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Lockdown! Darf ich noch zu meinem Pferd?

17.03.2020 14:59
von  Angelika Nido Wälty //

Weil sich das Coronavirus immer mehr ausbreitet, hat der Bundesrat in der Nacht auf gestern, Dienstag, den gesamtschweizerischen «Notstand» in Kraft gesetzt. Die damit einhergehenden verschärften Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung haben auch Auswirkungen auf die Pferdesportszene. Wir beantworten die für Reiter und Pferdehalter brennendsten Fragen rund um die aktuelle Krisensituation – so weit dazu schon gesicherte Informationen vorliegen.

Darf ich noch zu meinem Pferd fahren, es versorgen und bewegen?

JA – Die vom Bund mittels der COVID-19-Verordnung festgesetzten Auflagen schränken das öffentliche Leben drastisch ein, aber zurzeit gibt es in der Schweiz noch keine Ausgangssperre wie zum Beispiel in Italien. Dort dürfen Pferdebesitzer im Moment tatsächlich nicht mehr zu ihren Vierbeinern. In Österreich sind Besuche beim Pferd trotz einer geltenden Ausgangsbeschränkung zurzeit noch möglich. Bei uns darf man nach derzeitiger Situation das Haus auch verlassen, um sich in der Natur zu bewegen oder zum Pferd zu gehen. Auf dem Weg in den Stall, im Stall, in der Reithalle und im Reiterstübli müssen die Anweisungen des Bundesamtes für Gesundheit BAG in Bezug auf die Hygienemassnahmen und das Abstandhalten (1,5 bis 2 Meter) zu anderen Personen befolgt werden.  

Findet meine Gruppenreitstunde noch statt?

NEIN – «Wir haben den Gruppenunterricht abgesagt, es finden wenn überhaupt nur noch Privat- und Longenstunden statt», sagt Reitlehrer Derek Frank von der Reitschule «Scuderia alle Gerre» in Losone im Kanton Tessin, der als erster Schweizer Kanton den Notstand ausgerufen hatte. Da der Bund gestern schweizweit alle Unterhaltungs-, Sport- und Freizeitbetriebe bis am 19. April schliessen liess, gilt dieses Verbot mit grösster Wahrscheinlichkeit auch für Reitschulen. Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) schreibt in seinen Empfehlungen und Massnahmen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Epidemie: «Eine entsprechende Bestätigung folgt nach Abklärungen so rasch wie möglich. Somit darf ab sofort kein Reitunterricht mehr erteilt werden und der Zugang von externen Personen muss auf ein Minimum beschränkt werden.» Und Achtung: Die Umsetzung der Massnahmen wird kontrolliert! «Nach Aussagen eines Verbandsmitglieds finden Polizeikontrollen in Freizeitbetrieben statt, so auch auf Reitanlagen», sagt Martin H. Richner, Präsident des Branchenverbands Swiss Horse Professionals (SHP). Er empfiehlt Reitbetrieben daher dringend, die angeordneten Massnahmen ernst zu nehmen und umzusetzen.

Als Reitschulbetreiber erleide ich durch die Auflagen des Bundes finanzielle Verluste. Habe ich Anrecht auf eine Entschädigung?

Möglicherweise – Der Bundesrat hat erklärt, dass er sich der wirtschaftlichen Folgen der angeordneten Massnahmen bewusst ist. Er will der Wirtschaft schnell und unbürokratisch unter die Arme greifen und stellt dafür Mittel in Milliardenhöhe zur Verfügung. «Wir klären zurzeit ab, ob auch Reitbetriebe allfällige Ertragseinbussen geltend machen können und wenn ja, wie sie dabei vorgehen müssen», erklärt SHP-Präsident Martin H. Richner. Der Verband will seine Mitglieder so rasch wie möglich informieren.

Wir möchten einen Concours unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführen. Dürfen wir das?

NEIN – Gemäss Bundesbeschluss sind seit gestern, Dienstag, bis am 19. April sämtliche öffentlichen und privaten Veranstaltungen verboten. Das umfasst Pferdesportturniere – mit und ohne Publikum – genauso wie ein stallinternes Gymkhana. Gemäss SVPS betrifft das Verbot auch Grundausbildungs-, Lizenz- und Brevetkurse. «Wir werden uns bemühen, Lösungen für die Terminkoordination von verschobenen Veranstaltungen zu finden», schreibt der SVPS.

Mein Pferd steht im grenz­nahen Deutschland. Kann ich trotz geschlossener Grenze zu meinem Vierbeiner?

Nur im Ausnahmefall
– «Eine Einreise nach Deutschland ist für Schweizer zurzeit nur mit einem triftigen Grund möglich», sagt Bettina Stahl. Gemäss der Sprecherin der Bundespolizei Konstanz liegt ein solcher Grund zum Beispiel bei Selbstversorgern vor, deren Pferde verhungern würden, wenn sich niemand um sie kümmert. «Dort hat das Tierwohl Vorrang», sagt die Bundesbeamtin. Entsprechende Beweise müssen an der Grenze vorgelegt werden. Schweizer Pferdebesitzer, die ihr Tier in einem deutschen Pensionsstall halten, in dem es betreut und versorgt wird, erhalten an der Grenze keine Einreiseerlaubnis. «Es ist uns bewusst, dass dies eine sehr emotionale Angelegenheit für Pferdebesitzer ist. Aber wir erlauben im Moment auch keine Besuche bei Familienangehörigen, da sind Besuche beim Pferd nicht zu rechtfertigen. Die Lage ist prekär und erlaubt es nicht, das Interesse von Reitern und Pferdebesitzern über das Gemeinwohl zu stellen», sagt Bettina Stahl.

Darf der Tierarzt zu meinem Pferd?

JA – «Tierärzte werden auch weiterhin alles tun, um Leben zu erhalten», sagt Thomas Bürge, Kantonstierarzt für den Kanton Basel-Landschaft. Es ist Veterinären auch beim aktuellen Notstand erlaubt, ihre vierbeinigen Patienten zu besuchen, auch Notfalltransporte in und aus Tierkliniken sind gestattet. Bürge rät Pferdebesitzern aber dazu, im Moment nur wirklich notwenige medizinische Behandlungen und Therapien vornehmen zu lassen – und im eigenen Interesse sowie aus Rücksicht auf den behandelnden Tierarzt die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln des BAG zu beachten. Das Gleiche gilt auch für den Hufschmied, der als Dienstleister weiterhin in den Ställen verkehren kann, ebenfalls unter Einhaltung der genannten Sicherheitsauflagen.

Mir geht das Pferdefutter aus. Bekomme ich noch Nachschub?


JA – Eine Vielzahl von Geschäften muss bis am 19. April schliessen, davon ausgenommen sind neben Lebensmittelläden, Apotheken und weiteren Anbietern von Waren des täglichen Gebrauchs auch Futtermittelhändler: Sie dürfen weiter Kleintier- und Pferdefutter verkaufen. Auch Futtermittellieferanten können weiterhin in die Ställe liefern. Die meisten Reitsportgeschäfte haben ihre Türen seit gestern geschlossen und setzen auf den Onlinehandel. Es gibt aber Ausnahmen. Felix Bühler, der grösste Schweizer Reitsportfachmarkt, schreibt auf seiner Webseite: «Zur Sicherstellung der Versorgung mit Tierfutter bleiben unsere Filialen bis auf Weiteres für Sie geöffnet!»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 11/2020)

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