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David Hunt (l.) und Uwe Mechlem diskutierten über das «Judging Supervisory Panel».
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Intensive Diskussionen

18.10.2016 14:58
von  Birgit Popp //

Das 16. Global Dressage Forum fand in diesem Jahr erstmals in Deutschland statt. Idealer Gastgeber war der Hof Kasselmann in Hagen. «Der Anlass war erwartungsgemäss perfekt organisiert! Viele Informationen, tolle Pferde und ebenso tolle Reiter und Trainer», zog der Schweizer Dressurtrainer und Championatsreiter Christian Pläge Bilanz und traf damit die vorherrschende Meinung der rund 320 Teilnehmer aus 24 Ländern.

Nie zuvor dürfte es unter den Referenten und Podiumsgästen mit Kristina Bröring-Sprehe, Emile Faurie, Ingrid Klimke, Sven Rothenberger, Hubertus Schmidt, Dorothee Schneider, Monica Theodorescu, Anky van Grunsven, Jessica von Bredow-Werndl und Isabell Werth eine solch geballte Anzahl Medaillengewinner internationaler Championate auf einmal gegeben haben wie in diesem Jahr. Hinzu kam Voltigierweltmeister Kai Vorberg, der erstmals den bisherigen GDF-Moderator Richard Davison in ebenso kompetenter Weise unterstützte. Ein Umstand, den Gastgeber Ulli Kasselmann mit Stolz erfüllt: «Mit den zahlreichen Turnierveranstaltungen auf dem Hof Kasselmann wie ‘Horses and Dreams’ oder den internationalen Jugendturnieren tue ich etwas für die Reiter, umgekehrt sind sie nun auch alle gekommen.»

Persönliches Fitnessprogramm mit Jessica von Bredow-Werndl.

Das dies keine Selbstverständlichkeit ist, kam gleich zu Beginn des diesjährigen Forums zur Sprache. Im Rahmen des Programmpunkts «Sponsoring – ein Schlüssel zur Finanzierung unseres Sports?» rief Michael Klimke, selbst GP-Reiter und -Trainer, aber mit dem CDI in Müns­ter auch Mitveranstalter, die Dressurreiter auf, sich stärker an ihre Startzusagen zu halten und für gesellschaftliche Anlässe während des Turniers zur Verfügung zu stehen. Auch Edwin Kohl, Hausherr und Turnierveranstalter auf dem Gestüt Peterhof, sieht die Finanzierung der Dressurturniere immer stärker am Scheideweg. Dies, da es einerseits immer schwieriger werden würde, Sponsoren zu finden, andererseits aber die Dressurreiter mit 500000 Euro teuren

Pferdetransportern zu den Turnieren anreisen würden, was potenzielle Sponsoren wiederum abschrecken würde. Eine Entwicklung zu «amerikanischen Verhältnissen», bei denen es wenig Preisgeld für die Reiter gibt, das durch deren Nenn- und Startgelder finanziert wird, sieht er für die Zukunft auch in Deutschland für möglich. Eine Entwicklung, die kein Reiter wirklich begrüssen würde. Ein Kompromiss wäre, die Sponsoren der Reiter auch vermehrt in das Turniersponsoring einzubinden.

Neues Olympiaformat

Um die (Selbst-)Darstellung des Reitsports im Allgemeinen und des Dressursports im Besonderen in den Medien als auch die Vermittlung von Werten ging es auch in weiteren Programmpunkten. Ein Thema, das in zukünftigen GDFs sicherlich noch vertieft werden wird. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch der Beitrag der Vielseitigkeits-Team­olympiasiegerin und internationalen Dressurreiterin Ingrid Klimke, die sich in den sozialen Netzwerken als Marke äusserst erfolgreich selbst aufgebaut und damit ihren Marktwert als  Werbeträgerin gesteigert hat. Sich ihrer Klientel persönlich vorzustellen, nutzte die zum Zeitpunkt des GDF erst zwei Wochen im Amt befindliche FEI-Direktorin für Dressur, Para-Dressur, Reining und Voltigieren Bettina de Rham, die als Nachfolgerin von Trond Asmyr traditionell nach den Eröffnungsworten durch die GDF-Präsidentin Prinzessin Benedikte von Dänemark die neusten Entwicklungen innerhalb der FEI in Bezug auf den Dressursport vorstellte. Zu diesen zählt eine neue Reglung für die Olympischen Spiele, die ein Starterfeld von insgesamt 60 Dressurreitern vorsieht. Pro Mannschaft sind drei Reiter im Grand Prix startberechtigt. Hinzukommt ein «strategisches» Reservepaar, das auch ohne gesundheitliche Probleme eines der drei im Grand Prix gestarteten Paare im Spécial, der wie der Grand Prix über die
Mannschaftsmedaille entscheidet, ersetzen darf und damit auch eine etwaige Teammedaille in Empfang nehmen dürfte.

Anky van Grunsven im Interview mit Richard Davison über ihre Reitschüler.

Positiver Nachwuchs

Höhepunkt des ersten GDF-Tages in der Reitbahn war die Vorstellung jeweils eines Medaillengewinnerpaares bei den EMs ihrer FEI-Altersgruppe durch ihre jeweilige Trainerin. Übergreifend kommentiert wurde dieser Programmpunkt von der Fünfsternrichterin Katrina Wüst, die auch die FEI-Aufgaben für die entsprechende Altersgruppe mitentwickelt hatte und nun die ansteigenden Anforderungen von Children, Pony, Junioren, Junge Reiter zu U25 erläuterte. Sie betonte: «Bei den Children ist die Qualität der Reiterei zu bewerten, nicht die der Pferde. Die Aufgaben müssen so gestaltet sein, dass möglichst viele Länder ohne Dressursporttradition sie bewältigen können.» Beeindruckend waren der durchweg gute, tiefe Sitz mit ruhiger Schenkellage und die gefühlvollen Einwirkungen der Reiterinnen, die aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Russ­land und der Türkei kamen und von ihren niederländischen Trainerinnen Tineke Bartels, Anky van Grunsven, Leida Collin-Strijk und den deutschen Trainerinnen Claudia Endres und Heike Osterkamp vorgestellt wurden. Als einziges Mitglied des deutschen Goldteams von Rio nicht in Hagen anwesend war Sönke Rothenberger, der aber durch seinen Vater Sven vertreten wurde. Dieser referierte über die einzigartige Erfolgsstory seiner drei Kinder im Dressursport. Insgesamt haben Sönke, Sanneke und Semmieke Rothenberger, deren Eltern Sven und Gonnelien 1996 gemeinsam in der niederländischen Mannschaft olympisches Silber und Sven zudem Einzelbronze gewonnen haben, bereits 43 Medaillen bei Jugend-EMs und in diesem Jahr Sönke mit 21 Jahren seine erste olympische Goldmedaille gewonnen. Sven Rothenberger vertrat die These, dass Kinder immer kopieren würden, nicht zwangsläufig die Eltern, manchmal wie im Falle von dem auch im Springsport mit zur schweren Klasse erfolgreichen Sönke auch einen Onkel. «Bei uns stehen 24 Stunden an sieben Tagen die Woche die Pferde im Vordergrund und wir haben immer versucht, unseren Kindern Horsemanship zu vermitteln.» Mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: «Wir haben ihnen immer gesagt, ihr dürft jeden Sport machen, nur mit Pferden muss er sein. Ein Teil des Erfolges ist natürlich auch, dass wir ihnen immer gute Pferde zur Verfügung stellen konnten und vor allem Gonnelien, der das tägliche Training mit den Kindern obliegt, auch immer wieder vormachen konnte, wie es geht. Eine wichtige Basis des Erfolges ist mit Sicherheit auch die gegenseitige Unterstützung der Geschwister untereinander. Dressur ist aber auch eine gute Schule fürs Leben. Der Respekt für das Pferd und die tägliche Arbeit und deren Reflektion bringen den Erfolg.» Hilfe zur Fitness für den Reiter bot am nächsten Morgen Jessica von Bredow-Werndl (Team-EM-Dritte von 2015), der es gelang, fast sämtliche Forums­teilnehmer in die Halle zu locken: «Der Reiter sollte nicht nur auf die Fitness seines Pferdes, sondern ebenso auf seine eigene achten. Ich möchte zeigen, dass man viele Übungen auch ganz ohne Geräte und deshalb leicht auch unterwegs machen kann. Wichtig ist, dabei eine tägliche Routine zu entwickeln. Zehn bis zwanzig Minuten reichen völlig aus!»

Sven Rothenberger referierte über die einzigartige Erfolgsstory seiner drei Kinder.

Entscheidungen reflektieren

Dass sich beim Richten nicht zu viel Routine einschleicht, sondern Entscheidungen immer wieder reflektiert und überdacht werden, das sieht das «Judging Supervisory Panel» als einer seiner Aufgaben, wie David Hunt und Uwe Mechlem, beide Mitglieder dieses Gremiums bei den Olympischen Spielen in Rio, erläuterten. Bisher nur bei Championaten eingesetzt, könnte sich dies in Zukunft aber ändern. Und so International Dressage Trainers Club-Präsident David Hunt (Präsident des internationalen Dressurtrainer Clubs): «Wir sehen unsere Aufgabe nicht nur im Korrigieren von Noten, sondern auch in der Reflektion der
Entscheidungen und damit in der Förderung der Qualität des Richtens.» Heiss diskutiertes Thema ist, wie beide bestätigten, die Frage der Bewertung einer Piaffe und wie mit der Benotung verfahren werden soll, wenn die im Grand Prix geforderten zwölf bis 15 Tritte nicht erfüllt sind. Kontrovers war hierzu auch die Meinung im Auditorium, was auch Christian Pläge unterstreicht: «Für das nächste GDF würde ich mir wünschen, dass vermehrt über Prioritäten und Gewichtungen bei der Bewertung diskutiert werden würde. Das GDF wäre dafür der geeignete Ort. Die Reiter und Trainer müssen wissen, wie die Richter was
gewichten. Seitens der Richter muss die Linie vorgegeben werden. Das betrifft nicht nur die Piaffe, sondern auch andere Lektionen, wie zum Beispiel die Diagonale im starken Galopp, bei der erst der versammelte Galopp, dann der fliegende Wechsel verlangt wird. Heute wird es aber immer umgekehrt gezeigt, ohne dass dies negativ in die Note einfliesst. Oder die Zick-Zack-Traversale: hier erfolgt die Umstellung in die neue Bewegungsrichtung meist schon vor dem Galoppwechsel. Oder die Frage, wie frei darf eine Versammlung gezeigt werden? Ich habe schon einmal im Podium beim GDF versucht, eine Diskussion in dieser Richtung anzustossen, aber es wurde nicht darauf eingegangen.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 41/2016)

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