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Max E. Ammann
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Standpunkt

Bill Steinkraus

19.12.2017 11:33
von  Max E. Ammann //

Den Ende November verstorbenen Bill Steinkraus lernte ich anfangs 1964 kennen, kurze Zeit nachdem ich nach New York umgezogen war. Im Jahr darauf publizierte der «Schweizer Kavallerist» (heute Cavallo), das erste von mir geschriebene Porträt von William C. Steinkraus.

Er war schon damals ein in aller Welt bekannter Reiter. Bereits 1952 hatte er in Helsinki mit der US-Equipe olympische Bron­ze gewonnen, und 1960 in Rom gar olympisches Silber. Viereinhalb Jahre nach unserer ersten Begegnung wurde Bill Steinkraus Einzelolympiasieger in Mexiko City, und 1972 in München gab es mit Mannschaftssilber die vierte olympische Medaille. Nur gerade 1956 in Stockholm kehrte er ohne Medaille heim. Einen sechsten Olympiastart verpasste er 1964, als in Tokyo sein Pferd Sinjon lahmte.

Redaktor und Verleger

Unser erstes Zusammentreffen fand in seinem Büro der «Winchester Press» in Manhattan statt. Die Tätigkeit als Redaktor und Verleger war Bill Steinkraus’ dritte berufliche Tätigkeit. Nach dem Studium an der Yale University – unterbrochen 1943 bis 1945 vom Kriegsdienst mit dem 124. Kavallerie Regiment – vor allem in China, Indien, Burma, begann Steinkraus seine erste Tätigkeit im Musikwesen. Er war ein vorzüglicher Violinspieler, er spielte mit der «Conneticut Symphony». Mit seinem Instrument übte er in vielen Turnierhotels. In seinem ersten Job arbeitete er als Konzertmanager für die «New Friends of Music». Nach dieser ersten Erfahrung arbeitete er in der Wallstreet als «Security Analyst». Später wechselte er ins Verlagswesen. Zuerst bei «Van Nos­trand», dann als Chefredaktor bei «Winchester Press» und schliesslich beim bekannten Verlag «Simon & Schus­ter».

Familieninsel

William C. Steinkraus wurde am 12. Oktober 1925 in Cleveland, Ohio, geboren, wuchs aber in Conneticut auf, in Westport und Darien. Sein Vater besass eine Metallwarenfabrik. 1960 heiratete er Helen Ziegler, genannt «Sis», Tochter der prominenten und wohlhabenden Ziegler Backpulverfamilie. Der Grossvater von Helen Steinkraus hatte 1902 eine 26 Hektaren grosse Insel vor Darien, Conneticut, im Long Island Sound gekauft – etwa eine Autostunde nordöstlich von New York gelegen. Dort lebten Bill und Sis. Sie hatten drei Söhne: Eric, Philip und Edward, von denen sich keiner für Reiten begeisterte, dafür für Golf, Tennis und Schiessen. Die grossartige Insel (mit Darien durch eine Brücke verbunden) mit seinem Waldbestand, den Wohnhäusern, wo die Brüder von Sis Steinkraus lebten, und der grosszügigen Reitanlage, steht heu­te zum Verkauf – für 175 Millionen Dollar.

Erfolgreicher Junior

Bill Steinkraus begeisterte sich als Zehnjähriger im Sommercamp für den Reitsport. Als 15-Jähriger gewann er 1940 die «AHSA Junior Horsemanship Medal» und das Jahr darauf den «ASPCA Maclay Final» – die beiden bedeutenden US-Juniorentitel. Zu seinen Lehrern gehörten zwei der grossen Legenden des amerikanischen Spring­sports: Morton W. «Cappy» Smith und Gordon Wright. 1951, im Jahr nach der Gründung des «United States Equestrian Team» (USET) als Nachfolgeorganisation der abgeschafften Kavallerie, die bis 1948 die USA international vertreten hatte, wurde Steinkraus Equipenmitglied. Sein erstes Erfolgspferd war der Armeeveteran Democrat (1948 in London Olympiavierter mit Col. Wing) mit dem Steinkraus 1952 in New York sämtliche Springen gewann, in denen er startete, und die Woche darauf in Toronto noch dreimal siegte. Bei den Olympischen Spielen einige Monate zuvor hatte Steinkraus Hollandia geritten. Von 1951 bis 1972 bestritt Bill Steinkraus 87 Nationenpreise, von denen die USA 38 gewann.

Ksar d’Esprit, Snow­bound, Main Spring

Das nächste Erfolgspferd von Steinkraus war der mächtige Schimmel Ksar d’Esprit, mit dem er die Europatourneen von 1958 und 1960 unternahm. Mitte der 60er-Jahre kam Sinjon, dann der Vollblüter Snowbound, mit dem er 1968 Olympiasieger wurde. Steinkraus beendete seine internationale Karriere 1972 mit Main Spring. Weitere Siegerpferde in seinem Beritt waren Trail Guide, Fire One, First Boy, Fleet Apple, Blue Plum und Riviera Wonder.

Zahlreiche Erfolge

Bei der Weltmeisterschaft 1960 in Venedig qualifizierte er sich als Bester der drei Qualifikationsspringen für den Final, wo er nach einem Sturz nur Vierter wurde. Vier Jahre zuvor hatte er als Fünfter den Final knapp verpasst. Bei den «Panamerican Games» gab es zwei Mannschaftsgoldmedaillen (1959 und 1963) und Silber 1967. Fünfmal gewann er, mit vier verschiedenen Pferden, von 1958 bis1963 den damals begehrten GP von Harrisburg. Ebenfalls fünfmal gewann er von 1952 bis 1972 die Hauptprüfung des CSIO To­ron­to, dies sogar jedes Mal mit einem anderen Pferd. Zweimal siegte er in London im «King Georg V Gold Cup», einmal im Springchampionat von Aachen und zweimal im GP von New York.

Funktionär, Experte, Richter, Autor

Nach seinem Rücktritt stellte er sich dem USET während zwei Jahrzehnten als Präsident und später als Chairman zur Verfügung. Acht Jahre war er Mitglied des FEI-Bureau und von 1988 bis 1998 war er Präsident des Weltcup Komitees. 1976, 1984 und 1988 war er fürs amerikanische Fernsehen bei drei Olympischen Spielen als TV-Kommentator tätig – 1992 war er in Barcelona olympischer Springrichter. 1961 schrieb Bill Steinkraus sein erstes Buch «Riding and Jumping», das – auch auf Deutsch übersetzt – zum Besten gehört, was auf dem Markt ist. Jahr für Jahr schrieb er brillante Artikel für «L’ Année Hippique».
2012 starb Sis Steinkraus, seine Ehefrau während 52 Jahren. Noch am 23. November 2017 feierte Bill mit seinen drei Söhnen, ihren Ehefrauen und vier Enkeln «Thanksgiving». Am 29. November 2017 starb er 92-jährig. Zum Abschluss sei noch sein Toast erwähnt, den er bei vielen Essen mit seinen Freunden in aller Welt anbot: «To us and what we stand for».

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 50/2017)

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