.
An dieser Informationsveranstaltung erfuhren die Pensionäre, was Druse überhaupt ist; was diese Diagnose für den Stall und die Umgebung bedeutet.

Simone Angliker, Juniorchef, und Mitarbeiterin Shayenne Spiess kümmern sich rund um die Uhr um die kranken Pferde.

Dank der kompetenten Ausführungen von Yvonne Angliker brach keine Panik aus. Die erfahrene Pferdefachfrau stand den Anwesenden Red und Antwort. «Am Montag trafen wir uns dann mit allen involvierten Tierärzten zu einem Krisenmeeting, um das weitere Vorgehen zu besprechen», erinnerte sich Simon Angliker. Unmittelbar nach diesem Meeting veröffentlichte die Familie Angliker eine Stellungnahme in allen möglichen Social-Media-Kanälen. Trotz dieser sofortigen Stellungnahme wurde die Familie Angliker fälschlicherweise beschuldigt, nicht offen und ehrlich kommuniziert zu haben: «Wir haben uns schnellstmöglich mit den Fachleuten, also den Tierärzten, zusammengesetzt und uns über das weitere Vorgehen beraten lassen. Und danach haben wir umgehend  informiert», so Simon Angliker. Dazu stehen an drei Stellen Hinweisschilder, die das Betreten des Geländes verbieten und über den Grund informierten.

Was ist Druse?

Die «PferdeWoche» hat sich mit Dr. Verena Bracher, Inhaberin der Tierklinik Leimental in Verbindung gesetzt, auf deren Webseite unter der Rubrik «Wissen» auch das Wichtigste über die Druse nachgelesen werden kann. Sie erklärt: «Die Druse ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, welche die oberen Atemwege, den Rachen und die Lymphknoten im Kopf- und Kehlbereich befällt. Die Krankheit wird durch das Bakterium ‘streptococcus equi equi’ hervorgerufen und äussert sich durch eine eitrige Entzündung des Rachens und der dazugehörigen Lymphknoten. So sind meistens die Kehlgangs- und Rachenraumlymphknoten betroffen. Die geschwollenen Lymphknoten sind meist gut sicht- und tastbar.» Weitere Symp­tome können sein: Fieber (bis 41 Grad), eitriger Nasenausfluss, Husten, Halsschmerzen (gestreckte Kopfhaltung und Fressunlust) und manchmal auch Bindehaut­entzündung. «Die Druse war früher eine klassische Jungpferde- oder Remontenkrankheit, das heisst, fast alle jungen Pferde erkrankten daran, wie die ehemaligen EMPFA-Mitarbeiter zu berichten wussten. Auch in Handelsställen, wo Jungpferde aus verschiedensten Betrieben zusammenkamen, war die Erkrankung häufig verbreitet.»
Die Ansteckung erfolgt von Pferd zu Pferd durch direkten Kontakt oder über das Pflegepersonal. Eine Tröpfcheninfektion über eine Dis­tanz von mehr als zehn Meter findet normalerweise nicht statt. Die Inkubationszeit der Druse beträgt drei bis 14 Tage. Der Erreger verbreitet sich im Tier über das Blut und die Lymphe.

Die Desinfektionsmatte soll verhindern, dass man den Erreger mit den Schuhen verschleppt.

Die Diagnose erfolgt mittels Tupferprobe aus Eiter von Nase, Rachen und Luftsack. Um ein sicheres Ergebnis zu erhalten, werden drei Proben empfohlen, da nur in 60 Prozent der Fälle der Erreger nachgewiesen werden kann. Am zuverlässigsten ist eine unter endoskopischer Kontrolle entnommene Luftsackspülprobe, was allerdings mit hohem Aufwand verbunden ist. Alternativ hat sich auch eine Rachenspülprobe als praktikabel und einigermassen zuverlässig erwiesen.

Sofortmassnahmen bei bestätigtem Befall

Zurück in der Pferdesportstall Sigg AG wurden sofort die notwendigen Massnahmen getroffen: «Wir haben den Sandplatz und das dazugehörige Zelt für die befallenen Tiere sowie die Verdachtsfälle abgesperrt. Die Reithalle sowie der dazugehörige Stalltrakt, welcher nicht befallen war, durfte von den gesunden Pferden benutzt werden», erzählt Mitarbeiterin Shayenne Spiess. Die Betreuung der Pferde wurde so geregelt, dass nur ein, zwei Pfleger sich um die Kranken und Verdachtsfälle kümmerten. Diese Personen trugen extra Mäntel für den abgetrennten Bereich, welche täglich gewaschen wurden. Zudem standen Desinfektionsmatten für die Schuhe sowie Desinfektionsmittel an den Ein- und Ausgängen bereit.

Gelb und Rot

Die Pensionäre und Reitschüler konnten sich anhand von gelben und roten Markierungen bei den Namensschildern informieren, ob ein Pferd befallen war oder nicht. Gelb kam für Verdachtsfall zum Einsatz. Rot bedeutete bestätigte Diagnose. Das Mistwerkzeug wurde strikt getrennt in den verschiedenen Bereichen, damit es zu keinem Verschleppen der Erreger kommen konnte. Des Weiteren wurden die Paddocks aufgeteilt für gesunde und befallene Tiere. Angliker und Spiess kümmern sich seit Ende Oktober um die Betreuung der kranken Tiere sowie die Koordination der Dateneinträge: «Wir messen jeden Tag bei rund 70 Pferden zweimal die Temperatur und tragen die Werte in einer Tabelle ein.»

Von 100 auf null

In der Pferdesportstall Sigg AG wurde der komplette Betrieb praktisch lahmgelegt. Im Herbst und Winter wurden alle Kurse, Trainingsspringen und Veranstaltungen für auswärtige Teilnehmer abgesagt. Das Reiterbrevet durfte nur mit Schulpferden absolviert werden. Und das traditionelle Weihnachtsreiten wurde ebenfalls nur mit Pferden vom Betrieb durchgeführt. Die beiden für März geplanten Turniere mussten abgesagt werden, da die Quarantäne noch nicht aufgehoben werden konnte.

Wichtige Tätigkeit im Kampf gegen Druse ist das tägliche Fiebermessen aller Pferde. Desinfektionsmittel und Fiebermesser sind dabei unersetzliche Hilfsmittel.

Aktuell haben von den 72 Vierbeinern 56 die Krankheit durchgemacht. 16 sind bis jetzt noch nicht befallen.
Sobald während drei Woch­en kein Tier mehr Fieber oder Ausfluss hatte, kann man anfangen zu testen, ob der ganze Bestand wieder drusefrei ist. Dies geschieht wiederum mit drei Tests. Und wenn diese alle negativ ausfallen, dann wird die Quarantäne wieder aufgehoben. Dieses Vorgehen variiert von Stall zu Stall und wird durch die behandelnden Tierärzte vorgegeben. «Es war und ist eine sehr schwierige Zeit für uns. Vielleicht deckt unsere Versicherung die Kosten der Tests ab. Aber den gesamten Verdienstausfall müssen wir selber tragen.»

Es kann jeden treffen

Franziska Remy-Wohlfender ist Tierärztin, Mitglied im Vorstand der Schweizerischen Vereinigung für Pferdemedizin (SVPM) und auch zuständig für «equinella.ch». Sie erklärt, dass es grundsätzlich jeden treffen kann: «Drusefälle gibt es immer wieder. Wichtig ist es, dass man bei einem Verdachtsfall sofort einen Tierarzt beizieht, die nötigen Biosicher­heitsmass­nahmen ergreift und offen und direkt kommuniziert, um eine Weiterverbreitung der Krankheit zu verhindern.». Dafür ist «equinella.ch», die Melde- und Informationsplattform für ansteckende Pferdekrankheiten, ein wichtiges Instrument. Dort kann jeder Tierarzt seine Verdachtsfälle wie auch die bestätigen Fälle eintragen. Interessierte sehen lediglich, in welchem Gebiet was für Fälle bekannt sind. Pferdebesitzer können unter «equinella.ch» Informationsblätter zum Thema «Druseverdacht oder bestätigte Druseinfektion im Stall» herunterladen.
Bei «equinella.ch» werden alle Krankheiten, welche nicht der Tierseuchenverordnung unterstehen, aufgelistet. «Mit Equinella haben wir eine sehr gute Plattform, wo sich jeder informieren kann. Wichtig ist einfach, dass alle mitmachen. Denn nur dann nutzt es uns allen.» Equinella.ch hat zur Zeit einen Abdeckungsbereich von etwas über 60 Prozent der Pferdepopulation in der Schweiz, was gut 66000 Pferden entspricht.
In der letzten Zeit wurde immer wieder darüber diskutiert, ob es hilfreich wäre, für Druse eine amtliche Meldepflicht einzuführen. Die Aufnahme einer neuen Krankheit in die Tierseuchenverordnung ist ein komplexer Prozess und es gibt viele Aspekte, die beachtet werden müssen. Die SVPM ist der Meinung, dass bei Krankheitsausbrüchen eine sogenannte «Brancheninterne Informationspflicht» via Equinella die effizientes­te Lösung wäre. Auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ist der Überzeugung, dass eine lückenlose Registrierung der Fälle bei Equinella ausreicht und dass es dann keine Meldepflicht in der Tierseuchenverordnung bedarf. Voraussetzung ist natürlich die Ehrlichkeit der betroffenen Pferdebesitzer.

Nicht stigmatisieren

Eine wichtige Botschaft, welche die aktuelle Situation im Zürcher Unterland aussenden möchte, ist, dass es jeden, aber wirklich jeden treffen kann. Daher sollte man sich zusammentun im Kampf gegen Druse oder andere hochansteckende Infektionskrankheiten. Und man sollte eine Stigmatisierung eines betroffenen Betriebes oder auch eines einzelnen Besitzers auf jeden Fall unterlassen. Denn damit ist wirklich gar niemandem geholfen; am wenigsten dem Pferdesport.

Das Druse-Merkblatt finden Sie hier!

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 6/2019)

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