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Vor allem in klassischen Pensionsställen sind Pferde, die als Nutztiere registriert sind, nicht ganz unproblematisch.
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Pferd als «Nutztier» – ohne Konsequenzen?

03.02.2015 15:04
von  Melina Haefeli //

Heim- oder Nutztier? Nach wie vor scheinen Pferdebesitzer oder auch Pensions­stall­be­trei­ber über die Konsequenzen von der Equiden-Re­gis­trie­rung verunsichert zu sein. Im Allgemeinen empfehlen Tierärzte, vor allem Privatpferde als Heimtiere einzutragen. Dies nicht nur aufgrund des administrativen Auf­wandes und dessen fragwürdigen Zuteilung der Verantwortung in der Praxis, sondern auch wegen der eingeschränkten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten.

107'251 Equiden sind aktuell in der Schweiz regis­triert. Davon gelten 43'498 als Heimtiere und 63'753 als Nutztiere. Sind sich alle Besitzer oder Halter von als Nutztier registrierten Pferden, Ponys, Maultieren, Mauleseln oder Eseln bewusst, was die Konsequenzen davon sind? Regelmässige Anfragen von Lesern der «Pfer­deWoche» deu­ten auf das Gegenteil hin.

Behandlung stark eingeschränkt

Vor allem bei Privatpferden empfehlen viele Veterinäre ihren Kunden, die Tiere als Heimtiere zu registrieren. So beispielswei­se auch Dr. med. vet. Rolf Hegner: «Die Besitzer ersparen sich damit keineswegs nur den Aufwand mit dem Führen des Behandlungsjournals, wo jede Medikamentengabe mit den jeweiligen Absetzfristen ein­getragen werden muss – seien das Impfungen, Wurm­kuren, Salben oder andere Mittel.» Bei Nutztieren sei man in der medizinischen Behandlung im Allgemeinen extrem eingeschränkt. «Die als Heimtier registrierten Pfer­de können wir Tierärzte optimal behandeln. Für Nutztiere hingegen gibt es klare Vorschriften, welche Mittel überhaupt zugelassen sind und unter welchen Voraussetzungen.» Das ma­che die medizinische Versorgung eines Heimtiers durchaus unproblematischer.

«Grundsätzlich dürfen nur Arzneimittel eingesetzt wer­den, die für Nutztiere zugelassen sind», bestätigt auch die Zürcher Kantons­tierärztin, Regula Vogel. «Es gibt aber Ausnahmen.» Wenn beispielswei­se für eine bestimmte Krankheit gar kein zugelassenes Arzneimittel auf dem Markt sei. «Dann dürfen bei Equiden mit Nutztierstatus Arzneimittel eingesetzt werden, obwohl sie für diese nicht zugelassen sind. Je nach Arzneimittel müssen jedoch in solchen Fällen sechs Monate bis zu einer allfälligen Schlachtung zugewartet werden.» Für einzelne Arzneimittel gebe es aber keine Ausnahme: Sie sind für Nutztiere verboten. «Bei den Ausnahmefällen handelt es sich meist um Mittel, die nur mit einer sogenannten Magistralrezeptur angewendet werden. Das heisst, dass auf ein tierärztliches Rezept hin für ein bestimmtes Tier in einer Apotheke das Arzneimittel extra hergestellt wird», erklärt Vogel weiter. Zu den in keinem Fall zugelassenen Medikamente ge­hören unter anderen das Antibiotikum «Chlo­ram­phe­ni­col», das bei­spiels­wei­se die Cortivet Augensalbe beinhaltet oder auch das Antibiotikum «Me­tro­ni­da­zol» aus der Humanmedizin. Zur Zeit wird die Tierarzneimittelverordnung (TAMV) teilrevidiert, wo auch bei Pferden diverse Anpassungen – vor allem an das EU-Recht – erfolgen sollen.

Verantwortung liegt beim Stallbetreiber

Doch auch wegen des Führens des Behandlungsjournals wurde empfohlen, Privatpferde als Heimtiere zu registrieren. Denn in Pensionsställen ist es schwierig, dieser Pflicht nachzukommen. Weil die Verantwortung dafür beim Tierhalter liegt, in diesem Fall beim Stallbetreiber, nicht beim Pferdebesitzer. Die Aufgabenzuteilung zwi­schen den beiden ist nicht praxisgerecht, da der Stallbetreiber kaum mit dem Tierarzt seiner Pensionspferde zu tun hat. Nur selten bekommt er mit, welches Tier mit welchen Medikamenten be­handelt wird – und trotzdem ist er dafür verantwortlich und bezahlt entsprechend auch für mögliche Missstände.

Auch die gesetzlich vorgeschriebene Tierarzneimittel-Vereinbarung zwischen Nutztierarzt und Nutztierhalter ist in einem Pensionsstall, wo verschiedene Tierärzte die einzelnen Tiere betreuen, ein Ding der Unmöglichkeit.

Heimtier: Eigentlich nur Vorteile

Somit gibt es sowohl für Halter wie auch Besitzer von Privatpferden eigentlich nur Vorteile, wenn ihre Tiere Heimtiere sind. Mit Ausnahme der Mehrkos­ten: Rechnet man den Verlust des Schlachtpreises, die Tötung und Entsorgung des Tieres, kommt man auf rund 1500 Franken. Betrachtet man jedoch die monatlichen Ausgaben, die ein Pferd mit sich bringt, relativiert sich diese Zahl rasch.

«Ausserdem», kann Hegner aus seiner Erfahrung in der Praxis berichten, «gibt es kaum noch Besitzer von Privatpferden, die möchten, dass ihr Tier in die Lebensmittelgewinnung kommt.»

 

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Von Geburt an ein Nutztier

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Registrationsmöglichkeiten liegt darin, dass ein Nutztier geschlachtet und somit verwertet werden darf, wäh­rend ein Heimtier im Falle des Todes entsorgt, also verbrannt werden muss. Da das Fleisch des Nutztieres für den menschlichen Verzehr angeboten wird, muss jedes verabreichte Mittel im Behandlungsjournal mit Pferdename, Datum des Verabreichens, Art des Mittels, Dosierung, Grund und Absetzfrist verzeichnet werden. Da Equiden im Heilmittelrecht grundsätzlich als Nutztiere gelten, sind sie bei der Geburt automatisch Nutztiere. Ein als solches deklarierter Vierbeiner kann aber jederzeit zum Heimtier mutiert werden, zurück geht es nicht mehr. Dies aus dem guten Grund, weil man nachträglich nicht mehr nachweisen kann, welche Substanzen sich im Körper des Pferdes befinden und in die Lebensmittelgewinnung gelangen könnten.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 04/2015)

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