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Aktuelle Themen

Respektvolles Miteinander

20.03.2018 12:49
von  Sandra Leibacher //

Wer die individuelle, grenzenlose, regellose Reitfreiheit sucht, dürfte es schwer haben, in unserem Land  den Platz zu finden. Vielerorts wird gebaut, reglementiert, verändert, verboten, eingeschränkt und vorgeschrieben. Es ist eng geworden, die Reiter haben Konkurrenz bekommen, denn viele andere Interessengemeinschaften melden ihre Bedürfnisse an. Teilen ist angesagt, ein aktives, engagiertes Miteinander ist gefragt und Lösungsansätze sind gesucht.

Reiten im Gelände – Konsens ist gefragt

Die Verkehrsdichte im Mittelland nimmt stetig zu und in verschiedenen Regionen gibt es räumliche Einschränkungen. Trotzdem ist das Reiten im Gelände und in den Dörfern vielerorts kein Problem. Reitverbote sind zwar vorhanden, doch eine markante Zunahme ist nicht zu verzeichnen. Es zeigt sich vielerorts, dass der Konsens zwischen Landbesitzer, Gemeinden und Reitern elementar ist. Zusammen am «runden Tisch» ein Problem besprechen und gemeinsam nach Ergebnissen suchen, erweist sich in den meisten Fällen als optimaler Lösungsansatz.

Gut organisierte Regionalverbände

Der SVPS beschäftigt sich zwar mit rechtlichen Fragen, allerdings nur mit dem Verbandsrecht für fairen Sport, der Durchsetzung der geltenden Reglemente und allfälligen Sanktionen. Der Sportverband veröffentlicht Kampagnen und Publikationen, die auf gewisse Problematiken hinweisen. Im Detail sind in Sachen Reitverbote, Reitwege etc. aber die Regionalverbände und die Vereine gefragt. Alle fünf Schweizer Regionalverbände, OKV, ZKV, FER, PNW und FTSE, führen ein Ressort «Recht & Umwelt» und sind mit ihren Kommissionen für rechtliche Belange gut organisiert.

Sie dienen der Pflege und Förderung der Reitmöglichkeiten im Einvernehmen mit allen zuständigen Behörden und Kommissionen, Land-, Weg- und Waldbesitzern auf allen Wegen und Strassen. Das Vorgehen ist bei allen Verbänden gleich, für ein Beispiel dient nun der OKV. Hier ist das gesamte Verbandsgebiet in sechs Sektoren eingeteilt, in dem es einen Verantwortlichen gibt. Zusammen mit der Chefin «Recht & Umwelt», Frau Claudia Weber, beraten sie die Reitwegverantwortlichen der Vereine und arbeiten eng mit verschiedenen Reitervereinigungen zusammen.

Strassensanierungen – zeitliche Reitverbote

In den amtlichen Publikationen wird über die Sanierungen von Flurstrassen informiert. Besteht ein Reitverbot, wird dieses ebenfalls ausgeschrieben, optimalerweise gleich mit der Dauer des Reitverbotes. Hier gilt zum Wohlwollen der Bevölkerung, sich an das Reitverbot zu halten. Eigeninteresse für einmal zurückzustellen, zumal das Reitverbot meist nur temporär ist. Vorschriften gelten grundsätzlich für alle und es ist wie überall, halten sich alle daran, gibt es im Normalfall keine Probleme. Oft sind es Uneinsichtige, die sich über die Verbote hinwegsetzen, Ärger und Verdruss provozieren und somit meist für Schaden einer ganzen Gruppe sorgen.

 

 

 

Hier besteht ein dauerhaftes Reitverbot.

Gutes Beispiel Rheinvorland Kriessern-Oberriet

Dass es auch anders geht, zeigt ein Beispiel aus dem Rheintal. Reiter haben sich bei der Rheinbauleitung über die Gegebenheiten bezüglich reservierter Freihaltestreifen (Reitweg) entlang der befestigten Strasse auf den Pachtflächen des Rheinvorlandes informiert. Die Weisung der Rheinbauleitung sieht einen 1,5 Meter breiten Freihaltestreifen entlang der befestigten Strasse vor. Sie gelangten mit ihrem Anliegen für den Freihaltestreifen an die Ortsgemeinde, welche sich mit den Landpächtern in Verbindung setzte. Die Gemeindeverantwortliche ermahnte die Landpächter, ihre Weidezäune entsprechend zurückzusetzen, um den Reitweg entlang der Strasse freizugeben.

Reitweg und Wanderweg, das geht bestens.

Dies wurde von den Pächtern zur Zufriedenheit aller umgesetzt. Im Gegenzug verpflichteten sich die Reiter aber auch, nur auf den eigens dafür vorgesehenen Wiesenstreifen zu reiten und somit auch ihren Beitrag für eine einvernehmliche Lösung beizutragen.

Pferdemist auf Quartierstrassen

In vielen Gemeinden sorgen Pferdemist auf Trottoirs verständlicherweise zu Unmut und Ärger. Per Gesetz gilt das Pferd als «Verkehrsteilnehmer», Pferde gehö­ren daher auf die Strasse. Auf Trottoirs zu reiten, ist gemäss Strassenverkehrsgesetz verboten. Innerorts könnte dieser Grundsatz meist problemlos umgesetzt werden und das Ärgernis erheblich reduziert werden. Hier wird an die Rück­sichtnah­me und ein gesundes Miteinander appelliert. Sicherlich haben alle Verständnis, dass, wenn ein Pferd scheut, es auf das Trottoir ausweicht. Doch prinzipiell auf dem Trottoir reiten, auch wenn es nicht nötig ist, sollte man möglichst unterlassen. Unbelehrbarkeit und Rück­sichts­losigkeit Einzelner kann letztlich in einem Reitverbot resultieren, welches dann wieder alle bestraft.

Pilotprojekt Diepoldsau

In der Gemeinde Diepolds­au im Rheintal wurde für das Pferdemistproblem auf Quartierstrassen durch die Initiative von Frau Carmen Bruss eine beispielhafte Lösung mit «Nachahmungspotenzial» gefunden. Frau Bruss, selber seit 40 Jahren Pferdebesitzerin und politisch in der Gemeinde aktiv, überlegte sich, wie man das Problem «Pferdemist» lösen könn­te. Dies war immer wieder Gesprächsthema in Diepoldsau und auch in anderen Gemeinden im Rheintal. Sie wollte proaktiv handeln, bevor es durch Reklamationen der Bevölkerung dann per Gesetz von der Gemeinde geregelt würde. «Auf freiwilliger Basis zahlen die Pferdebesitzer, die durchs Dorf reiten, einen Solidaritätsbeitrag «Mistgeld» von 20 Franken pro Jahr in die Gemeindekasse», so Carmen Bruss. «Rechnungsstellerin ist die Gemeinde und durch aktives 'Weibeln' im Reitverein, bei Stallbesitzern und Reitern im Dorf konnte ich rund 70 Reiter dazu bewegen, mitzumachen.» Die Gemeinde nimmt so rund 1500 Franken jährlich ein und das Geld wird für das «Taschengeld» der Putz­kolon­ne eingesetzt, weiss Frau Bruss zu berichten. Sozialhilfebezüger, in diesem Fall Asylbewerber, gehen nun einmal wöchentlich mit Schubkarren, Schaufeln und Besen durch die Quartierstrassen und entsorgen die Pferdemisthaufen. «Vie­le Asylbewerber dürfen ja keiner Arbeit nachgehen, bei Gemeindeprojekten dürfen sie aber mitmachen. Ich dachte mir, so könnten sie einen Beitrag für die Gemeinde ihrerseits leisten, haben eine Aufgabe und bekommen für die 'Misttouren' noch ein kleines 'Sackgeld'», so die Initiantin. Bei uns in Diepoldsau hat es so viele Pferde, dass wir einfach proaktiv etwas unternehmen mussten, damit wir keine Probleme bekommen.

Jedes Jahr wird im Gemeindeblättchen unser Projekt publiziert, der Beitrag erscheint in der Gemeinderechnung und stösst bei der nichtreitenden Bevölkerung auf Zustimmung. Es handelt sich um eine «Win-win»-Situation, denn die Putzkolonne leistet für den kleinen Zusatzverdienst gerne ihren Einsatz. Die Bevölkerung muss sich nicht über unliebsamen Pferdemist ärgern und die Reiter müssen nicht mit Plastiksack und Schaufel durchs Dorf reiten», freut sie sich. «Ich kann allen empfehlen, die ebenfalls ein ‘Mistproblem’ haben, sich mal mit der Gemeinde in Verbindung zu setzen. Drehscheibe sollte die Gemeinde sein und das Aufgebot der Putzkolonne sollte ebenfalls von den Gemeinden initiiert werden. Das Ganze sollte jedoch auf freiwilliger Basis stattfinden. Vielleicht findet man in der Gemeinde jemanden, der einen kleinen Nebenjob machen möchte. Ein Mitmachzwang stösst meist erst einmal auf Ablehnung. Durch den Appell im Reitverein oder bei Stallbesitzern kann man schon viel bewirken und ich denke, es dürfte allen einleuchten, dass sich die Zeiten geändert haben und wir nicht mehr überall auf Verständnis für die Misthaufen stossen», meint die engagierte Pferdebesitzerin.

Bleiben Sie im Wald auf den Waldstrassen.

Hier darf nach «Herzenslust» durch den Wald geritten werden.

Reiten im Wald

Reiter sind im Wald willkommen, sollten sich aber an die örtlichen Gegebenheiten halten. Grundsätzlich gilt das Reiten auf befes­tigten oder speziell gekennzeichneten Wegen als völlig unproblematisch. Das Reiten querwaldein wird jedoch nicht toleriert, da dies die Wildtiere stört, den Jungwuchs zerstört und das Wurzelwerk der Bäume beschädigt. Vielerorts gibt es spezielle «Reitwege» die sich bestens eignen, den Waldritt zu geniessen. Achtung, auf einem Vita Parcours haben Reiter mit ihren Pferden nichts verloren! Dieser Parcours ist nur für «Zweibeiner».

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 11/2018)

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