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Wo edle Rennpferde neben Kühen grasen

11.12.2018 12:51
von  Barbara Würmli //

Im beschaulichen Wynental führen Sabine und Hansjörg Speck einen Landwirtschaftsbetrieb, der es in sich hat. Denn neben Milchkühen und Mastmunis bewohnen auch edle Rennpferde den Hof. Zwei Betriebszweige, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich trotzdem erfolgreich ergänzen.

Eine eher ungewöhnliche Szenerie: Zwei passionierte Rennpferdetrainer, die im Kuhstall zugange sind.

Die Geschichte der Betriebsgemeinschaft Speck + Speck hat sich ganz natürlich ergeben. Denn als sich die Wege von Sabine und Hansjörg Speck – die beide mit dem Namen Speck geboren wurden und kein Ehepaar sind – kreuzten, war die Liebe zu den Rennpferden und die Verankerung in der Landwirtschaft bei beiden schon gegeben.

Frühe Liebe zu Rennpferden

Sabine Speck ist in Reinach AG auf dem Landwirtschaftsbetrieb ihrer Eltern aufgewachsen. Ihr Herz schlug aber mehr für die Reitpferde, die es auf dem Hof gab, als für die Kühe. Während der Schulzeit nahm sie Reitstunden und entdeckte noch während ihrer Ausbildung zur zahnmedizinischen Praxisassistentin ihre Liebe zu edlen Vollblutpferden und dem Galopprennsport. Hansjörg war schon als Jugendlicher vom Galopprennvirus infiziert und wollte Jockey werden. Aber eine Rennreiterlehre gab es damals in der Schweiz noch nicht. So suchte er eine Möglichkeit, eine Berufsausbildung mit dem Pferderennsport zu verbinden. Und er fand sie, indem er bei einem Lehrmeister  – der auf seinem Landwirtschaftsbetrieb auch Rennpferde hielt – die Lehre zum Landwirt absolvierte.

Sabine und Hansjörg Speck sitzen täglich selbst im Sattel und reiten die Trainingseinheiten mit.

So konnte er wäh­rend der Arbeitszeit Rennpferde im Training reiten und auch die Amateurrennreiter-Lizenz erwerben.

Zwei Höfe vereint

Später ritt Hansjörg Speck Pferderennen – Flachrennen wie auch Hürden-, Jagd- und Crossrennen – bewirtschaftete aber hauptberuflich einen eigenen Landwirtschaftsbetrieb in Oberkulm. Er und Sabine Speck wurden ein Paar und neben ihren herkömmlichen Berufen erwarben beide die Berufstrainerlizenz für Rennpferde. Hansjörg Speck erzählt: «Zu der Zeit musste sowohl mein Hof wie auch der von Sabines Eltern modernisiert werden. So entschieden wir uns, eine Betriebsgemeinschaft zu gründen und in Reinach einen Hof aufzubauen, der sowohl Platz für die Land- und Milchwirtschaft wie auch für eine Rennpferde-Trainingsanlage bot.» Gesagt, getan. Sabines Eltern führten zusammen mit Hansjörg den einen Teil mit Milchkühen, Mastmunis und rund 60 Hektaren Land. Und Sabine und Hansjörg – er also mit Doppeljob – betreuten und trainierten die ersten Rennpferde.

Lange Arbeitstage

Über 15 Jahre sind seither vergangen. Sabine und Hansjörg Speck sind kein Paar mehr, aber noch immer gute Freunde und eine erfolgreiche Betriebsgemeinschaft. Sabines Eltern sind inzwischen pensioniert und haben sich aus der Firma zurückgezogen, helfen aber noch auf dem Hof mit. Wenn Sabine und Hansjörg Speck von ihrem Alltag erzählen, handelt es sich um Zwölfstunden-Arbeitstage, 365 Tage im Jahr. Diese beginnen für beide morgens um 5.30 Uhr im Rennstall, wo die Pferde gemistet, gepflegt und trainiert werden. Zwei Angestellte – Rennreiterin Nadia Burger und Xavier Grassini – unterstützen sie dabei. Zudem reiten auch ein paar Besitzer und der Hindernisreiter Michael Huber regelmässig im Training mit. Währenddem melkt ein Landwirtschaftsangestellter die Kühe. Am Nachmittag ist im Pferdestall Ruhe angesagt. Hansjörg mutiert dann vom Rennpferdetrainer zum Landwirt während Sabine sich um Büroarbeiten und den Haushalt kümmert und ab 16.30 Uhr wieder im Pferdestall steht.
Was die beiden leisten, ist eindrücklich. Auf die Frage, ob er sich nicht manchmal nach Ausschlafen und Freizeit sehne, antwortet Hansjörg Speck: «Ich brauche das schlicht nicht. Ich habe mich an meinen Tagesablauf und die langen Arbeitszeiten gewöhnt. Zudem fahren wir für die Galopprennen auf die Rennbahnen in der ganzen Schweiz und manchmal auch ins Ausland. Das bietet genug Abwechslung.»

Herz bei den Rennpferden

Beide Specks geben an, dass die Rennpferde ihre grosse Leidenschaft sind und die Landwirtschaft mehr der Broterwerb. Sie ergänzen aber: «Obwohl der Pferderennsport in der Schweiz auf wackligen Beinen steht, ist es möglich, von einem Trainingsbetrieb zu leben. Es ist aber einfacher, wenn man ein zweites Standbein hat.» Diese Aussage wird dadurch bestätigt, dass hierzulande nur wenige Rennpferdetrainer ganz auf diesen Erwerbszweig setzen.

Stall Wynentals Karimunda (hier beim Sieg in Frauenfeld unter Yvonne Donzé) konnte diese Saison mit zwei Siegen überzeugen.

Viele Trainer, die nur ein halbes bis ein Dutzend Pferde betreuen, arbeiten im Teilzeitpensum noch in einem anderen Beruf. Dass Specks – trotz zwei arbeitsintensiven Betriebszweigen – für ihre Rennpferde kein Aufwand zu gross ist, zeigt sich auch dadurch, dass jedem eine eigene Weide zur Verfügung steht, die sie bei guter Witterung täglich geniessen dürfen.

Erfolgreichster Hindernistrainer

Aktuell trainieren Specks 13 Pferde. Und die aktuelle Saison war eine erfolgreiche. Am Tag des Interviews führt Hansjörg Speck im Championat der Hinder­nis­trainer mit einem Sieg Vorsprung auf Chantal Zollet. Und es steht nur noch ein Hürdenrennen aus. Der Championtitel ist also griffbereit. Doch Hansjörg Speck winkt ab: «Natürlich ist es schön, in einer Sparte der Erfolgreichste zu sein. Aber ein guter Trainer zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er durch ein paar herausragende Pferde mehr gewinnt als die anderen. Wirklich gut sind wir Trainer, wenn es uns gelingt, dass die Pferde gesund bleiben und jedes seine Trainingsleistungen in gute Rennleistungen umsetzen kann.»

Auf und ab

Über die diesjährigen Resultate sagen Specks: «Wir hatten und haben mit sechs Siegen auf der Flachen und fünf über Hindernisse plus tollen Platzierungen eine gute Saison. Darüber freuen wir uns. Das heisst aber nicht, dass alles optimal gelaufen ist.» Im Rennsport laufe es nie wie geplant, sind sie sich einig. Hochs und Tiefs, Überraschungen und Enttäuschungen seien an der Tagesordnung. Sabine Speck erklärt es genauer: «Einige Pferde, wie zum Beispiel Vaihau mit drei Hindernissiegen oder Karimunda und Future Reference mit je zwei Flachsiegen, haben unsere Hoffnungen mehr als erfüllt.

Der Kämpfer Vaihau bescherte Hansjörg Speck (im blauen Jackett) im Mai in Aarau den 100. Sieg als Trainer.

Andere dagegen sahen wir Anfang Saison als Hoffnungsträger, sie konnten diese Erwartungen aber nicht umsetzen. Vielleicht sind das aber genau die Pferde, die uns dann nächstes Jahr positiv überraschen.»

Drei Siege für Vaihau

Als Star des Trainingsquartiers entpuppte sich in den letzten zwei Jahren der Halbblüter Vaihau, der Andrea Kretschmer, der Lebenspartnerin von Hansjörg Speck, gehört. Er ist das einzige in der Schweiz trainierte Hindernispferd dem dieses Jahr drei Siege gelangen. Der Trainer lobt: «Vaihau ist ein sehr konstantes und hartes Pferd mit einem grossen Herzen, zudem ein hervorragender Springer. Er gewinnt mit seinem Kampfgeist und seinem Endspeed die Rennen manchmal noch auf den letzten Metern.» Vaihau war es dann auch, der Hansjörg Speck im Mai in Aarau den 100. Sieg als Trainer bescherte.

Keine langfristigen Pläne

Obwohl ihre Rennpferde sehr erfolgreich laufen, werden Specks aber weiterhin auf den Trainingsbetrieb und die Landwirtschaft setzen. Doch sie stellen sich auch auf mögliche Veränderungen ein. Sie sagen dazu: «Theoretisch kann es sein, dass sich die Gewichtung unserer Betriebszweige irgendwann verändert. Sollten sich die Bedingungen in der Landwirtschaft verschlechtern und bekämen wir zehn zusätzliche Rennpferde ins Training, würden wir uns wohl mehr auf den Rennbetrieb konzentrieren. Würde uns jedoch plötzlich niemand mehr Pferde ins Training geben, müss­ten wir die Pferdeinfrastruktur allenfalls vermieten und uns ganz auf die Landwirtschaft konzentrieren.» Die beiden Workaholics mach­en darum keine langfris­tigen Pläne und nehmen es, wie es kommt. Sie werden weiterhin 365 Tage im Jahr ihren Betrieb bewirtschaften und für ihre Tiere da sein. Für die wiehernden genauso wie für die muhenden.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 49/18)

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