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Max E. Ammann
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Standpunkt

Amazonen im Springreiten (2. Teil)

28.07.2015 10:26
von  Max E. Ammann //

Im letzten Standpunkt wurde über die Springerfolge von Frauen seit 1950 berichtet, beginnend mit der reglementbrechenden Teilnahme von zwei US-Amazonen 1950 in drei Nationenpreisen. Im zweiten Teil dieser Betrachtung der Amazonen-Springreiterei soll auf die Anfänge eingegangen werden, auf die Goldenen 20er- und 30er-Jahre sowie die Schweizer Amazonen der ersten Nachkriegsjahrzehnte.

Aus den Pionierjahren des Springsports, also wäh­rend der 50 Jahre bis zum Ersten Weltkrieg, gibt es wenig über die Amazonenreiterei zu erfahren. Es gibt eine Aufnahme von 1904 eines Fräulein Wisboom van Giessendam auf Meteor beim Concours im niederländischen Hilversum – im Damensattel mit hohem Zylinder. 1906 ritt Mlle. B. Bartholomeu mit Starlight im Grand Palais in Paris. Zu jener Zeit empörten sich einige Pferdeleute im New Yorker Madison Square Garden, als eine junge Dame rittlings – also mit ge­spreizten Beinen – in die Arena ritt. Es war
der ­ers­te Amazonenstart «as­tride», also nicht im Damensattel. 1913, beim Concours im französischen Cannes, siegte die Familie Leclerc gleich fünfmal: Der berühmte Berufsreiter gewann die drei Hauptprüfungen, seine Frau die beiden Amazonenspringen. Im gleichen Jahr, bei der internationalen Horse Show in Londons Olympia- halle begeisterte ein junges Mädchen im Damensattel: die knapp 15-jäh­rige Kanadierin Mona Dunn auf Sceptre.

Lilian Wittmack

Die grosse Zeit der Amazonenreiterei begann nach dem Ersten Weltkrieg, als der internationale Turnierbetrieb ab 1920 wieder begann. Vie-
le der grossen Turniere schrieben Amazonenspringen aus, viermal ritten Amazonen zwischen 1929 und 1932 gar um separate Nationenpreisehren. Die wichtigsten Trophäen für Amazonen der Zwischenkriegsjahre waren 1923 bis 1934 das Campionato delle Ama­zzone im norditalienischen Stresa; der Aachener Walkürenpreis, der all die Jahre zweigeteilt aus­getragen wurde: für Da-
men- und Herrensattel; sowie das Championat der Amazonen in Luzern. Diese glorreiche Zeit endete 1939 mit einem Amazonen-Triumph. Die Dänin Lilian Wittmack gewann mit Mister nicht nur das Luzerner Championat der Amazonen, sondern tags darauf auch noch den Grossen Preis der Stadt Luzern. Die Jahre zuvor hatte Deutschlands beste Amazone, Irmgard von Opel, mit Nanuk 1933 den GP von Berlin und 1934 das Hamburger Derby gewonnen. Die Britin Stella Pierce siegte mit Girlie zweimal hintereinander im Siegerpreis von London, dem Daily-Mail-Cup, und die Amerikanerin Belle Baruch gewann 1931 die Coupe in Paris, alle Siege errungen gegen mehrheitlich männliche Konkurrenz.

Amazonen-Nationenpreise

Die vier Amazonen-Nationenpreise, von der FEI nicht zur Kenntnis genommen, fanden 1929 in Budapest und Aachen, 1930 in Stresa und 1932 in Düsseldorf statt. Eine Equipe bestand aus zwei bis drei Reiterinnen. Zweimal sieg­te die Schweiz, mit Renée Schwarzenbach im Damensattel und Annelies Stoffel. In Budapest gewann das Heim-Trio Malinka Eber, Irma Szechnyi und Judith Gyürky und in Düsseldorf das deutsche Paar Irmgard von Opel und Käthe Franke.

Schwarzenbach, Stoffel, Haecky

Drei Schweizerinnen präg­­ten die Erfolgsbilanz in den Zwischenkriegsjahren: Renée Schwarzenbach, Annelies Stoffel-Schuster und Marussia Haecky. Sie waren die Mutter eines Reiters: Hans Schwarzenbach, damals Springreiter, später Military-Euro­pa­meister; die Ehefrau eines Olym­pia­reiters (Charley Stoffel) und Mutter eines späteren Olympiareiters (Alexander Stoffel), sowie die Schwes­ter eines Nationenpreisreiters, Jean Haecky. Zu erwähnen noch die Zürcherin Buxli Weber, die 1936 in Luzern das Championat der Amazonen gewann. 1937 gewann eine junge Amerikanerin, Madeleine Röntgen, die Damensattelabteilung des Aachener Walküre-Preises. Nach dem Zweiten Weltkrieg, nun in der Schweiz lebend, war Röntgen, bald verheiratete Baronin Rohonczy, die erste Schweizer Erfolgsamazone nach 1945. Annelies Stoffel, die neben Irmgard von Opel erfolgreichste Amazone der Zwischen­kriegsjahre, war bereits 1935 gestorben. In den 60er-Jahren begann die Erfolgsgeschichte von Monica Bachmann. 1966, bei ihrer ersten Cham­pionatsmedaille, bei der Amazonen-EM in Gijon, war sie 24 Jahre alt. Damals gab es Silber – 1967 in Fontainebleau und 1973 in Wien jeweils Bronze. Zweimal ritt Monica Bachmann – ab 1971 Monica Weier – bei Olympischen Spielen: 1968 in Mexico City und 1972 in München. Zweimal wurde sie Schweizermeisterin. Bei­de Male im Wettbewerb mit den Männern, denn anders als im benachbarten Deutschland gab es in der Schweiz keine sepa­raten Amazonen-Championate. 1966 siegte sie mit Sandro – 1970 mit Erbach. Die nächsten Meis­tertitel durch Frauen wurden 1982 durch Heidi Robbiani und 1991/2005 durch Lesley McNaught errungen. Seither triumphierten die Frauen drei weitere Male. Neben Monica Bachmann-Weier sollen weitere Schweizer Amazonen der 50er- und 60er-Jahre erwähnt werden: Beatrice Bär, später Aronsky, die 1958 die Amazonen-EM in Palermo bestritt, Karin Häberlin, Colette Fahrni, die Reiterin von Hanko, später von Hans Möhr geritten, sowie Vreni Schürch. Einige Jahre später ritt Carol Maus – heute im OK des CSI Genf – mit Erfolg international.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 29/2015)

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