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Homöopathie kann auch bei Pferden angewendet werden. Foto: shutterstock.com
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Eine realistische Alternative?

12.06.2018 11:06
von  Nadine Meyer-Neufeld //

Alternative Heilmethoden sind in aller Munde. Bei Menschen hat sich die Homöopathie beispielsweise bereits etabliert. So übernehmen sogar Krankenkassen beim Abschluss einer zusätzlichen Versicherung die Kosten einer Behandlung. Homöopathie, ein Ammenmärchen oder eine echte Alternative zur Schulmedizin? Aber funktioniert Homöopathie auch bei Tieren?

Vor rund 200 Jahren entwickelte und etablierte Dr. Samuel Hahnemann in Deutschland die homöopathische Medizin. Sein Prinzip «Similia similibus curentur», was so viel heisst wie «Ähnliches wird mit Ähnlichem geheilt», ist auch heute noch wichtigs­ter Bestandteil dieser Lehre. Die Homöopathie verbreitete sich bald weltweit. Bereits im 18. Jahrhundert sammelten Homöo­pathen auch Erfahrungen bei Tieren. Der Unterschied zur klassischen Schulmedizin liegt darin, dass Homöopathie eine Heilmethode ist, die den ganzen Menschen respektive das gesamte Tier berücksichtigt und nicht nur die kranken Körperteile behandelt. «Man sollte sich vom Gedanken der Symptombehandlung lösen und die Logik der Schulmedizin ablegen. Der Auslöser muss gefunden werden. Umdenken ist angesagt», so Dr. Martine Cachin Jus.

Woraus bestehen die Heilmittel?

Die homöopathischen Heilmittel bestehen aus Pflanzen und aus Stoffen des Mineral- und des Tierreichs sowie aus Teilen von Körpergewebe. Über 1000 unterschiedliche Heilmittel stehen zur Verfügung. Aber was bedeutet «Ähnliches durch Ähnliches heilen»? Martine Cachin Jus vom SHI Haus der Homöopathie in Zug ist überzeugt: «Dies ist ein Gesetz der Natur.»

Die homöopathischen Heilmittel bestehen aus Pflanzen und aus Stoffen des Mineral- und des Tierreichs sowie aus Teilen von Körpergewebe. Foto: pixelio.de/Britta Cornelsen

So wird zum Beispiel das homöopathische Heilmittel Coffea, welches – wie der Name schon preisgibt – aus der Kaffeebohne gewonnen wird, bei einer gesunden Person Nervosität, Zittern, Schlafmangel und Reizbarkeit hervorrufen. Eingesetzt wird es daher bei Personen mit genau diesen Symptomen und soll diese wieder zur Ruhe und Ausgeglichenheit bringen.

Veterinärin Christiane Krüger aus Hüttlingen geht noch weiter: «Die Homöopathie ist wahrscheinlich ein Phänomen der Quantenphysik. Durch das Potenzieren wird Energie aus der Ausgangssubs­tanz freigesetzt. So entsteht ein Energiefeld, das auf den Patienten einwirkt und das genau zu ihm passen muss – wie ein Schlüssel zu seinem Schloss.» Hahnemann sagte dazu: «Wähle in jedem Fall eine Arznei, welche dieselbe Erkrankung hervorrufen kann, die sie auch heilen soll – in angepasster Dosierung.» Ziel ist es, den  gesamten Organismus zu stärken, die Lebenskraft anzuregen und die Anfälligkeit für Krankheit zu  reduzieren.

Wie wird Homöopathie eingesetzt?

Homöopathie kann bei akuten und alltäglichen Krankheiten, aber auch bei chronischen Gebrechen eingesetzt werden. Das Spektrum der Behandlungen, aber auch der zu behandelnde Gruppe, ist sehr breit: So findet Homöopathie bei Mensch, Tieren, aber auch bei Pflanzen Anwendung. Jede Therapie hat seine Grenzen, die der Schulmedizin und die der Homöopathie. Martine Cachin Jus ist überzeugt: «Es ist ein Hand-in-Hand und kein Entweder-oder. Homöopathie kann sogar im Bereich der Chirurgie unterstützend eingesetzt werden.» «Die Grenzen liegen beim Therapeuten und in den Kenntnissen des Therapeuten», so Chris­tiane Krüger.

Placeboeffekt

Es gibt aber auch negative Stimmen zum Thema alternative Medizin. Vom Placeboeffekt ist hier die Rede. Christiane Krüger ist der Meinung: «Auch der Placeboeffekt ist ein energetischer Effekt, der auf dem subjektiven Empfinden und der Einstellung eines Menschen beruht.» Die Homöopathie wirkt jedoch unabhängig von diesem Phänomen. Cachin Jus sieht es etwas nüchterner: «Eine Studie, die schulmedizinische mit homöopathischen Behandlungen vergleicht, ist unzureichend, weil der Grundsatz der Homöopathie ein anderer ist als bei der Schulmedizin.» Ausserdem gibt es auch zahlreiche qualitativ hochstehende Studien, die eine Wirksamkeit der Homöopathie belegen (*). Gemäss Wikipedia konnte aktuell in mehr als 100 Studien kein Nachweis für die pharmakologische Wirksamkeit der homöopathischen Arzneimittel erbracht werden, die über den Placeboeffekt hinausgehen. «Wikipedia vertritt den Standpunkt der Schulmedizin», erklärt Cachin Jus dazu.

Classic Lady bekommt von ihrer Reitbeteiligung Jade Klee Arnica verabreicht. Foto: Nadine Meyer-Neufeld

Die persönlichen Heilerfolge bei Menschen, Tieren, aber auch bei Pflanzen von Martine Cachin Jus und Christiane Krüger zeigen auf, dass Homöopathie durchaus ihre Berechtigung hat. Krüger, die wie Cachin Jus als Tierärztin der klassischen Schulmedizin tätig war, betreut gelegentlich Obstbauern. Vor vier Jahren verschrieb sie einem Biobetrieb, der grosse Probleme mit Apfelschorf bei seinen Speiseäpfeln hatte – quasi ein Hautausschlag des Apfels – ein homöopathisches Mittel. Seitdem wachsen die Früchte einwandfrei. Sie behandelt auch viele Tiere. «Tiere müssen nicht daran glauben, sie sind wie die Pflanzen neutral – und trotzdem wirken die potenzierten Heilmittel.»

Homöopathie bei Pferden

Christiane Krüger betreibt eine Tierarztpraxis im thurgauischen Hüttlingen und weiss von vielen Erfolgsgeschichten zu berichten, bei denen Homöopathie erfolgreich heilen konnte. Sie veröffentlichte im Jahr 2013 mit ihrem zweiten von drei Büchern – dem «Handbuch zur homöopathischen Pferdeapotheke» – eine Anleitung zur Therapie zahlreicher Pferdekrankheiten. Sie behandelt von ängstlichen Tieren bis hin zu Rücken- und Gelenkbeschwerden, Koliken, Allergien, aber auch Arthrosen alles. Wie die Schulmedizin hat auch die Homöopathie ihre Grenzen: «Ein kaputtes Gelenk kann nicht mehr geheilt werden, aber im Anfangsstadium kann es noch voll regeneriert werden.» Wichtig ist, dass für schwere oder chronische Krankheiten ein ausgebildeter Homöopath hinzugezogen wird.

Wer darf Homöopathie anwenden?

In vielen leichten Krankheitsfällen kann der Tierbesitzer gute homöopathische Hilfe leisten und oftmals damit einem schweren Krankheitsverlauf Einhalt gebieten. In jedem Fall ist es gut, wenn sich der medizinische und homöopathische Laie in einem Einführungskurs über die Anwendung der Homöopathie informiert. Die Therapie schwerer oder lebensgefährlicher Krankheiten sollte jedoch einem ausgebildeten Homöopathen vorbehalten sein. Eine professionelle Ausbildung zu «diplomierten Homöopathen» bietet das SHI Haus der Homöopathie an. Der Lehrgang ist von den Fachverbänden anerkannt und ist praxis­orientiert, vermittelt fundierte Kompetenzen in Verhaltenslehre, Tiermedizin und Tierhomöopathie. Homöopathen, die Menschen behandeln, haben seit 2015 die Möglichkeit, eine eidgenössisch anerkannte Höhere Fachprüfung zu absolvieren. Die SHI führt die Module zur Vorbereitung der Höheren Fachprüfung durch. Pro Lehrgang, der auch Praktika beinhaltet, nimmt die Schule bis zu 20 Schülerinnen und Schüler auf.

Doping mit Homöopathie?

Homöopathie hat ihre stringenten Regeln: Falsch verabreichte Mittel können keinen Schaden anrichten. Bei falscher Anwendung kann sie die Lebensenergie des Patienten schwächen, was die Empfänglichkeit für Krankheiten erhöhen kann. Wo muss man beim Einsatz von Homöopathie bei Pferden aufpassen in Bezug auf das Thema Doping? Christiane Krüger rät: «Doping ist tatsächlich kein Thema in der Homöopathie. Jedoch können Dopingkontrollen beim Einsatz rezeptpflichtiger Subs­tanzen positiv ausfallen. Die frei verkäuflichen Homöopathika sind davon nicht betroffen. So ist auch der Einsatz von potenzierter Arnica absolut unbedenklich. Sportreiter sollten sich vor einer Behandlung informieren.»

Am 2. November 2018 bietet das SHI Haus der Homöopathie einen Abendkurs zum Thema Stallapotheke an. Dabei erläutert der homöopathische Tierarzt Erwin Vincenz die Grundsätze, Möglichkeiten und Grenzen der homöopathischen Behandlung von Tieren. Der Kurs kostet 40 Schweizer Franken. Bis dahin kann die Stallapotheke mit Arnica C 200 ergänzt werden. Dies kann bei einem Sturz, aber auch bei Prellungen, Schlägen für die Reiterin oder den Reiter und das Pferd zum Einsatz kommen.

Der Selbstversuch

Als ich vor einem Monat den Auftrag fasste, einen Bericht über Homöopathie bei Pferden zu verfassen, gehörte ich zu den Homöopathie-Skeptikern. Durch die Interviews, die ich mit Martine Cachin Jus und Christiane P. Krüger führen durfte, öffnete ich mich dem Thema alternative Medizin und wagte den Selbstversuch: Meine 17-jährige Warmblutstute Classic Lady verletzte ihr Bein bei einem Schlag ihres Nachbarn im Auslauf. Die offene Wunde blutete sehr stark und der Tierarzt kam sogleich. Er reinigte die Wunde, klammerte sie und Classic Lady erhielt Antibiotika während drei Tagen. Sie lahmte zu keinem Zeitpunkt und war sonst auch sehr munter. Der Tierarzt empfahl, sie während einer Woche nicht zu reiten. Sie durfte aber täglich auf den Paddock. Die Wunde verheilte, jedoch war das gesamte Röhrbein vom Schlag immer noch stark geschwollen. Christiane P. Krüger empfahl, obwohl der Schlag nun eine Woche zurücklag, Arnica zu verabreichen und die Wunde mit Ringelblumensalbe einzureiben und gegebenenfalls mit Ringelblumentee abzuwaschen. Die Schwellung ist nach nun zwei weiteren Wochen Behandlung fast abgeklungen. Ich werde in Zukunft den Einsatz von alternativen Heilmitteln immer in Betracht ziehen und abklären. Einerseits sind die Kosten überschaubar und andererseits macht es meiner Meinung nach auch Sinn, den Organismus meines Pferdes nicht unnötig mit starker Medizin zu belasten. Trotzdem konsultiere ich weiter den Tierarzt, wenn ich merke, dass eine Behandlung mit natürlichen Heilmitteln nicht den gewünschten Effekt bringen sollte.

(*) Link zu einer Studie, bei der die Wirksamkeit der Homöopathie belegt wird:

http://wisshom.de/index.php?menuid=359

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 23/2018)

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