Wie erwartet kam im Grossen Preis der Schweiz mit dem von Bertrand Bourez gerittenen Kemaliste eines der beiden Baumgartner-Pferde als Erstes ins Ziel. Toscan des Brosses hätte dem Sieger vielleicht gefährlich werden können, doch seine Reiterin Chantal Zollet landete nach dem mächtigen Tribünensprung im Gras.
Der vierte und letzte Aarauer Renntag war eine Bilderbuchveranstaltung. Bei idealen äusseren Bedingungen säumten gegen 10000 Zuschauer die Bahn im idyllisch gelegenen Schachen. Sie sorgten für eine tolle Stimmung und bildeten eine prächtige Kulisse für die acht Rennen, die teilweise hoch spannenden Sport boten.
Hauptereignis war natürlich der mit 50 000 Franken dotierte 67. Grosse Preis der Schweiz, der über 4200 Meter führte. Die wichtigste Hindernisprüfung der Schweiz hatte den Charakter eines Ausscheidungsrennens. Die beiden vom Franzosen Yann-Marie Porzier für Peter Baumgartner trainierten Pferde, Alberto de Ballon und Kemaliste, nahmen das Heft sogleich in die Hand und sorgten an der Spitze für ein flottes Tempo. Schon nach kurzer Zeit galoppierten die beiden einige Längen vor den übrigen drei Pferden. Richtung Wassergrabensprung wurde Bagmati, der schon eine Weile Mühe hatte, den Anschluss zu halten, von seinem Reiter Dirk Fuhrmann angehalten.
Pipiana siegt unter Aurélien Rousse im Cross Country über 4800 Meter vor Urve Bruère (Raphael Lingg).
Einen starken Eindruck hinterliess Toscan des Brosses, der in der Folge mit viel Vorwärtsdrang zum Baumgartner-Duo aufschloss. Doch bei der zweiten Überquerung des mächtigen Tribünensprungs verlor Reiterin Chantal Zollet die Balance. Einen Augenblick lang versuchte sie sich im Stil einer Voltigiererin in den Sattel zurückzukämpfen, landete aber schliesslich unsanft im Gras. So blieben nur noch drei Pferde im Rennen. In der Endphase löste Kemaliste seinen Stallgefährten Alberto de Ballon an der Spitze ab und galoppierte unter dem französischen Jockey Bertrand Bourez einem überlegenen Acht-Längen-Sieg entgegen. Anton Kräuligers Vicomte Alco hatte im Schlussbogen einen starken Moment, musste den zweiten Rang aber schliesslich Alberto de Ballon überlassen, sodass Peter Baumgartner einen Doppelsieg feiern konnte. Dem 84-jährigen Ostschweizer, der vor einigen Jahren erblindet ist und im Rollstuhl sitzt, liefen an der Siegerehrung vor Rührung die Tränen übers Gesicht. Mit seinem fünften Sieg im Grossen Preis der Schweiz hat er nun zum bisher einzigen Rekordhalter Stall Üetli aufgeschlossen.
Nervös wie beim ersten Mal
Sichtlich erleichtert, dass er seine Mission «Sieg im Grossen Preis der Schweiz» zu einem erfolgreichen Ende bringen konnte, war Jakob Rohr, der hinter den Kulissen den Coup im Auftrag von Peter Baumgartner organisiert hatte. «Es lief zum Glück alles wie geplant. Ich habe den GP Schweiz mit meinen eigenen Pferden schon dreimal gewonnen, dazu viele andere GP-Sieger in Frankreich ausgesucht und in die Schweiz gebracht, doch ich bin vor dem Start immer noch furchtbar nervös. Gerade in einem Hindernisrennen ist man nie gefeit vor negativen Überraschungen.»
Schachen-Spezialisten
Stall Wehntals Shaabek, der im Frühling das wichtigste Aarauer Jagdrennen gewonnen hatte, trat diesmal über Hürden (3800 Meter, 10000 Franken) an. Unter Cyriaque Santerne siegte der von Karl Klein trainierte Schachen-Spezialist souverän vor dem erst zum zweiten Mal über die Besen antretenden Tamanoir Argentin. Eine Vorliebe für den Schachen hat auch Pipina (Aurélien Rousse), die im Cross (4800 Meter, 10000 Franken) für einen einheimischen Sieg sorgte. Die elfjährige Stute setzte sich nach einem packenden Finish mit einer Viertellänge Vorsprung gegen den von Anfang an führenden Frontrunner Urve Bruère durch. Pipina gehört dem 86-jährigen Aarauer Hans Rubli, der sie selbst gezüchtet hat. Trainiert wird sie von Hansjörg Haltiner.
Maître de la Piste (ganz oben am Band) siegt mit Laurence Kindler im Sulky im GP der Stadt Aarau.
In den beiden Flachrennen siegten zwei Pferde, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hatte, da ihre jüngsten Referenzen nicht gerade nach einer Wette schrien. Harry the Eagle bewies im Handicap über 2600 Meter Stehvermögen. Silvia Casanova siegte mit dem dreijährigen Fuchswallach vor L’Hexagone und Ilomita. Im Stutenrennen (2000 Meter, 10000 Franken) verwies die von Raphael Lingg gerittene Crapera die höher kotierten Farha und Safija auf die Ränge. Carmen Bocskai trainiert die Siegerin für das Gestüt Söhrenhof.
Dramatischer Final bei den Trabern
An Spannung kaum zu überbieten war die Endphase im Grossen Steherpreis der Traber (3700 Meter, 15000 Franken). Padolin (Marc-André Bovay), der das Feld auf die Zielgerade führte, wurde innen von Maître de la Piste und aussen von Podium du Rib (Barbara Schneider) bedrängt. Eine Zeit lang schien dieses Trio den Sieg unter sich auszumachen, doch ganz am Schluss mischten sich ganz aussen auch noch Retbutler und Phénix du Tarn in den Kampf ein, sodass schliesslich fünf Pferde praktisch gleichzeitig ins Ziel stürmten. Das Zielfoto sprach für den von Laurence Kindler pilotierten Aussenseiter Maître de la Piste. Die beiden anderen Podestplätze belegten Meister Padolin und Podium du Rib. Im für Inländer-Traber reservierten Grossen Preis der Züchter (2525 Meter, 15000 Franken) gab es einen Doppelsieg für die aktuell in grosser Form agierende Ecurie Turrettini. Die vierjährige Stute Attaline (Anne Laubscher) siegte überlegen vor ihrem ein Jahr älteren Stallgefährten Vlattimaro (Henri Turrettini).
Nachdem im dritten Trabfahren die favorisierten Uva Blue und Peppermint DVM schon in der Anfangsphase disqualifiziert worden waren, nützte Ulysse Huchetière (Raphaël Fresneau) die Gunst der Stunde zu einem Sieg vor Saltimbanque und Osiris Sleipner.
(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 37/2014)
Die «PferdeWoche» auf Facebook mit speziellen News und Attraktionen.
Sie haben noch kein Abonnement der PferdeWoche?
Die «PferdeWoche» auf Twitter mit attraktiven Tweets aus der Pferdewelt.