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Die Anlage des KV Oberrheintal verfügt über einen 40 mal 70 Meter grossen Reitplatz und eine Reithalle mit Photovoltaikanlage auf dem Dach.
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Wenn der Reitverein einen Pensionsstall besitzt

23.05.2018 13:10
von  Corinne Hanselmann //

Im Gewerbegebiet Baffles, angrenzend an ein wunderbares Ausreitgelände, befindet sich das Reitsportzentrum Altstätten. Es gehört dem Kavallerieverein Oberrheintal. Die Mitglieder nutzen die gute Infrastruktur gemeinsam mit dem Pächter Peter «Pepi» Bleiker, der von Springturnieren in der Ostschweiz und in Vorarlberg bestens bekannt ist.

Vor rund 35 Jahren begann der gebürtige Holländer Harry Post mit dem Aufbau einer Reitanlage in Altstätten. Zusammen mit dem Kavallerieverein Ober­rheintal (KVO) realisierte er eine Reithalle – das Gebäude gehörte dem Verein und stand im Baurecht auf Harry Posts Boden. Vor rund 15 Jahren folgte ein 40 mal 70 Meter grosser Sandplatz. «Das war einer der ersten grossen Sandplätze im Rheintal», sagt Peter Bleiker, heutiger Pächter der Anlage. Der Sandplatz gehörte ebenfalls dem Verein, mit Nutzungsmöglichkeit durch den Stallbetreiber und die Pensionäre.

Vereinsmitglieder ermöglichten Kauf

Harry Post, heute 68-jährig und immer noch gleich neben der Anlage wohnhaft, trat vor einigen Jahren kürzer. So hatte der KVO Ende 2013 die Möglichkeit, seine Anlage gänzlich und definitiv zu übernehmen – also das Grundstück sowie das Stallgebäude zu kaufen. «Die Vereinsmitglieder sind zusammengestanden und haben die ­Finanzierung auf die Beine gestellt», erinnert sich Peter Bleiker. Viele beteiligten sich mit einem Darlehen. Dass ein Reitverein selber eine Anlage samt Pensionsstall besitzt, ist in der Schweiz ziemlich einzigartig.

Seit 2014 ist Peter «Pepi» Bleiker Pächter des Reitsportzentrums Altstätten.

Daraufhin suchte der KVO, der rund 120 Mitglieder zählt, einen Pächter, der den Pensionsstall betreibt und die Anlage in Schuss hält. Peter Bleiker war als OKV-Vereinstrainer damals schon regelmässig in Altstätten tätig. Er übernahm die Anlage Anfang 2014 und nannte sie künftig Reitsportzentrum Altstätten (RSZA).

Nach dem Tod des Vaters sattelte Pepi um

Peter Bleiker ist mit Pferden aufgewachsen. Die Eltern des 37-Jährigen führten in Gais im Kanton ­Appenzell Ausserrhoden während über 30 Jahren einen Pensionsstall. Diesen haben sie vor einigen Jahren verkauft. Den elterlichen Betrieb zu übernehmen, sei früher auch ein Thema gewesen, erzählt Peter Bleiker. Allerdings sei Gais geografisch ziemlich «weg vom Schuss», wenn man Pferdesport ­betreiben möchte. Für Sportreiter sei die Infrastruktur in Altstätten doch deutlich besser. «Von hier aus bin ich zudem in wenigen Minuten auf der Autobahn», so der ambitionierte Springreiter.

30 Boxen, knapp die Hälfte mit Auslauf, gehören zur Infrastruktur.

Nach der Schule hat Peter Bleiker eine kaufmännische Lehre absolviert. Anschliessend folgte die Weiterbildung zum eidgenössischen Versicherungskaufmann. Nebenbei ist er stets im regionalen Bereich geritten. «Es hat mich immer gereizt, beruflich etwas mit Pferden zu machen. Als sich diese Möglichkeit in Altstätten bot – es war ziemlich genau das, was ich mir vorstellte –, habe ich die Chance genutzt», blickt er zurück. Er sattelte aber nicht sofort komplett zum Stallbetreiber um. «Dank dem guten Verhältnis zu meinem Arbeitgeber konnte ich zu 50 Prozent auf dem Büro weiterarbeiten und vieles von zu Hause aus erledigen», erzählt Peter Bleiker. Damals, als er das RSZA übernahm, unterstützte ihn sein Vater, Peter Bleiker sen., tatkräftig auf dem Betrieb. Leider verstarb er Ende 2015. «Ich merkte dann schnell, dass es nicht funktioniert, wenn ich den halben Tag nicht auf dem Betrieb bin», so Pepi, der gleich neben der Anlage eine Wohnung hat. «Ich musste mich entscheiden – ganz oder gar nicht – und so habe ich meinen Job bei der Versicherung gekündigt.» Heute macht Peter Bleiker noch Expertisen im Auftrag verschiedener Versicherungen in Schadenfällen, die mit Pferden zu tun haben.

«Wir sind für alle offen»

«Im sportlichen Bereich bin ich schon viel weiter gekommen, als ich gedacht habe», so der Springreiter. Besonders viel habe er von Huckleberry Finn profitieren können. Der 16-jährige CH-Wallach von Mägi und Georges Bachmann war zuvor schon bei Harry Post in Beritt – Peter Bleiker durfte ihn übernehmen. Mit ihm konnte der 37-Jährige einige Klassierungen in 140er-Prüfungen verbuchen, zum Beispiel in Galgenen, Turbenthal oder Oberriet. «Mein Traum war es immer, einmal einen nationalen Grand Prix zu reiten. Am vergangenen Ostermontag konnte ich in Amriswil diese Prüfung erstmals reiten. Schön wäre es, wenn ich vielleicht irgendwann sogar mal in einer solchen Prüfung platziert wäre.»

Pensionäre und Vereinsmitglieder teilen sich die Anlage.

Peter Bleiker besitzt ein eigenes Pferd und hat stets sieben bis acht Turnier- und Ausbildungspferde im Stall. Die restlichen der 30 Boxen sind durch Pensionäre belegt. Vom Endurance-Araber über das ehemalige Rennpferd, reine Freizeitpferde bis hin zu Dressur- und Springpferden sind sie bunt durchmischt. «Wir sind für alle offen», betont Peter Bleiker.

Drei Turniere jährlich

In den letzten Jahren wurde immer wieder etwas in die Anlage investiert. So entstand beispielsweise ein zusätzlicher Parkplatz, denn viele Vereinsmitglieder, die ihre Pferde auf Höfen in der Umgebung untergebracht haben, kommen mit dem Anhänger zum Training. Entlang dem grossen Sandplatz wurde eine Rampe aufgeschüttet, damit das Zuschauen komfortabler ist. Auch eine permanente Küche, die man bei Turnieren einfach öffnen kann, wurde installiert.
Im Jahr 2015 sanierte der KVO die Reithalle in Zusammenarbeit mit einer lokalen Firma. Diese installierte auf dem Dach ganzflächig eine Photovoltaikanlage – der Strom davon geht ins Netz. Auch in die Böden der Trainingsplätze wurde regelmässig inves­tiert. «Ich finde die Sandplätze super zum Reiten», schwärmt Peter Bleiker. «Sie bieten gute Trainingsmöglichkeiten.» Nebst der Reithalle und dem grossen Sandplatz können auch ein Wiesenplatz sowie ein Dressurviereck genutzt wer­den.

Die Pferde mit Innenboxen sind halbtags draussen in Paddocks.

Seit einigen Jahren findet im RSZA während zwei Wochen jährlich das OKV-Newcomerslager statt. Zudem organisiert der KVO verschiedene Turniere. Beim Auffahrtsspringen amtet Peter Bleiker jeweils als OK-Präsident. Im Herbst finden an je einem Wochenende Spring- und Dressurprüfungen statt.
Nebst Peter Bleiker arbeiten drei Angestellte auf dem Hof. Die Lebenspartnerin des Pächters ist als Pferdepflegerin tätig, ein weiterer Angestellter kümmert sich hauptsächlich ums Misten und um Umgebungsarbeiten. Seit dem 1. April 2018 ist zudem eine Bereiterin angestellt. Nebst Bleiker geben noch zwei bis drei externe Trainer Reitunterricht im RSZA. Damit die verschiedenen Nutzer auf der Anlage gut aneinander vorbeikommen, bedarf es einer guten Planung und klarer Regeln. «Wir haben einen Belegungsplan», erklärt Peter Bleiker. So finden beispielsweise an zwei Abenden Vereinsstunden statt. «Im Sommer ist es kein Problem, im Winter muss man Rücksicht nehmen aufeinander. Wenn sich alle an die Abmachungen halten, kommen wir jeweils auch gut durch den Winter.»

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 20/2018)

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