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Max E. Ammann
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Standpunkt

Chairman Lee

04.11.2020 08:48
von  Max E. Ammann //

Im März 2017 schrieb ich aus Anlass der Absetzung der koreanischen Staatspräsidentin Park Geun-hye für die «PferdeWoche» über einen gewaltigen Korruptionsskandal, in der auch Führungskräfte von Samsung verwi­ckelt waren, nicht zuletzt der damalige De-facto-Herrscher des koreanischen Multis, Lee Jae-yong. Dieser ist der Sohn des legendären «Chairman Lee», der aus einem bescheidenen Lebensmittelgeschäft die grösste Firma Koreas machte, mit 300000 Mitarbeitern.

Förderer des Pferdesports

Chairman Lee war auch einer der grössten Förderer des Pferdesports. Auf internationaler Ebene als Sponsor der FEI mit jährlichen zweistelligen Millionenbeträgen, national, in dem er ab Mitte der 80er-Jahre praktisch im Alleingang koreanische Equipen in den drei olympischen Disziplinen aufbaute. Chairman Lee, der mit einem Vermögen von über 20 Milliarden Dollar als reichster Koreaner galt, starb am 25. Oktober 78-jährig. Lee Kun-hee, als Chairman Lee bekannt, war der drittälteste Sohn von Lee Byung-chull, der 1938 Samsung als Lebensmittelgeschäft gegründet hatte. Nach Jahrzehnten des Auf und Ab – auch in Zusammenhang mit dem Koreakrieg Anfang der 50er-Jahre – gehörte Samsung danach zu den sogenannten «Jaebeol» (Chaebol), die Südkorea zur Wirtschaftsmacht machten. Jaebeols (von Jae = Reich, beol = Klan/Sippe) sind Familienunternehmen, die in Korea als Mischkonzerne zu Riesenunternehmen wurden. Neben Samsung sind es vor allem Hyundai, Daewoo und Lucky Goldstar (LG). Mit einem Jahresumsatz von 180 Milliarden Euro ist Samsung der mächtigste Jaebeol. Die Basis von Samsung sind die Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Haushaltsgeräte. Aber, wie ein Gast von Samsung bei einem Besuch in Korea erleben kann, Samsung ist allgegenwärtig. Der Helikopter, der den Gast fliegt, wurde von Samsung gebaut, er schläft im Samsungeigenen Hotel und der grösste Vergnügungspark Koreas, vergleichbar mit Disney World oder Europapark Rust, wird von Samsung betrieben. Die Kunstsammlungen von Samsung und der verzweigten Lee-Familie werden in Samsung-Museen gezeigt.

Skandale und Strafen

Aber die «Samsung-Weste» ist nicht ganz weiss. 2005 wurde die Firma beschuldigt, gegen 300 Personen – Politiker, Journalisten, Steuerbeamte etc. – bestochen zu haben. 2009 wurde Chairman Lee wegen Korruption zu drei Jahren bedingt und 62 Millionen Dollar Strafe verurteilt – er musste 130 Millionen an Steuern nachzahlen. Sein Sohn und Nachfolger in der Führung des Jaebeols, Lee Jae-yong, wurde nach dem eingangs erwähnten politischen Skandal von 2017 in zweiter Instanz zu zweieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Seit September 2020 ist eine neue Anklage gegen den Sohn hängig.
Der 1942 geborene Chairman Lee, nur 164 Zentimeter gross, sei – so wird von Samsung erzählt – nach einer Krankheit dank therapeutischem Reiten wieder genesen. Aus Dankbarkeit förderte er mit Samsung-Geldern, neben andern Sportarten, speziell den Pferdesport. Seine Verbundenheit mit dem Pferdesport zeigte er um 1990, als er den CHIO Aachen besuchte und zu einem elaboraten Galaessen einlud.

«Samsung Equestrian Team»

Als Seoul 1981 durch das IOC die Olympischen Sommerspiele von 1988 zugesprochen erhielt, beschloss Chairman Lee den Aufbau einer koreanischen Pferdesportmannschaft. Ausserhalb der Hauptstadt wurde eine grosszügige Reitsportanlage gebaut, ausländische Trainer wurden verpflichtet und Pferde eingekauft. Eines war Pascal von Reiner Klimke, mit dem ein Koreaner 1988 guter Zehnter wurde. Korea respektive das «Samsung Eques­trian Team» stellte in Seoul 1988 komplette Equipen im Springen und in der Military sowie zwei Dressurreiter.

«World Challenge»

Im gleichen Jahr engagierte sich Samsung als Sponsor für den von der FEI organisierten «World Challenge»: Spring- und Dressurprüfungen für Länder ausserhalb Westeuropas und Nordamerikas. Ab 1996 übernahm Samsung das Sponsoring der Nationenpreisserie. Das Engagement Samsungs mit der FEI endete 2008.
Chairman Lee war Mitglied des IOC. 2014 erlitt er einen Herzinfarkt und zog sich zurück.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 44/2020)

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