Am Testevent für die Olympischen Sommerspiele in London im vergangenen Juni wurde ein stark paraffinhaltiger Boden zum Einsatz gebracht. In aufwändigen Studien wurde dieser als der ideale Untergrund für die Arbeit mit Pferden erkoren. Ist das wirklich so?
Gleich mehrere Pferde erlitten an den Olympischen Spielen 2004 in Athen aufgrund des harten Grasbodens einen Sehnenschaden. Unter anderem auch Dilème de Cèphe des damaligen Weltcupsiegers Bruno Broucqsault (FRA).
Dem Geläuf muss grosse Beachtung geschenkt werden. In diesem Sinne müssen «Trainings-Rezepte» in der einschlägigen Literatur immer sorgfältig interpretiert, dem eigenen Pferd und den eigenen Trainingsmöglichkeiten adaptiert und entsprechend durchgeführt werden. Wichtig ist, dass der Trainer respektive Reiter seine Galoppbahn und ähnliches so gut wie möglich kennt; so hat jede Piste ihre eigenen Gesetzmässigkeiten für den Trainingsaufbau eines Pferdes. Was ist der ideale Boden für Pferde? Dies ist eine Frage, die alle Involvierten stark beschäftigt, auf welche wir aber leider noch relativ wenig konkrete Antworten haben. Neben den für den Besitzer relevanten Kosten und dem Aufwand für die Anschaffung und den Unterhalt sind insbesondere die Rutschfestigkeit und die Stossdämpfung für das Pferd die wichtigen Kriterien. Von wissenschaftlicher Seite dienen zur Beurteilung einerseits die epidemiologischen Forschungsergebnisse zu Gesundheitsproblemen in Abhängigkeit vom Boden, andererseits spezifische biomechanische Abklärungen der Interaktionen zwischen Boden und Gliedmassen. Leider stehen hierbei auch heute noch relativ wenige konkrete, objektiv und standardisiert erhobene Resultate für die Praxis zur Verfügung. Dies erstaunt, werden doch routinemässig teuerste Pferde mit einem immensen Aufwand seitens der Besitzer und Marketing seitens der Organisatoren von Sportveranstaltungen auf Böden rund um die Welt inkl. an Olympischen Spielen eingesetzt, die praktisch ausschliesslich empirische Erfahrungen als Basis haben. Auch in den Reglementen der einzelnen Sportdisziplinen ist die Qualität des Wettkampfbodens nicht definiert, geschweige denn diejenige des Abreiteplatzes, wo das Pferd in der Regel noch wesentlich länger und zum Teil intensiver bewegt wird. Nur im Rennsport ist es dem Trainer erlaubt, ohne Konsequenzen sein Pferd auch kurz vor dem Start zurückzuziehen, und zwar, wenn die Härte des Geläufs einen gewissen Wert überschreitet (mit einem sogenannten Penetrometer gemessen).
Nur im Rennsport ist es dem Trainer ohne Konsequenzen erlaubt, sein Pferd auch kurz vor dem Start aufgrund eines zu harten Geläufs zurückzuziehen.
Empirische Beobachtungen
Die Eigenschaften des Reitplatzes haben einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit der Pferdebeine. Tritt ein Pferd auf harten Boden auf, wird die Bewegung der Gliedmasse abrupt gestoppt, was zu einer übermässigen Erschütterung führt. Wiederkehrende Erschütterungen der Pferdebeine können mit der Zeit zu Schäden des Bewegungsapparates führen. Harter Boden geht somit mit Knochen-, Gelenks- und Hufläsionen und insbesondere wegen der dabei häufig höheren Geschwindigkeit des Tieres mit den gefürchteten Sehnenschäden einher. Ein weicher Boden erlaubt hingegen ein Nachgeben unter dem Pferdegewicht und somit eine gewisse Stossdämpfung. Auf tiefem Boden sind vor allem Probleme der Weichteile wie der Muskulatur so-
wie Lustlosigkeit zu befürchten. Diese Erfahrungen stehen im krassen Gegensatz zu traditionellen Ansichten, wonach sich Pferde vor allem im tiefen Boden oder infolge «Löchern» Probleme des Sehnenapparates zuziehen – so gilt es heute als erwiesen, dass solche vor allem infolge Müdigkeit der Muskulatur, also in der Regel im Rahmen schneller Arbeit, auftreten.
Die Wahl des Materials für den Reitplatzboden, der Wassergehalt des Reitplatzes, dessen Pflege und Nutzungshäufigkeit, das Alter des Bodenbelages und die Grösse des Reitplatzes sind alles Faktoren, welche die Gesundheit der Pferdebeine beeinflussen können. Ein idealer Boden sollte elastisch und doch scherfest sein. Die meisten Reitplatzbeläge bestehen heutzutage aus Sand. Die Eigenschaften des Geläufs sind dabei vom Durchmesser der Sandkörner abhängig. Dieser beeinflusst die Bodendichte, die Wasserretention und die Staubbelastung. Grobkörniger Sand gibt wenig Stabilität, da seine Scherfestigkeit gering ist. Kleinere Sandkörner hingegen geben dem Pferdebein mehr Stabilität und verhindern ein starkes Weggleiten des Hufes. Ebenso hat ein trockener Sandboden eine geringere Scherfestigkeit, da die einzelnen Sandkörner sich leicht gegeneinander bewegen und so unter dem Gewicht des Hufes nachgeben. Die regelmässige Bewässerung des Reitplatzes bindet nicht nur den Staub, sondern erhöht auch die Haftung der einzelnen Sandkörner untereinander und somit auch die Stabilität und die Scherfestigkeit des Platzes. Ein reiner Sandplatz hat eine geringe Elastizität, weshalb häufig Zusatzstoffe wie zum Beispiel Vlieshäcksel beigemengt wird. Die regelmässige Pflege des Reitplatzes ist somit essenziell, da dadurch eine gleichmässige und gute Tretschicht erhalten bleibt. Wird ein Reitplatz sehr häufig genutzt, leidet die Qualität des Bodens, da durch den erhöhten Verschleiss die Elastizität reduziert wird. Deshalb muss ein vielbeanspruchter Boden häufiger bearbeitet werden. Auch die Grösse des Reitplatzes hat einen Einfluss auf die Belastung der Pferdebeine – je grösser die genutzte Fläche, desto besser. Ein kleinerer Platz bedeutet, dass ein Pferd vermehrt gewendet und die Hand häufiger gewechselt werden muss, womit eine Überbelastung pro Flächeneinheit entsteht.
Aufbau des dynamometrischen Hufbeschlages (Vorrichtung u.a. zum Messen von Kräften).
Epidemiologische Analysen
Verletzungen des Bewegungsapparates sind bei Rennpferden der häufigste Grund für eine Trainingspause, einen Rücktritt vom Sport sowie die Euthanasie. Die Oberfläche und Qualität der Trainings- und Rennbahnen gehören hierbei zu den wichtigsten Risikofaktoren für Verletzungen bei Galoppern. Eine Studie von Parkin et al. (2004) hat – wie schon Zebarth and Sheard (1985) – gezeigt, dass das Risiko einer Fraktur der distalen Gliedmasse (inklusiv Vorderknie und Sprunggelenk) auf Allwettersand-Rennbahnen fast zweimal so hoch ist wie auf einer Gras-Rennbahn: 0.74 Frakturen/1000 Starts auf Allwettersand-Rennbahnen im Vergleich zu 0.37 Frakturen/1000 Starts auf Gras-Rennbahnen. Auch die Lokalisation der Frakturen unterscheidet sich in Abhängigkeit der verschiedenen Bahnoberflächen. Weiter hatte in dieser Analyse die Härte der Bahnen einen Einfluss auf das Verletzungsrisiko: Rennen auf festen oder harten Böden erhöhten das Risiko einer Fraktur auf das Fünffache. Eine ebenfalls wichtige statistische Arbeit von Williams und Mitarbeitern (2001) erbringt bei der Analyse von nicht weniger als 222993 Starts auf Flach- und Hindernis-Bahnen ähnliche Ergebnisse: Bei tieferem beziehungsweise weicherem Boden traten weniger Unglücksfälle und Verletzungen auf als bei einer festeren Bahn.
In einer Studie von Murray et al. (2010) wurden anhand einer gross angelegten Fragebogenstudie die Prävalenz und Risikofaktoren für die häufigsten Verletzungen und Erkrankungen von Dressurpferden ermittelt. Die Resultate zeigten, dass Reiten auf tiefen, sumpfigen oder unebenen Böden ein erhöhtes Risiko für eine Lahmheit darstellt. Pferde, welche auf wenig benützten Reitplätzen geritten wurden, wiesen weniger Lahmheiten auf im Vergleich zu Pferden, welche auf vielberittenen Plätzen bewegt wurden. Häufiges Stolpern und Rutschen auf einem Reitplatz wurde ebenfalls mit einem erhöhten Lahmheitsrisiko in Verbindung gebracht. Wurde das Pferd in einer grossen Halle oder auf einem grossen Platz geritten, war das Risiko für Lahmheiten geringer. Ein Geläuf aus Sand stellte den grössten Risikofaktor für Lahmheiten dar. Die Studie vermerkt ebenfalls, dass eine intensive Reitplatzpflege für ein sicheres Training von Pferden essenziell ist.
Eine weitere Studie von Murray et al. (2010) zeigt, dass ein wachsbeschichteter Sand oder ein Sand-Gummi-Gemisch mit einem geringeren Lahmheitsrisiko assoziiert ist. Holzschnitzel als Reitplatzunterlage werden nicht empfohlen, da Pferde oft rutschen. Ein reiner Sandplatz führt zu vermehr-
tem Stolpern. Feinkörniger Sand ist dem grobkörnigen Sand vorzuziehen. Auch hier wird eine regelmässige Pflege des Geläufs empfohlen.
Biomechanische Untersuchungen
Studien von Crevier-Denoix et al. (2011) untersuchen den Einfluss von verschiedenen Bodenoberflächen auf den Bewegungsapparat und ihre Auswirkung auf Leistung und Verletzungen. Dazu wurden in den letzten Jahren neue biomechanische Untersuchungsmethoden entwickelt, welche die Kinetik und Kinematik der Gliedmassen evaluieren und somit die Effekte der Bodenverhältnisse auf den Bewegungsapparat analysieren. Hierbei wurden bisher insbesondere Tra-ber auf ca. 20 verschiedenen Bodenarten belastet (zum Beispiel wachsbeschichteter Sand, Strand-, Brechsand). Die beste stossdämpfende Funktion und die geringste Bremskraft wies bisher der wachsbeschichtete Sand auf. Weiter ist auch die Belastung der oberflächlichen Beugesehnen etwas geringer auf diesem Untergrund. Die Schrittlänge ist hingegen kürzer und die relative Standphase länger im Vergleich zu anderen Böden. Schliesslich ist festzuhalten, dass wohl kein idealer Boden für den Wettkampf und das Training gleichzeitig existiert. Sind es im Rahmen des sportlichen Einsatzes in erster Linie der Halt und die Rutschfestigkeit, die als prioritär eingestuft werden, so ist dies im täglichen Training die Elastizität und Stossdämpfung des Bodens.
(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 7/2012)
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