Suche
Priska Hegglin.
Previous Next
Aktuelle Themen

Schwergewichte sind leider eine Rarität

18.12.2012 12:44
von  Charles Stoob //

Der elterliche Hof Ausserschwandegg der Familie Uhr liegt etwas ausserhalb des Dorfes Menzingen auf einer erhöhten ebenen Fläche inmitten zahlreicher Obstbäume. Tochter Priska Hegglin hat da ­ihren Traum verwirklicht – einen Stall voll grosser, mächtiger, schwarzer Shire-Pferde. Den Umgang mit Pferden beziehungsweise Tieren lag ihr schon als kleines Mädchen im Blut, was auf einem Bauernhof nicht verwunderlich ist. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, dass es dereinst die Pferde sein würden, an die sie ihr Herz verlieren würde.

Priska kommt nicht aus einer typischen Rösselerfamilie, in der schon der Grossvater eine besondere Schwäche für die edlen Tiere hatte. Doch als in der Nachbarschaft ein Pferd im Stall zu stehen kam, war der kleine Blondschopf immer wieder da anzutreffen. Den Stall misten und andere Tätigkeiten, wie sie von einem kleinen Mäd­chen geliebt und mit Hingabe erledigt werden, oder einfach beim Pferd zu sein, war immer der Höhepunkt des Tages.

Der Uhr-Hof liegt inmitten schöner Moränenhügel.

Irgendwann kam dann die von ihr langersehnte Fra­ge, ob die kleine Stallmeis­terin nicht auch Lust hätte, einmal auf das Pferd zu sitzen. Das Herz pochte gewaltig, die Augen leuchteten und mit einem beherzten Ja stimmte sie der Frage zu. So lernte sie das Reiten in unmittelbarer Nähe des Elternhauses. Später dann waren es die Freiberger, die es ihr angetan hatten. Nur ausreiten mochte sie nicht. Sie liebte den Umgang mit den Tieren und brachte es nach kurzer Zeit fertig, im Wald mit ihnen zu arbeiten, geschlagenes Holz naturschonend mit einem PS aus dem Wald zum Rüstplatz zu führen. Priska erinnert sich: Immer wieder sei es faszinierend gewesen, zu sehen, wie schnell – bei entsprechendem Umgang – die braven Freiberger gelernt hätten, die Arbeit wunschgerecht zu erledigen und mit welchem Arbeitswillen sie sich ins Geschirr legten. Das regte sie an, Freiberger zu züchten, und bot mit den ruhigsten von ihnen heilpädagogisches Reiten an. Was übrigens auch rege benutzt wurde.

Mit einem Viererzug an der Olma.

Auch wenn sie selber ein sportlicher Typ ist, Teilnahmen an Concours zog sie nicht in Betracht. Zudem war die Welt auf den Springplätzen nicht die ih-re. Viel lieber gab sie einem Start an Geschicklichkeits­prüfungen den Vorzug. Hier zeigt sich nämlich, wer sein Pferd tatsächlich im Griff hat. Parallelen zur Arbeit im Wald tun sich hier auf.

Wende zum Schwergewicht

Dass sie heute aber fünf Shire-Horses im Stall hat, ergab sich eher durch Zufall. Durch ein Inserat, bei dem jemand einen Shire zum Verkauf anbot. Priska war umgehend zur Stelle und schaute sich den ausgeschriebenen «Hank» eingehend an. Auch der Pro­be­ritt verlief äusserst zufriedenstellend. Eine Portion Glück verschaffte ihr dann den Zuschlag. Sie war stolze Besitzerin eines Shire geworden.

Priska mit einem Planwagen und Gästen am Viererzug auf grosser Fahrt.

Sicher, Shi­re sind in der Schweiz eine Rarität. Es soll ja in unserem Land nur noch rund 25 Stück geben. Wenn man seine Vorlieben nicht im Reiten, sondern eher in der Arbeit mit Pferden im Zug hat, dann liegt es auf der Hand, dass man für solche Kraftpakete dieser Rasse grosse Bewunderung hegt.

Dieser Schritt zum Shire, der vom Stockmass her – bis 2,1 Meter – grössten Pferderasse der Welt, liegt nun schon fast ein Jahrzehnt zurück. Wer sich einen anschafft, muss wissen, dass dieses Pferd in der Pflege und im Unterhalt arbeitsintensiver ist, als ein übliches Freizeitpferd. Begreiflicherweise frisst ein Pferd, das gute 200 Kilogramm schwerer ist als ein Halbblut, eine ganze Men­ge mehr.

Eine grosszügige Weide ist vorhanden.

Wichtig ist im Bereich der Pflege, dass der Kötenbehang immer sauber gehalten wird. Das ganze Pferd ist schwarz, der Kötenbehang aber weiss. Deshalb ist gerade wegen dieses Kötenbehanges peinlichst darauf zu achten, dass die Einstreu in der Box immer sauber und trocken ist, weil die Pferde durch die lange Beinbehaarung sehr anfällig auf Mauke sind, was wiederum sehr mühsam zu kurieren ist. Hinzukommt, dass der Hufschmied für die Hufe – sie sind doppelt so gross wie normale – eigens Spezialeisen anfertigen lassen muss, was sich im Preis niederschlägt. Aber dieser finanzielle Aufwand lohnt sich alleweil.

Aufgrund der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen sollte Hank nicht nur geritten, sondern auch eingespannt werden. Priska nahm deshalb klugerweise während eines Jahres Fahrstunden im Bernbiet, denn Fahren im heutigen Verkehr ist nur etwas für helle Köpfe. Glücklicherweise liegt das Gebiet im Umkreis vom Hof Ausserschwandegg abseits grosser Verkehrsachsen. Priska konnte also hier ausgiebig und ohne Hektik die Arbeit an den Leinen weiter perfektionieren.

Vier Shire stehen voll im Geschirr startbereit.

In die Zukunft blickend hat sie einige Ideen. Sie möchte ihr Projekt in zwei Richtungen etablieren. Ers­tens will sie Anfängern Gelegenheit bieten, auf ruhigen Pferden reiten zu lernen. Aber auch Fortgeschrittene sollen bei ihr zum Zug kommen. Daneben will sie aber vor allem mit Gespannen zu zweien oder zu vieren unterwegs sein. Dies natürlich an Umzügen oder Anlässen mit historischem oder volkstümlichem Hintergrund. Es stehen dafür drei Kutschen für vier bis 16 Personen zur Verfügung. Eine besondere Spezialität sollen Hochzeitsfahrten werden, wo Braut und Bräutigam im offenen Landauer zwei oder vierspännig kutschiert werden. Gesellschaftsfahrten im zehnplätzigen Planwagen sollen ebenfalls ins Programm aufgenommen werden. Ob das schon alles sein wird, ist zu bezweifeln. Bestimmt wird Priska in einem halben Jahr die gemachten Erfahrungen wiederum in neue Visionen umwandeln. Sie ist ja eine Frau, die auch handwerklich erstaunlich viel zu bieten hat. Ob nun der anspruchsvolle Umbau von Räumen, das Schweissen oder der elektrische wie auch der sanitäre Bereich angesagt ist, sie hantiert dabei ganz allein – und zwar gründlich bis ins letzte Detail.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 50/2012)

[...zurück]