Suche
«Make it a game»: Vor vollem Haus zeigte Berni Zambail, wie man einem Pony oder Pferd spielerisch «gefährliche» Dinge näherbringen kann. Fotos: Katja Stuppia
Previous Next
Top-Artikel

Sieben Spiele für eine gemeinsame Sprache

18.12.2018 13:27
von  Katja Stuppia //

«Make it a game» – unter diesem Motto stand das diesjährige Parelli-Tournament in Fehraltorf. In der Tat wurde klar: Pat Parellis «Sieben Spiele» sind kein «unnützes Seilschütteln», sondern ein Hilfsmittel für eine einfache Kommunikation zwischen Mensch und Pferd.

Beobachtet man Pferde in der Herde, kann man viel lernen. Zum Beispiel wie sie ihre Körpersprache benutzen, um in Dominanzspielen ihre Führungsqualitäten unter Beweis zu stellen und die Rangordnung festzulegen. Das sieht mitunter wild und «gefährlich» aus, gehört aber zum natürlichen Verhalten der Pferde. Es ist interessant zu wissen, dass Pferde ihre Rangfolge ständig hinterfragen – übrigens auch im Umgang mit uns Menschen. Es ist deshalb durchaus von Vorteil, wenn der Mensch ein guter, verlässlicher Leader ist. Und genau hier setzt Parelli Natural Horsemanship mit den sieben Spielen an. Wir Menschen können zwar nicht gleich wie Pferde spielen, aber wir können lernen, dieselben Strategien anzuwenden, um eine gemeinsame Sprache zu finden.

 

Die ersten drei Spiele bilden die Basis, um mit den Pferden klar und effizient kommunizieren zu können, die weiteren vier bauen da­rauf auf und fügen einen konkreten Zweck hinzu. Auch wenn das Motto beim diesjährigen Parelli-Tournament «Make it a game» war, sind die Spiele nicht einfach so zum Plausch gedacht, sondern eine seriöse Sache, die für alles, was ein Mensch mit seinem Pferd tun möchte – insbesondere auch für das Reiten oder den Sport –, eine ausgezeichnete Basis bilden. Was aber sind nun die sieben Spiele?

«Friendly Game»

Begonnen wird mit dem sogenannten «Friendly Ga­me», dem Freundlichkeitsspiel. Das Pferd lernt dabei, dass es keine Angst haben muss, weder vom Reiter noch vor seinen Absichten, der Ausrüstung oder dem Umfeld. An der Körpersprache des Pferdes wie Kopf senken, Bein anwinkeln oder Lippen schle­cken kann der Reiter erkennen, dass es keine Angst mehr hat, sich sicher fühlt und beginnt, sich zu entspannen. Erst dann kann das Pferd nachdenken und ist bereit, etwas zu lernen. Pferde, die oft scheuen oder sich schnell ängstigen, werden durch das Friendly Game mutiger und zutraulicher. Sie lernen, mit neuen Situationen besser umzugehen.

«Porcupine Game»

Beim «Porcupine Game», auch Stachelschweinspiel genannt, lernen die Pferde, stetigen Druck zu verstehen, davor zu weichen und von sich aus nach Entspannung zu suchen. Dieses Spiel hilft dem Pferd, leicht zu werden und sich nicht gegen Druck zu lehnen. Hat es kapiert, worum es geht, geht es auf feinsten Druck vor- und rückwärts, verschiebt Hinter- und Vorhand, senkt den Kopf oder den Nacken und gibt leichtere Antworten auf den Zügel, den Sitz oder das Bein. Das Kunststück für den Reiter ist es, im richtigen Moment los-/nachzulassen.

«Driving Game»

Beim «Driving Game» (Bewegungsspiel) lernen die Pferde, den rhythmischen Druck zu verstehen, davor zu weichen und von sich aus nach Entspannung zu suchen. Die Pferde können sich einfach und ohne körperlichen Druck in alle Richtungen bewegen. Sie synchronisieren sich mit dem Energielevel des Menschen und lernen, seine Körpersprache zu lesen.

«Driving Game»: Parelli-Instruktor Benjamin Gerber zeigt, wie es geht.

«Yo-Yo Game»

Beim «Yo-Yo Game» befasst sich das Pferd mit einem ausgeglichenen Rück- und Vorwärts. Dies ist die Basis für Übergänge, Versammlung und Aufrichtung. Dadurch bekommt das Pferd eine ausgeglichene Impulsion, es versteht Rückwärts und Übergänge. Je besser ein Pferd rückwärtsgeht, des­to besser wird es auch alles andere tun.

«Circling Game»

Beim «Circling Game» (Kreiselspiel) lernt das Pferd, sich wie ein Partner zu verhalten, indem es von sich aus Gangart und Richtung beibehält. Das Kreiselspiel besteht aus den wichtigen Elementen Schicken, Erlauben und Hereinholen, hat aber wenig mit Longieren zu tun. Vielmehr lernt das Pferd, Verantwortung wahrzunehmen. Die gleiche Verantwortung muss aber der Mensch wahrnehmen, nämlich sich wie ein Partner und nicht wie ein Raubtier zu verhalten. Durch das «Circling Game» lernt das Pferd, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen und besser auf den Menschen und seine Signale zu achten.

Die sieben Spiele poetisch verpackt: Parelli-Instruktorin Anais Zimmermann während des Parelli-Tournaments.

«Sideways Game»

Beim Seitwärtsspiel lernt das Pferd seitwärtszugehen. Dies ist die Basis für spätere Galoppwechsel und Übergänge in guter Aufrichtung. Das Seitwärtsspiel ist eine Zusammensetzung aus dem «Porcupine» und dem «Driving Game». Vorhand und Hinterhand werden bewegt, bis das Pferd flüssig seitwärtsgeht. Die Begrenzung einer Wand oder eines Zauns hilft dem Pferd zuerst, sich zu orientieren, später wird es dies auch ohne Begrenzung tun können.

«Squeeze Game»

Engpässe sind für das Fluchttier Pferd eine He­rausforderung, denn es fühlt sich von Natur aus schnell gefangen. Bei diesem Spiel lernt das Pferd, mit Engpässen klar zu kommen. Das ist eine gute Basis, um beispielsweise problemlos in den Anhänger einzusteigen oder ohne Angst Hindernisse überwinden zu können. Die natürliche Platzangst wird durch das «Squeeze Game» überwunden und gibt dem Pferd die Möglichkeit, sich mit beengenden Situationen wie Wasser, Plas­tikplanen oder eben einem Pferdetransporter ausei­nanderzusetzen.

Am Parelli-Tournament in Fehraltorf erklärte Parelli-Instruktor Benjamin Gerber, weshalb Pat Parelli die Spiele eben Spiele nannte, und der Grund dafür ist durchaus einleuchtend. Der Amerikaner störte sich nämlich daran, dass viele Reiter bei der «Arbeit» mit den Pferden verbissen waren und ihre ganze Körperhaltung Stress aussendete. Er aber wollte das Training mit den Pferden nicht als «Arbeit», sondern als «Spiel» verstanden wissen und die Dinge aus dem Blickwinkel des Pferdes sehen. Ganz unter dem Motto: «Werde ein guter Leader – make it a game».

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 50/2018)

[...zurück]