Suche
Die meisten Pferde können auch im Winter problemlos draussen gehalten werden.
Previous Next
Aktuelle Themen

Vorsorge im Stall und beim Reiten

16.01.2018 14:14
von  Alexandra Koch //

Winterzeit – Erkältungszeit? Muss das wirklich sein? Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, das Immunsystem zu stärken und Mensch und Tier gesund zu erhalten. An erster Stelle steht jedoch eine gesunde Haltung zu jeder Jahreszeit. Denn auch im Winter ist es auf keinen Fall richtig, das Pferd ausschliesslich im Stall zu halten. In Zeiten, in denen Atemwegserkrankungen beim Pferd zuzunehmen scheinen, muss die Ursache leider oft in fehlerhaften Haltungsformen und falsch verstandener Tierliebe gesucht werden. Grundsätzlich kommen für Erkrankungen des Atmungsapparates unterschiedliche Auslöser infrage: infektiöse Ursachen (Viren, Bakterien, Parasiten); nichtinfektiöse Ursachen (Schadgase, Staub, Al­lergene); Haltungsfehler als Wegbereiter oder als unterhaltender Faktor (zu geringe Frischluftzufuhr, mangelnde Hygiene, mangelnde Bewegung) oder eine Kombination verschiedener Ursachen. Wenn man ins Detail geht, erkennt man rasch, dass Viren und Bakterien sowie deren Rolle als Auslöser von Erkrankungen nicht eliminiert werden können. Was jedoch möglich ist: das Immunsystem des Pferdes stärken. Dies funktioniert vor allem durch Bewegung, was wiederum obendrein den Grund «Haltungsfehler» zu verhindern weiss.

Vorsorge im Stall

Besonders bei chronischer Bronchitis sollten die Ursachen in einem Mangel an Hygiene gesucht werden, so Veterinärin Julia Mack aus Ohlstadt. Sie arbeitete als Fütterungsexpertin für das Haupt- und Landgestüt Schwaiganger, bevor sie sich vor einigen Jahren selbstständig mach­te. «Insbesondere staubiges, schimmliges Futter kann eine Rolle spielen. Besonders beachten sollte man dabei Heu und Stroh sowie jegliche Art der Einstreu und deren Quali­tät. Staub und seine Bestandteile – feins­te Partikel von Futtermitteln, Stroh, Kot oder Sand, Bakterien, Hefen, Schimmelpilze, Milben, Giftstof­fe bakteriellen Ursprungs, chemisch aktive Substanzen wie zum Beispiel Ammoniak, Haare, abgeschilferte Hautpartikel von Tier oder Mensch – ge­hören zu den grössten Belas­tungsfaktoren für den Atmungsapparat.»

Neben physikalisch-chemischer Reizung der Atemwege durch zum Beispiel Ammoniak kann es zur Sensibilisierung durch antigen wirksames Material verschiedensten Ursprungs, wie im Staub enthalten, kommen. Die zieht lokale Entzündungsprozesse in den Atemwegen nach sich. «Mit dem Staub eingeatmete Erreger können zu bakteriellen, viralen oder Pilzinfektionen der Luft­säcke und/oder der oberen oder unteren Atemwege führen. Giftstoffe bakteriellen Ursprungs (Lipopolysaccharide) führen nach Einatmung zu einer vermehrten Freisetzung von Stoffen im Sekret der Atemwege, die wiederum eine verminderte Aktivität bestimmter Abwehrzellen nach sich ziehen. Dies kann dann zu einer erhöhten Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen führen», schildert Mack. «Abhängig von der Futterqualität, den Fütterungsmethoden und der Art und dem Hygienestatus der Einstreu, aber auch von verschiedenen weiteren Faktoren, gibt es ganz erhebliche Unterschiede im Ausmass der Belastung des einzelnen Pferdes, wobei sicherlich auch eine individuell unterschiedliche Empfindlichkeit oder Prädisposition eine gewisse Rolle spielen mag.» Neben der Qualität von Einstreu und Futter sollte jedes Pferd auch im Winter die Möglichkeit haben, täglich nach draussen zu kommen. Wird es in einer Box gehalten, sollte diese hell und luftig sein.

Kälte macht Pferden weniger aus, wichtig sind vor allem Bewegung und frische Luft.

Alternative Offenstall

Alternativ zur Stallhaltung bietet sich auch im Winter der Offenstall an. Veterinärin Annina Rohner-Cotti aus Steinmaur merkt speziell zum Winter Folgendes an: «Ein gut konzipiertes Gehege darf nirgends Engpässe und Sackgassen haben, wo ein rangniederes Tier nicht rechtzeitig weichen kann. Das bedeutet, dass alles sehr offen gestaltet werden muss und dass nicht einfach Türen geschlossen werden können, wenn es stürmt und schneit. Um gut und schnell weichen zu können, muss auch der Boden griffig sein, insbesondere rund um die Futterstellen, wo oft ein Gedränge herrscht. Griffige Böden bietet die Natur in unseren Breitengraden leider selten an. Festgetretene Erde wäre sicher das Beste, doch Erde wird bei uns unweigerlich zu Matsch. Tiefer Matsch ist unhygienisch und es kann sein, dass rangniedrige Tiere im Morast hängen bleiben, bei einem ‘Gemenge’ nicht rechtzeitig ausweichen können und von anderen Pferden verletzt werden. Befestigte Böden wie Betonplatten, Verbundsteine und Kunststoffraster sind auch nicht viel besser, da sie oft nicht genug griffig sind, was auch nicht pferdegerecht ist. Sehr griffige Böden wie zum Beispiel Gummiverbundsteine sind optimal für die Pferde, doch sie sind teurer und mühsam zu reinigen. Je griffiger, desto eher bleibt man mit dem Besen hängen. So ist jede Lösung ein Kompromiss, dessen muss sich der Halter bewusst sein.»

Vorsorge beim Reiten

Zur Vorsorge gehört neben einer korrekten Haltung auch das richtige Aufwärmen des Pferdes vor dem Reiten. Im Winter benötigen die Muskeln und Sehnen länger, um tatsächlich auf «Betriebs­temperatur» zu kommen. Deshalb sollte das Pferd zunächst in der Halle oder auf dem Reitplatz ausgiebig im Schritt aufgewärmt werden. 20 Minuten sollten dafür mindes­tens einkalkuliert werden. Neben dem Aufwärmen ist es zur Gesunderhaltung des Pferdes ebenfalls wichtig, es auf keinen Fall zu sehr beim Reiten in der Kälte aufzuheizen. Während der letzten halben Stunde des Rittes sollte Schritt am langen Zügel geritten werden, damit das Pferd wieder entspannen und sich erholen kann und die Körpertemperatur in den normalen Bereich absinkt. Nach dem Training sollte sofort eine Nierendecke parat liegen und aufgezogen werden. Dies gilt für Reithalle, Reitplatz und auch für Ausritte beim Schrittreiten. Bei einem längeren Winterritt ist eine Wolldecke sinnvoll, die man bei einer Pause oder langsamem Führen über die Kruppe legen kann, damit der Vierbeiner nicht auskühlt. Beim Absitzen noch verschwitzte Stellen sollten zunächst warm abgewaschen und unbedingt so schnell wie möglich mit einem Frotteehandtuch tro­cken gerieben werden. Danach sollte das Pferd zur Gesunderhaltung eingedeckt werden, bis es trocken ist. Geputzt werden sollte es erst nach dem Trocknen. Rohner-Cotti merkt die Problematik des Winterfells beim Pferd an. «Für den winterlichen Weidegang oder die Gruppenstallhaltung müssen sich die Pferde einen ordentlichen Winterpelz zulegen, was dazu führt, dass sie bei der Arbeit schnell schwitzen. Derart verschwitzt kann man sie dann auch nicht einfach in einem windigen Stall stehen lassen. Man kann sie scheren, damit sie nicht so schnell schwitzen, aber dann muss man sie den ganzen Winter über eindecken und dabei darauf achten, dass die Decken entsprechend hochwertig sind, dass sie stets das Pferd trocken halten. Wenn die Sonne herauskommt, sollten die Pferde abgedeckt werden, damit sie nicht unter der Decke schwitzen.»

Gegenmassnahmen im Stall

Egal, ob es sich um eine Al­lergie oder akute respektive chronische Atemwegserkrankung handelt, rät Mack immer dazu, die Zustände in den Stallungen genau zu prüfen und gegebenenfalls Massnahmen einzuleiten. «Diese sind teils präventiv, aber vor allem im Falle einer Erkrankung essenziell», betont sie. «Ich empfehle immer zuerst einwandfreie Futtermittel- und Einstreuqualität. Staubentwicklung bei der Fütterung ist unbedingt zu vermeiden. Den Staub im Kraftfutter sollte der Pferdehalter durch Öl, Melasse oder notfalls auch einfach Wasser bei übergewichtigen Pferden binden. Auch pelletiertes Kraftfutter kann eine Lösung sein. Getreide, insbesondere Hafer, sollte im Fall einer Erkrankung der Atemwege nicht gequetscht werden.» Ausserdem empfiehlt sie, dass Raufutter bevorzugt vom Boden angeboten werden sollte, nicht in Heunetzen oder anderen Gerätschaften in Kopf- oder Über-Kopfhöhe. «Das vermindert die Staubeinatmung und verbessert den Sekretabfluss, falls vorhanden.» Wenn das Pferd zu Atemwegserkrankungen neigt, sollte das Heu gewässert oder bedampft werden. «Das Wässern sollte allerdings nicht zu lange dauern, sondern höchstens zehn Minuten», beschreibt die Veterinärin. «Sonst werden sehr viele wasserlösliche Nährstoffe ausgewaschen und im Sommer besteht die Gefahr der Gärung. Das Waschwasser muss unbedingt entsorgt werden, da hier viele wasserlösliche Kohlenhydrate enthalten sind, die bei gefährdeten Pferden das Hufreherisiko erhöhen, falls diese versehentlich das Wasser trinken. Wenn der Husten dennoch auftritt, sollte auf Heucobs oder Trockenschnitzel umgestellt werden.»

Überanstrengung und Schwitzen fördern Erkrankungen der Atemwege – umsichtiges Training ist wichtig.

 

 

 

 

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 02/2018)

[...zurück]