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Wenn Pferde sich ihre Kräuter selbst aussuchen

21.07.2020 13:47
von  Nadja Sutter //

Das Angebot an Ergänzungsfutter für Pferde ist riesig. Doch was wäre, wenn nicht der Mensch, sondern das Pferd bestimmen würde, welche Nahrungsergänzung es gerade braucht? Diesen Ansatz verfolgt das Prinzip der Selbstmedikation. Nicole Anhalt erklärt der Pferdewoche, wie das geht.

Nicole Anhalt hält das braune Fläschchen fest in der Hand und platziert es neben der Nase von Salomé. Die Fuchsstute atmet tief ein, dann schliesst sie die Augen halb und ihre Ohren fallen zur Seite. Ihre Nüstern weiten sich und zittern; sie scheint so
viel wie möglich dieses Geruches aus dem Fläschchen aufnehmen zu wollen. Im Fläschchen ist ätherisches Öl von Wintergrün, wie Nicole Anhalt erklärt. Es wirkt schmerzlindernd und entzündungshemmend. Das scheint der 21-jährigen Salomé gutzutun. Sie leidet an einer Veränderung des Strahlbeins und zeigt Schmerzen beim Gehen.
Um ihrer Stute zu helfen, bietet ihr ihre Besitzerin regelmässig verschiedene Pflanzenextrakte zur Selbstmedikation an. Neben ätherischen Ölen sind das auch getrocknete Kräuter oder Pulver, die Salomé frisst. Heute steht sie neben dem Wintergrünöl besonders auf Hagebuttenschalen. Sie leert genüsslich eine ganze Schüssel und schaut dann erwartungsvoll zu ihrer Besitzerin, die sodann Hagebutten aus einem Plastikbeutel nachfüllt. Die Schüssel mit dem Gerstengras interessiert sie heute hingegen nicht. Vom Wallwurz, den Ringel- und Kamillenblüten probiert sie ein bisschen und geht dann zurück zur Schüssel mit den Hagebuttenschalen.
«Ich biete Salomé viele verschiedene Pflanzenextrakte in je einer eigenen Schüssel an und sie darf frei entscheiden, was sie fressen möchte», sagt Nicole Anhalt. «Sie darf auch frei über die Menge entscheiden. Wenn sie heute ein Kilogramm Hagebuttenschalen fressen möchte, dann darf sie das.» Nach rund einer Stunde stehen ungefähr zehn verschiedene Schüsseln rund um Salomé. Und die Stute hat jetzt genug: Sie wendet den Kopf ab und lässt sich von ihren Herdenkollegen ablenken. Ein Zeichen, dass sie alles, was sie gebraucht, auch erhalten hat.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 29/2020)

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