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Max E. Ammann
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Standpunkt

1902: Der erste Schweizer im Ausland

27.04.2021 10:11
von  Max E. Ammann //

Der Dauerritt («Raid Militaire International») Bruxelles-Ostende vom 27. August 1902 wurde der vielen toten Pferde wegen berühmt, ja berüchtigt. Für die Schweiz hatte er eine zusätzliche Bedeutung. Mit dem Basler Artillerie-Hauptmann Senn startete erstmals ein Schweizer Reiter im Ausland. In Ostende kam er als 25. an und erhielt ein Diplom. Capt. Senn war somit der erste Schweizer Reiter, der mit einer Platzierung zurückkehrte. Am Start waren 61 Reiter aus acht Nationen. Die Hälfte waren Belgier, 17 kamen aus Frankreich und sieben aus den Niederlanden. Dazu kamen zwei Schweden sowie je ein Reiter aus England, Norwegen, Russland und der Schweiz. 32 der 61 Starter waren Leutnants und 20 Sous-Leutnants (oder Zweite Leutnants), ein in Belgien und den Niederlanden üblicher militärischer Grad. Dazu kamen sieben Hauptleute (darunter der Schweizer) und je ein Major und ein Oberstleutnant. 17 der 61 Pferde waren Irländer und 13 Vollblüter. Weitere 16 wurden als Halbblüter ohne Herkunft aufgeführt, dazu kamen einige Anglo-Araber, Engländer, Normanen und zwei Pferde aus den USA.

132 Kilometer

Der Ritt führte über 132 Kilometer. Start war am 27. August 1902 von der «Hall du Cinquantenaire» in Bruxelles über Alost, Syngem, Tielt, Thourout zur Rennbahn Wellington in Osten­de. Tags zuvor wurden die 61 Pferde von der zehnköpfigen Jury begutachtet. Der generelle Eindruck war: Alle sind in «superbe condition». Nach der Auslosung erhielten die Reiter Wegekarten und eine Armbinde mit der Startnummer. Als Mindestgewicht wurde 75 Kilogramm festgelegt. In der darauffolgenden Nacht regnete es und es regnete auch beim Start. Die 61 Reiter starteten in Fünfergruppen, alle fünf Minuten eine Gruppe: die erste um sieben Uhr früh, die letzte fünf vor acht. Die erste Teilstrecke bis Escaut führte über Lehmboden, der nach dem langen Regen glitschig war. Die zweite Teilstrecke bis Thourout führte über Sand, das letzte Teilstück über Gras. Auf den 132 Kilometern gab es drei Pflichthalts mit Veterinärkontrollen; zuerst nach 24 Kilometer in Erembodegem, dann bei Kilometer 59 in Syngem und schliesslich nach 100 Kilometern in Coolscamp. Am Ziel im Hippodrom von Wellington kamen nur 29 der 61 Pferde an: 16 Reiter hatten den Raid aufgegeben und 16 hatten ihre Pferde verloren – in runden Prozenten: 50 Prozent am Ziel, 25 Prozent aufgegeben, 25 Prozent tote Pferde.

Bausil, Haegeman und De Silfversward

Zu den Reitern, deren Pferde umkamen, gehörten solche Reitergrössen wie Paul Bausil oder Aimé Haegeman oder der Schwede Carl de Silfversward. Sieger wurde der als Springreiter erfolgreiche französische Dragonerleutnant Madamet auf einem Vollblüter. Auch die beiden Ehrenplätze gingen an Franzosen; den Husarenleutnant Deremetz auf einem Anglo-Araber und den Springreiter E. Haentjens auf einem Irländer. Der Schweizer Hauptmann Senn auf dem zehnjährigen Irländer Diego kam als 25. ins Ziel, drei Stunden und 35 Minuten nach dem Sieger Madamet. Dieser hatte für die 132 Kilometer sechs Stunden, 54 Minuten und 51 Sekunden gebraucht. Der letzte der 29 Ankommer kam nach zehn Stunden, 49 Minuten und 55 Sekunden ins Ziel. Zu den Klassierten dieses Raid Bruxelles-Ostende gehörten der spätere FEI-Präsident G.J. Maris aus den Niederlanden und der belgische Springreiter Charles de Selliers de Moranville. Ausgeschieden waren weiter der Franzose Daguilhon-Pujol, die belgischen Brüder Van Langendonck und der Belgier de Blommaert, der Letztere zehn Jahre später olympischer Medaillengewinner im Springen in Stockholm. Einer der zehn Richter (sie kamen aus sechs der acht teilnehmenden Ländern – ohne Schweizer), Cdt. Smits vom 1. Belgischen Guidenregiment, schrieb einen Rapport, der anfangs 1903 in Buchform he­rauskam. Es ist ein 112-seitiges Buch, mit ausführlichen Tabellen und über 50 Fotos (darunter ein Porträt von Capt. Senn).

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 17/2021)

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