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Max E. Ammann
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Standpunkt

Aufwertung der nationalen Meisterschaften

09.02.2016 10:23
von  Max E. Ammann //

Wer war letztes Jahr Schweizermeister der Springreiter? Wer gewann 2014 oder die Jahre davor? Nur wenige können Auskunft geben. Die grosse Zahl der zu gewinnenden internationalen Titel, die vielen Championatsmedaillen und das Geld, das in hoch dotierten Superanlässen gewonnen werden kann, überstrahlen im Radar der am Pferdesport Interessierten die nationalen Meisterschaften fast gänzlich, nicht nur in der Schweiz.

Dies war vor 30 bis 40 Jahren noch ganz anders. Die Schweizer Meis­ter­schaft im Spring­reiten war einer der Höhepunk­te des Schweizer Pferdesportjahres. Dies begann sich Ende der 70er-Jahre zu ändern. Eine neue Generation drängte an die nationale Spitze – zum Teil Reiter, die die Jahre zuvor erfolgreich an Junioren-Europameister­schaf­ten im Ausland geritten waren. Nun, bei den Grossen, wollten sie wieder ins Ausland: nach Rom, La Baule, Rotterdam, Aachen, Hickstead oder gar nach Amerika.

Nur selten im Ausland

Bis zu den Erfolgsjahren von Weier, Bachmann, Möhr, Hauri der 60er-Jahre waren die Schweizer Springreiter eher rare Gäste bei ausländischen Turnieren gewesen. Nur gelegentlich wurden CSIOs besucht, CSIs noch seltener. Auch die oben erwähnten Erfolgsreiter der 60er-Jahre ritten noch mehrheitlich zu Hause. 1969 zum Beispiel bestritten Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland und Grossbritannien neun bis zehn Nationenpreise. Die Schweizer ritten, neben Genf, nur dreimal im Ausland. 1970, bei der Springreiter-WM in La Baule, war kein Schweizer dabei. Der erste Schweizer Start beim nordamerikanischen «Fall Circuit» erfolgte 1982 – im 100. Jahr der «National Hor­se Show» im Madison Squa­re Garden.

Attraktive nationale Turniere

Das damalige Angebot an guten nationalen Springkonkurrenzen war attraktiv. Es gab nationale Startmöglichkeiten in Amriswil, Frauenfeld, Schaffhausen, Zürich, Brugg, Aarau, Langen­thal, Biel, Thun, Basel, Yverdon, Tramelan, Morges etc. Die Medien berichteten darüber und die Qualifkationen auf den obigen Championatsplätzen wurden aufmerksam verfolgt. Der Final der Schweizer Meis­terschaft, jahrelang auf der legendären Hardwiese ausgetragen, mit der ebenso legendären Frau Schoeller auf der Ehrentribüne, war ein Ereignis. Nach einigen Jahren auf der Landiwiese werden die Finals seit den 80er-Jahren auf wechselnden Plätzen ausgetragen.

Fokus wechselt ins Ausland

Als in den 70er-Jahren die Schweizer Springreiter vermehrt ins Ausland fuhren, waren es die nationalen Turniere als ers­te, die dies spürten. Immer wieder fehlten einige der Spitzenreiter an ihren Anlässen und als Folge verschoben auch die Medien ihr Interesse, weg von den nationalen SM-Qualifikationsplätzen zu den internationalen Starts. Bald mussten auch die internationalen Resultate zur Finalqualifikation beigezogen werden, was die Bedeutung der nationalen Anlässe weiter verringerte. Die Folge war ein massiv nachlassendes Interesse an der Schweizer Meis­terschaft. Durch Walter Gabathulers fünf Meis­tertitel hintereinander, 1975 bis 1979, verzögerte sich vorerst das weitere Abgleiten im Interesse der Öffentlichkeit. Ähnliche Entwicklungen erlebte man in andern europäischen Springreiternationen. Einzig Deutsch­land, wo die Meis­ter­schaft fast permanent auf der Anlage des FN-Präsidenten Graf Landsberg auf dessen Schloss in Balve ausgetragen wurde, blieb der Landesmeisterschaft ein hoher Stellenwert. Aber damit ist es auch zu Ende. Bereits 2013 verzichteten Ludger Beerbaum, Chris­tian Ahlmann, Philipp Weishaupt und Mar­co Kutscher auf eine Teilnahme und starteten stattdessen bei einem lukrativeren Turnier in London.

Neue Idee: Jahresendfinal

Während des CHI in Genf im vergangenen Dezember wurde ich wegen dieses Rückganges an Interesse am nationalen Championat vom italienischen Parcoursbauer Marco Cortinovis angesprochen. Er hatte 2005 die Parcours bei der Springreiter-EM in San Patrignano entworfen, und baut unter anderem in Rom und in Florida. Cortinovis hat intensiv über das Problem nachgedacht. Er hat ein Projekt erarbeitet, das mithelfen soll, den nationalen Meisterschaften wieder grösseres Gewicht zu geben. Seine Gedanken sollen hier vorgestellt werden, mit einigen Kommentaren. Die Leser der «PferdeWoche» und  nicht zuletzt die Springverantwortlichen sind eingeladen, dazu Stellung zu nehmen. Marco Cortinovis schlägt einen Jahresendfinal der Medaillengewinner aller nationalen Meisterschaften vor. Damit würde das Interesse der Reiter, die an den nationalen Meis­terschaften teilnehmen, neu erweckt. Überdies kämen damit auch Reiter zu einem Pres­tigestart – eben in diesem Jahres­endfinal – die normalerweise von den grossen Auslandstarts ausgeschlossen sind.

Viele Fragen offen

Ein derartiger Final müss­te zumindest in Europa zwangsläufig in der Hallensaison stattfinden. Die nationalen Meisterschaften finden in fast allen Ländern im Herbst statt, im August, meis­tens im September, also kurz bevor im Oktober die Hallensaison beginnt. Infrage als Austragungsturnier eines solchen Finals kommen somit sämtliche Hallenturniere der Monate Oktober bis März, vorzugsweise November und Dezember.
Dabei stellen sich automatisch mehrere Fragen: Welche Länder werden eingeladen? Sind es nur die europäischen Länder mit nationalen Meisterschaften oder wer­den auch aussereuropäische Länder be­rücksichtigt. Es gibt keine Untersuchung darüber, in welchen Ländern nationale Meisterschaften ausgeschrieben werden. Man weiss, das Grossbritannien kein Championat hat, dafür aber praktisch sämtliche kontinentalen Länder. Sind dies zu viele Länder? Man nehme als Beispiel 30 Länder mit je drei Reitern, was 90 Reiter ergibt – das ist viel. Es müsste zu Beschränkungen kommen, sei es, indem durch die FEI-Computerliste schwächere Länder ausgeschlossen werden oder dass schwächere Länder nicht ihr volles Kontingent von drei Reitern senden können. Es muss ja dem Final-Veranstalter erlaubt sein, neben den Medaillengewinnern der Meisterschaften sei­ne eigenen nationalen Reiter einzuladen, plus einige zusätzliche internationale Vertreter. 40 Medaillengewinner für den Final wäre wohl das Maximum. Bleibt die Finanzierung. Wer bezahlt die Transport- und Reisekosten, die Hotelzimmer, die Preisgelder? Kann sich ein Sponsor für einen derartigen Final gewinnen lassen? Viele Fragen, wenig Antworten. Aber die Idee von Marco Cortinovis verdient es, diskutiert und evaluiert zu werden.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 5/2016)

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