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Grischa Ludwig.
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Im Westernsattel zuhause

21.10.2014 10:11
von  Alexandra Koch //

Grischa Ludwig (40) aus Deutschland ist einer der weltbesten Westernreiter. Dies beweist er seit vielen Jahren immer wieder, gewinnt Titel bei Europameisterschaften aller Reining-Verbände. Zwei seiner Pferde haben einen Schweizer Besitzer, mit besten Kontakten verkauft er immer wieder Pferde in die Alpenrepublik. Für die Weltreiterspiele hatte er sich viel vorgenommen. «Auch die ‘Amis’ kochen nur mit Wasser», war er sich kurz vor der Veranstaltung sicher. Doch dann verletzte sich Top-Pferd Custom del Cielo und es reichte wie in Kentucky nur zu Blech…

«Das war nur eine kleine Hufprellung bei Custom del Cielo und ist  längst wieder okay», berichtet Grischa Ludwig heute. «Aber wir wollten im Vorfeld kein Risiko eingehen.» Also kam es zum Pferdetausch: Der siebenjährige Deckhengst, mit dem Ludwig im vergangenen Jahr bei der EM im Rahmen der «Americana» in Augsburg Gold mit der Mannschaft und Bronze im Einzel gewann, wurde durch den ein Jahr jüngeren und unerfahreneren Ruf Tuf Juice ersetzt. «Wenn mich im Vorfeld jemand hätte unterschreiben lassen, dass wir Vierter werden, dann hätte ich das sofort getan. Aber jetzt, da es so knapp war, hätte man sich natürlich schon noch das Quäntchen Glück gewünscht», gibt Ludwig zu. «Der Erfolg war letztendlich grossartig. Aber ich habe mich ein paar Stunden für mich persönlich drüber geärgert. Nach Platz fünf in Kentucky nun wieder so knapp vorbei an der Medaille…»

Amerikanische Übermacht

Die Amerikaner, welche die ersten drei Plätze im Einzel belegten und auch mit der Mannschaft Gold holten, waren einfach eine Übermacht. «Natürlich hatten sie damit auch viel Glück. Aber die USA haben nun einmal die grösste Dichte an sehr guten Reitern. Es ist das Mutterland des Reinings. Wir haben nicht die Bandbreite an guten Reining-Pferden in Deutschland, selbst wenn wir viele gute Pferde besitzen. Aber dann den Ausfall zweier Pferde zu kompensieren. Denn auch Alexander Rippers Einzel-Eu­ro­pa­meis­ter Wild at the Bar konnte wegen einer Kolik nicht teilnehmen. Tragisch: Er verstarb etwa einen Monat später. Das hätten auch die Amerikaner erst einmal schaffen müssen. Für uns war es in diesem Fall unmöglich – mit dem Ausfall beider Medaillengewinner der EM. Wir müssen das als Mannschaft nun positiv sehen – wir sind Viertbeste der Welt.»

LQH steht für Ludwig Quarter Horses und markiert den Schwantelhof, das «Revier» des Westernreiters.

Aber Grischa Ludwig wird in dieser Hinsicht auch nachdenklich. «Man muss einfach sehen, dass in den letzten Jahren andere eu­ro­pä­ische Nationen aufgeholt haben. Beispielsweise hat Italien vor der Eurokrise viel in gute Reining-Pferde investiert. In Deutschland wurde nie viel Geld für Pfer­de ausgegeben. Das übersieht man zwar ein wenig, wenn man nur auf die Nationalmannschaft blickt, da die Leis­tungen passen. Aber dahinter kommt eben wenig nach. Das hat Deutschland etwas verschlafen. Da wo nicht investiert wird, wird es halt irgendwann knapp. Bei der EM ist es uns gelungen, die anderen Nationen zu schlagen, aber dieses Mal waren Belgien und Österreich besser vorbereitet und wir hatten viel Pech.»

Weltreiterspiele sehen anders aus

Auch an den WEG in der Normandie übt der erfahrene WM-Reiter Kritik. Es waren seine vierten WEG, auch in Aachen und Kentucky war er mit von der Partie, in Jerez 2002 Ersatzreiter. Mit diesen beiden Events seien die französischen Spiele nicht zu vergleichen gewesen. «Frankreich hat sich bemüht – ohne Fra­ge. Aber es lief eben nicht alles so, wie es hätte sein sollen. In Kentucky und Aachen war es einfach perfekt – aber es ist auch klar, dass man das nicht immer erwarten kann. Letztlich ist es schwierig genug, überhaupt jemanden zu finden, der Weltreiterspiele austrägt. Ein Reit­sport­zen­trum wie in Aachen findet man auch kaum irgendwo. Was schwer ins Gewicht fällt, ist, dass die Disziplinen in Frankreich so weit auseinander ausgetragen wurden. Wir konnten einfach nichts von den anderen sehen, was wir bei den vergangenen Spielen sehr genossen haben. Es hätte dieses Mal keinen Unterschied gemacht, wenn sie die einzelnen Disziplinen in aller Herren Länder verteilt hätten. Da ist der Sinn und Zweck der WEG – dass man die Spiele zusammen erlebt – verfehlt.»

Corinna Schumacher sollte draussen bleiben

Lobend bemerkt Grischa Ludwig, dass in Frankreich die wichtigen Bodenverhältnisse beim Reining sehr gut waren. «Und die Franzosen haben versucht, alles zu übertreffen, was die Organisation anbelangt. Doch gerade in Sachen Sicherheit auf dem Gelände ging das nach hinten los. Man wurde alle paar Meter nach der Akkreditierung gefragt.» Ärgerlich wird Ludwig aber bei einem besonderen Fall: «Wenn eine Corinna Schumacher als Schirmherrin der Reining-Veranstaltung Probleme hat, aufs Gelände zu kommen, dann läuft etwas falsch.» Mit den Schumachers verbindet Grischa Ludwig eine langjährige Freundschaft. Der Unfall des Formel-1-Fahrers hat Ludwig sehr bewegt und er hofft, dass es Schumacher bald wieder besser geht.

Radfahren oder Reiten?

Warum entschied sich Grischa Ludwig jedoch gerade für das Westernreiten? Und das auch noch in einer Zeit, als es in Deutschland noch in den Kinderschuhen steck­te? Bei der Antwort auf diese Frage muss er ausholen. Die Liebe zu Pferden entstand zunächst einmal durch seinen Vater. In der Diakonie Stetten, wo er damals wie heute in der Behindertenarbeit tä­tig ist, wird Reittherapie angeboten. «Da war es klar, dass auch wir Kinder im Stall mithelfen mussten und auf den Pferden unterwegs waren.» Nicht ganz so freiwillig geschah dies jedoch am Anfang: «Eigentlich hat­te ich damals richtig Angst vor Pferden. Reiten war für uns eher Pflichtprogramm, auch wenn ich mich nicht dran erinnern kann, dass es mal eine Zeit gab, wo ich nicht geritten bin.»

Grischa Ludwig bei seiner zweiten Passion – dem Radfahren.

Stattdessen war es sein Jugendtraum, einmal bei der «Tour de France» dabei zu sein – und diese natürlich am besten auch zu gewinnen. «Jeder hat ja so einen Traum – wenige gehen in Erfüllung. Ich trauere dem Radsport heute ganz bestimmt nicht nach. Aber es war schon eine harte Entscheidung, ihn an den Nagel zu hängen. Heute fahre ich gerne freizeitmässig Rad. Ich habe mit dem klassischen Reiten begonnen, irgendwann kam dann aber auch das ers­te Quarter Horse und die Entscheidung stand an – ich habe das Fahrrad verkauft.» 16 Mal hat Grischa Ludwig bisher einen EM-Titel gewonnen – in allen Reining-Verbänden.

Pferdeparadies Schwantelhof

Heute betreibt Grischa Ludwig gemeinsam mit Geschäftspartnerin Sylvia Mai­le den Schwantelhof in Bitz auf der Schwäbischen Alb auf halber Strecke zwischen Stuttgart und dem Bodensee. 150 Pferde haben dort ihre Heimat gefunden.

Der Schwantelhof von Grischa Ludwig.

«Wir sind 15 Leute, die sich um die Tiere kümmern. Dazu ge­hö­ren auch meine Freundin, mein Pfleger und die Praktikanten. Wir bieten auf dem Hof das komplette Programm an, wozu gehört, dass wir Deckhengste haben, die Pferde trainieren und verkaufen.» Der Schwantelhof wurde gehörig aufgemöbelt, unter anderem mit einer riesigen Solaranlage. In den Umbau des Hofs hat er viel Zeit investiert. «Zum Radfahren bin ich kaum noch gekommen. Aber ich hoffe, das wird wieder», schmunzelt er. «Aber jetzt haben wir erstmal in den Hof inves­tiert, der nun sicherlich 30 bis 40 Prozent grösser ist, als vorher.» Eine riesige, 2000 Zuschauer fassende Eventhalle hat man gebaut. Und die Fassaden sollen aktuell noch aufgemöbelt werden.

Pferdeverkauf jenseits von Sentimentalität

Vom Pferdeverkauf lebt man. «Wir verkaufen über­all hin – und gute Käufer entdeckt man auch in jedem Land.» Wird für ein Pferd ausreichend geboten, darf man nicht sentimental werden. «Natürlich ist es bei manchem Pferd nicht so einfach, es zu verkaufen. Doch ich sage mir immer, ein Pferd braucht die Beziehung zu einem Menschen nicht unbedingt. Es braucht vielmehr artgerechte Haltung. Das ist nicht das Gleiche wie bei einem Hund, der sehr auf seine Menschen bezogen ist. Solange es meinen Pferden bei ihrem neuen Reiter gut geht, bin ich zufrieden. Bei einer solchen Haltung wird einem ja oft Gefühlskälte vorgeworfen. Doch man darf einfach nicht so eingebildet sein, dass man denkt, dem Pferd geht es einzig und allein bei mir gut. Bei mir gibt es gewisse Beziehungen zu den Pferden – aber wenn sie gehen, gehen sie und wenn wieder neue kommen, dann kommen sie. Ich kann von meinen Verkaufspferden sagen, dass sie auch jetzt bei guten Bedingungen gehalten und geritten und von ihren Besitzern geliebt werden. Pferde werden heutzutage häufig vermenschlicht, das sollte man nicht machen», so Ludwig. «Aber ich lege in jedem Fall Wert darauf, wer meine Verkaufspferde reitet und wie dort mit ihnen umgegangen wird. Ich freue mich sehr, wenn ich sehe, dass die neuen Besitzer mit ihnen Erfolge feiern.» Auch für das Paar Grischa Ludwig und WM-Pferd Ruf Tuf Juice wird es keine Zukunft geben. «Er stand schon vor unserer WEG-Teilnahme zum Verkauf.» Sein Besitzer, der Schweizer Fabian Strebel, hat mit Cus­tom del Cielo schon seinen Deckhengst. «Deshalb möch­te er Ruf Tuf Juice jetzt gewinnbringend verkaufen.»

Custom del Cielo – das Ausnahmepferd

Einen wird Grischa Ludwig jedoch in der nächsten Zeit sicher weiterreiten: Spitzenpferd Custom del Cielo, den siebenjährigen Quarter-Hor­se-Deckhengst von Fabian Strebel.

«Er ist schon ein echtes Ausnahmepferd. Es gibt wenige Pferde, die eine steilere Karriere hingelegt haben. Er ist ein Pferd, das eigentlich keinen Fehler hat», schwärmt Ludwig. «Er hat ein grossartiges Ge­bäu­de, ist aber auch ein wunderbar ruhiges Pferd. Interieur und Exterieur passen einfach bei ihm. Kein Pferd ist perfekt. Aber ich würde sagen, bei ihm stimmt sehr, sehr viel.»

Beste Kontakte zur Schweiz

Nicht nur, weil Pferdebesitzer Fabian Strebel Schweizer ist, hat Ludwig beste Kontakte hierhin. Von Bitz aus ist es nicht weit bis zur Schweizer Grenze – und Käufer findet man hier immer wieder. «Ich habe schon viele Pferde in die Schweiz verkauft. Eine Menge davon ist dort im Sport mit grossen Erfolgen unterwegs. Beispielsweise habe ich Chexylution ausgebildet und an Familie Speidel verkauft. Er war nun mit Adrienne bei den WEG unterwegs. Natürlich reiten auch viele Leute aus anderen Nationen Pfer­de von mir, aber die Schweizer haben schon einige besonders erfolgreiche Pfer­de von mir. Ich würde einfach sagen, zwischen den Schweizern und mir passt es, man schätzt sich gegenseitig.» Bis vor zwei Jahren war er in der Schweiz auch als Trainer für die Nationalmannschaft tä­tig.

Zwischen Hofausbau und Turnierzirkus

Zeit zum Verschnaufen bleibt wenig. Es gibt immer was zu tun – oder Ludwig ist auf Turnieren unterwegs. Nächstes Reiseziel ist Lyon, wo die französische Futurity stattfindet. «Und dann möch­te ich natürlich noch meinen Platz in den Top fünf der Weltrangliste festigen. Momentan bin ich Zweiter.»

Grischa Ludwig in der hofeigenen «Western-Bar».

Weiter möchte er nicht planen. Aber natürlich denke man ab und zu schon an die Weltreiterspiele in vier Jahren in Bromont in Kanada. «Die werden, denke ich, mit Sicherheit besser. Da wäre man natürlich gerne dabei. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und zu viel Zukunftsmusik ist auch nicht gut. Da bleibe ich lieber bodenständig im ‘Hier und Jetzt’.» Wenn er zu Hau­se ist, reitet er täglich etwa sieben bis acht Pferde. «Mit denen bin ich erstmal beschäftigt. Aber es gibt zusätzlich immer viel Organisatorisches zu tun. Auch wenn dafür meist meine Geschäftspartnerin Sylvia Mai­le zuständig ist, muss ich na­tür­lich immer alles mit ihr abstimmen. Mit den jüngeren Trainern auf dem Hof arbeite ich auch, die möchten ebenfalls etwas lernen und brauchen manchmal Hilfe. Unterricht zu geben, kommt selbstverständlich zusätzlich dazu. Auch da habe ich viele Schweizer Schüler, die immer wieder zum Training vorbeikommen. So ist der Tag ausgefüllt.» Sein Lieblingsturnier wären auf jeden Fall immer die Weltreiterspiele, betont Ludwig. «Weil man darauf einfach vier Jahre hinarbeitet – und es ein ganz besonderes Erlebnis ist. Das sind unsere Olympischen Spiele für uns. Gerade Kentucky und Aachen – das waren schon Turniere nahe an der Perfektion.» Im Jahreslauf weiss er die «Americana» zu schätzen, die alle zwei Jahre in Augsburg stattfindet. «Und auch die Turniere bei Schumachers sind immer schön.»

Selbst ist der Mann – Grischa beim Küchendienst.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 42/2014)

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