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Im Trainingsquartier hilft man sich gegenseitig. Da fungiert die Trainerin zwischendurch auch als Pferdeführerin.
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«Im Rampenlicht stehen die Pferde, nicht wir»

18.09.2018 14:28
von  Barbara Würmli //

Rita Seeholzer und Josef «Pepi» Stadelmann schreiben seit Jahrzehnten Rennsportgeschichte, früher als Jockeys, heute als Trainer. Im Vordergrund stehen aber immer die von ihnen betreuten Pferde. Sie sind zwar die erfolgreichen Macher und wissen, was sie täglich leisten, aber Rampenlicht und Glamour sind nicht ihr Ding.


Rita Seeholzers Reitkarriere begann auf Welshponys aus dem Heimatdorf, mit denen sie und ihre Schwestern die damals gängigen ländlichen Ponyrennen bestreiten durften. Nach der Schulzeit stieg sie aber nicht direkt in den Sport ein, sondern absolvierte eine kaufmännische Lehre bei der Familie Camenisch in Chur, die sowohl Rennpferde wie auch Spring- und Dressurpferde besass. Die pferdebegeis­terte junge Rita bewies ihr vielseitiges Können, indem sie die Spring- und Dressurlizenz erwarb, in diesen Disziplinen an Turnieren teilnahm, aber dazu – ermuntert von der Familie Camenisch – auch noch die Amateurrennreiterlizenz erwarb.

Rennstall vor der Haustüre
Pepi Stadelmann dagegen ist fast neben dem damaligen Trainingsquartier von Hans Woop in Oberglatt aufgewachsen. Seine Schwester zeigte kein Inte­resse an den Pferden, Pepi und seine Brüder Ernst und René begeisterten sich aber für die schnellen Vollblüter und verbrachten ihre Freizeit im Stall. Pepi schmunzelnd: «Wir waren jung und voller Tatendrang und der Rennstall war einfach das Naheliegendste.

Das Trainerpaar Pepi Stadelmann und Rita Seeholzer mit ihrem aktuell besten Pferd Rio Chico.

Weil wir auch kein Problem hatten, dreckige Hände zu bekommen, hat das gepasst.» Alle drei wurden erfolgreiche Rennreiter, arbeiteten aber daneben in normalen Berufen – Pepi als Chauffeur – denn den Hauptberuf Rennreiter gab es damals in der Schweiz noch nicht.

Gemeinsam seit 1985
Rita Seeholzer ritt ihr ers­tes Flachrennen für die Familie Camenisch auf einem von Hans Woop trainierten Pferd. Sie erinnert sich: «Ich durfte beim ersten Start auch gleich den ers­ten Sieg feiern. Daraufhin bot mir der Trainer an, weitgehend auf den Galoppsport zu setzen und bei ihm im Stall anzufangen.» Also da, wo auch Pepi Stadelmann im Training ritt und als Jockey im Einsatz war. So kam es, dass die beiden Vollblut-Pferdemenschen sich fanden und inzwischen seit 33 Jahren gemeinsam durchs Leben gehen.

Rennsportgeschichte geschrieben
Im Galoppsport bewiesen haben sich beide bereits als Jockeys. Pepi Stadelmann ritt über 230 Sieger im In- und Ausland und durfte sich siebenmal als Championjockey feiern lassen, gewann also siebenmal das Gesamtchampionat für am meisten Flach-, Hürden-, Jagd- und Crosssiege während eines Jahres. Rita Seeholzer wurde Damenchampionne und war eine der ersten Frauen in der Schweiz, die Hindernisrennen ritt und in dieser Disziplin auch Siege errang. Doch auch nach ihrer Reiterkarriere konnten sich beide ein Leben ohne Vollblüter nicht vorstellen und so entschieden sie sich gemeinsam, ins Trainermetier einzusteigen. Als Trainergespann haben sie nun auch bereits mehrere Hundert Siege errungen und ein Ende ist nicht in Sicht.

Verantwortung teilen
Darauf angesprochen, ob es nicht schwierig sei, zusammen zu leben und zu arbeiten – noch dazu in einem Beruf, der kaum Freizeit und Ferien bietet – meint Rita Seeholzer: «Natürlich gibt es manchmal Spannungen, vor allem, wenn wir im beruflichen Bereich nicht gleicher Meinung sind. Aber es ist eher selten, denn wir haben die Arbeitsbereiche klar aufgeteilt.» Sie sei vor allem fürs Personal und für die Administration verantwortlich, Pepi für die Gestaltung des Trainings und die Renneinsätze der Pferde, so Seeholzer weiter. Sie würden zwar die wichtigen Entscheide miteinander besprechen, aber im eigenen Bereich hätte auch jeder seinen Spielraum. Im Stall sind täglich beide und beide reiten auch noch immer die Trainingseinheiten mit.

Zusammenarbeit mit Gestüt Söhrenhof
Über viele Jahre galten Rita Seeholzer und Pepi Stadelmann als das Trainingsquartier, das am meis­ten Schweizer Vollblutpferde betreute und auch am meisten Erfolg mit ihnen hatte. Das rührte vor allem daher, dass mit dem Gestüt Söhrenhof und dem Davoser Hotelier Erich Schmid zwei der grössten Schweizer Vollblutzüchter bei ihnen trainieren liessen. Erich Schmid hat inzwischen nach Frankreich gewechselt, die langjährige Zusammenarbeit mit dem Gestüt Söhrenhof besteht aber noch immer. Rita Seeholzer erläutert: «Der Söhrenhof lässt seine jungen Pferde je nach Anlagen in verschiedenen Quartieren in Deutschland, Frankreich und der Schweiz trainieren. Wir haben das Glück, dass wir seit unseren Anfängen immer wieder Pferde für sie ausbilden und für die Rennen vorbereiten dürfen. Und weil wir die Youngsters, die sich gut machen, gerne behalten möchten, vermitteln wir auch immer wieder Söhrenhofpferde an unsere anderen Besitzer. Denn das Gestüt möchte seine Nachzucht natürlich verkaufen.» Gemäss Seeholzer bewährt sich diese Zusammenarbeit und ist für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation.

Zufriedene Besitzer
Auffallend ist, dass das Duo Seeholzer/Stadelmann oft auf eine lange Kundentreue zählen kann. So ist neben dem Gestüt Söhrenhof auch Christine Müller seit 1993 bei ihnen, ebenso gehört Max Lang vom Stall Granada seit vielen Jahren dazu oder auch das Gestüt Tricolore und die Ställe Rossriet und Forza Agricula. Das Trainerpaar erläutert: «Unsere Besitzer sind Menschen, die zu uns passen. Wir sind mehr die bodenständigen, ruhigen Schaffer. Im Rampenlicht stehen und glamouröse Partys feiern, ist nicht unser Ding. Entsprechend sind auch unsere Kunden eher zurückhaltende Leute, die Freude an den Pferden und am Sport haben, aber nicht die grossen Auftritte suchen.» Durch die oft sehr lange Zusammenarbeit bilde sich ein tiefes Vertrauensverhältnis, was besonders dann wichtig sei, wenn es einmal nicht so gut laufe.

Individuelle Reiterauswahl
Im Gegensatz zu vielen anderen Quartieren hat das Trainerpaar keinen Stalljockey angestellt. Sie setzen auf verschiedene Reiter. Pepi Stadelmann erklärt: «Zwar kann es passieren, dass es für ein Rennen einen Jockey-Engpass gibt, grundsätzlich sehen wir es aber als Vorteil, dass wir die Reiter individuell wählen können, je nachdem, welcher Typ auf das Pferd passt.

Trainer Pepi Stadelmann gibt Jockey Nicolas Guilbert vor dem Rennen die letzten taktischen Anweisungen.

Oft ist es Nicolas Guilbert, mit dem wir eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit pflegen.» Rita Seeholzer ergänzt: «Auch mit Damen wie ­Naomi Heller und Nadja Burger haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, denn nicht jedes Pferd braucht einen mit viel Kraft reitenden Jockey. Wir haben einige, die sich mit feinfühligen Ladys im Sattel wohler fühlen und ihre beste Leistung bringen.»

Positiver Blick nach vorne
Wie fast überall hat die Anzahl Pferde im Quartier Seeholzer und Stadelmann in den letzten Jahren abgenommen. Zu den besten Zeiten waren es 42, im Moment sind es 19. Im Gegensatz zu anderen Trainern sehen sie aber nicht schwarz. Rita Seeholzer sagt sogar: «Als wir über 40 Pferde hatten, galt es, auch viel mehr Personal zu betreuen und der Trainingsalltag musste sehr durchorganisiert sein, da die Zeit immer knapp war. Jetzt mit rund 20 Pferden können wir diese individueller betreuen, haben weniger Personalaufwand und auch mehr Zeit für den Kontakt mit den Besitzern.» Exis­tenzängste haben die beiden nicht. Die Trainerin sagt: «Es ist realis­tisch, dass wir den jetzigen Pferdebestand längerfristig in etwa halten können. Aktuell deutet nichts auf einen weiteren Rückgang hin.» Und Pepi Stadelmann witzelt: «Zudem werde ich in zwei Jahren bereits pensioniert. Einer von uns ist dann versorgt.» Die positive Lockerheit der beiden zeigt aber klar, dass sie – wenn sie gesund bleiben – wohl noch viele Jahre erfolgreich weitermachen.

Nächste Ziele
Auf die Herbstsaison angesprochen, möchten sie keine konkreten Ziele definieren. Der Trainer erklärt: «Wir haben aktuell kein Pferd für die grossen Rennen wie den Grand Prix Jockey Club. Rio Chico, unser Bester, ist momentan etwas schwierig einzusetzen. Für die für ihn idealen Rennen hat er zu viel Gewinnsumme und die höhere Kategorie ist eine Spur zu schwer. Aber wir haben viele Pferde, die in ihren jeweiligen Kategorien gut einzusetzen sind und je nach Formstand Chancen auf Siege oder gute Platzierungen haben.» Zudem hätten sie vielversprechende Zweijährige, von denen vermutlich drei noch in diesem Jahr zum ers­ten Mal Seide tragen. Rita Seeholzer kommt über eine zweijährige Stute sogar ein bisschen ins Schwärmen: «Sie ist eher spätreif und kommt wohl erst nächsten Frühling auf die Bahn. Aber wir glauben, dass sie sich für klassische Rennen wie den Prix de Diane – das sogenannte Stutenderby – anbieten wird.» Egal, wie gross die Erfolge sein werden, die das Trainingsquartier in Zukunft feiern darf, im Vordergrund stehen immer die Pferde. Rita Seeholzer und Pepi Stadelmann werden die bodenständigen Schaffer bleiben, die das Rampenlicht anderen überlassen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 37/2018)

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