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Rolf Fässler (r.) mit seinen Kindern Fabio und Sabrina sowie Melch Rutz.
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Per Pferd auf die Alp

01.09.2015 14:59
von  Corinne Hanselmann //

Rolf Fässler und Melch Rutz aus Nesslau säumen regelmässig mit ihren Freibergern. Die «PferdeWoche» hat sie beim Transport von Stroh und Holz auf eine Alp im Toggenburg begleitet.

Behutsam heben Rolf Fäss­ler (39) und Melch Rutz (27) einen Strohballen nach dem anderen auf den Packsattel von Freiberger Colorado. Beruhigend sprechen sie dabei mit dem Wallach. Mit Gurten zurren sie die Last fest, damit sie auf der unwegsamen Strecke zur Alp Chirchli auf 1400 Meter über Meer an Ort und Stelle bleibt. Danach wird auch Füchs, der zweite Wallach, beladen. Die Männer achten sorgfältig darauf, dass beide Seiten gleichmässig belastet werden. «Gesamthaft können wir pro Pferd je nach Gelände 100 bis 150 Kilogramm laden», erklärt Rolf.

Schmal und unwegsam

Das Material dient zur Versorgung der Alp oberhalb von Unterwasser, denn hier werden Kühe auf den saftigen Alpweiden ihren Sommer verbringen. Der Hirte hat das Material so weit wie möglich mit Traktor und Anhänger befördert. Doch das letzte Stück – zu Fuss be­nötigt man rund eine halbe Stunde – kann kein Transportfahrzeug bewältigen. Zu schmal und zu unwegsam ist der Weg. Auch die Pferde sind mit dem Pferdeanhänger bis oberhalb der Thurwis transportiert worden. Von dort geht es zu Fuss weiter bis zum Ladeplatz. Der Weg führt direkt unter dem Seil der kürzlich neu erbauten Transportseilbahn zum Rotsteinpass hindurch.

Eine Tradition erhalten

Es ist ihr Hobby, das Säumen. Rolf und Melch, sie kennen sich aus dem Dorf, möchten das alte Handwerk erhalten und sind gerne in der Natur. «Heute muss alles immer so schnell wie möglich gehen», so Melch. «Beim Säumen gibt das Pferd das Tempo vor.» Beide haben die Train-­Rekrutenschule absolviert. Doch Rolf lernte schon als Kind von seinem Vater das Säumen und ist seit jeher von Pferden fasziniert. «Mir gefällt die Arbeit mit Tieren und dass ich dabei draussen bin», sagt er. Zudem könne man so etwas Altes – früher Unentbehrliches – erhalten. Im Alltag arbeitet Rolf als Metzger, Melch in einem Forstbetrieb. Seit über zehn Jahren besitzt Rolf Pferde. Nebst dem Säumen setzt er sie auch für Kutschenfahrten ein – einerseits fürs Gesellschaftsfahrten, aber auch für umweltschonenden Materialtransport, zum Beispiel von Holz. «Und wenn ich mal nicht weiss, was ich tun soll, dann mache ich ­einen Ausritt.»

Säumer aus Leidenschaft: Rolf Fässler geht mit Freiberger Füchs über Stock und Stein.

Das Ziel in Sicht: die Alphütte Chirchli.

Beim Säumen transportieren Rolf und Melch nicht nur Material wie Stroh, Holz oder Verpflegung an entlegene Orte, sondern bringen auf Alpen Ende Sommer auch den Mist auf die Wiesen aus. Fertig beladen geht es los. Rolf und Melch führen die Pferde am Zügel. Unterwegs ist Konzentration gefragt. Immer wieder hört man die Männer die Tiere mit einem ruhigen, aber bestimmten «Ufpasse» auf ei­ne Unebenheit aufmerksam machen. Plötzlich stoppt der Tross auf dem steinigen, nur schulterbreiten Pfad. Direkt links daneben ein steiler Hang, weit unten sieht man winzige Autos und Personen auf der Thurwis. Rechts neben dem Weg geht es ebenso steil bergauf, eine Wiese, durchsetzt mit grossen Steinbrocken. Ein paar Sträucher versperren den Weg. Melch beseitigt sie mit einer Säge, die er beim Säumen stets dabei hat.

Ziel in Sicht

Mit dabei sind auch Rolfs Kinder Fabio (10) und Sabrina (8). Auch sie interessieren sich für die starken Vierbeiner und helfen mit, wo es geht. Wiederum wird das Wissen und Können vom Vater an die Kinder weitergegeben, wie dies schon eine Generation ­frü­her der Fall war. Nach einigen engen Wendungen um Felsen und Sträucher ist sie plötzlich in Sicht: die Alp­hütte Chirchli – das Ziel der heutigen Reise. Kaum angekommen, helfen sich Rolf und Melch gegenseitig und mit geübten Handgriffen, die Pferde von ihrer Last zu befreien. Nach einer kurzen Verschnaufpause machen sie sich wieder auf den Weg zum Ladeplatz. Es warten weitere rund 15 Heuballen und einiges an Brennholz auf Colorado und Füchs. «Wir werden noch etwa drei Säume machen müssen», schätzt Rolf die Menge des restlichen Materials mit geübtem Auge ein. Beim Ladeplatz angekommen, bekommen die Freiberger zur Belohnung ein paar Stücke hartes Brot. Genüsslich kauen sie und warten geduldig, bis ihr Packsattel wieder beladen ist. Für ihn und Melch gebe es dann zur Belohnung nach getaner Arbeit einen Schnaps, meint Rolf lachend. Und zieht mit Füchs an der Hand erneut los in Richtung Alphütte.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 34/2015)

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