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Max Ammann
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Standpunkt

Das Weltcupkomitee

19.09.2017 15:10
von  Max E. Ammann //

Die erste Hürde bei der Einführung des Weltcups der Springreiter 1978 war die FEI-Springkommission. Sie tagte am ersten Mai­wochenende 1978 in Brüssel. Mit einem schwachen Vorsitzenden, dem Polen Eryk Brabec, waren es die vier Mitglieder, die bestimmten. Bill Steinkraus (USA), Max Fresson (FRA), Giovanni Marcone (ITA) und Hans Britschgi (SUI). Die vier harmonisierten und waren sich einig, die Einführung des Weltcups sei eine gute Sache. Ihre Empfehlung ging an die FEI und vor allem an den damaligen FEI-Präsidenten Prinz Philip.

Eine Woche nach Brüssel, am 13. Mai 1978, traf ich Prinz Philip auf Schloss Windsor. Wir diskutierten den bereits von der Springkommission akzeptierten Reglementsentwurf und die Liste der vorgesehenen Qualifikations­turniere. Dann kam die Frage des Managements. Auch für Prinz Philip war es klar: Der Weltcup sollte administrativ ausserhalb der FEI geführt werden. Für die FEI war das Projekt Weltcup der erste Schritt in den Kommerz und so wurde in Windsor beschlossen, dass der Weltcup eine separate Finanzbuchhaltung haben solle. Als Führungsorgan wurde ein Weltcupkomitee ins Auge gefasst. Zu ihr sollten sowohl FEI-Leute ge­hören wie auch Interessenvertreter. Bei der FEI einigte man sich auf den Generalsekretär, ein Mitglied der Finanzkommission und ein Mitglied der Springkommission. Als Interessenvertreter kamen Reiter und Organisatoren infrage: je ein Vertreter aus Europa und Nordamerika. Auf meinen Vorschlag, auch einen Medienmann ins Weltcupkomitee zu nehmen, reagierte Prinz Philip vorerst ablehnend – verständlich, in Kenntnis der Erfahrungen der Windsors mit der aufsässigen «Royal Press» in England. Die Argumente, der Weltcup sei ein Produkt, das kommuniziert werden müsse und dass ein Journalist wahrscheinlich nicht ganz konforme Ideen ins Komitee einbringen würde, überzeugten schliesslich Prinz Philip, dies vor allem, als ich Alan Smith vom «Daily Telegraph» als Mitglied vorschlug, den wohl angesehensten Pferdesportjournalisten Englands jener Zeit und überdies der «Equestrian»-Korrespondent jener Zeitung, die dem königlichen Paar am nächsten stand. Die Sitzung endete mit Prinz Philips Bemerkung: «I’ll put your american English into proper English.»

Komitee mit Reitern und Organisatoren
20 Jahre lang war das Weltcupkomitee das Fundament, auf dem sich der Weltcup weiterentwickel­te. Erster Präsident war der FEI-Generalsekretär. Als dieser während der BEA/Pferd 88 in Bern entlassen wurde und Etienne Allard neuer Generalsekretär wurde, erkannte das Weltcupkomitee, dass dieser mit kaum Pferdekenntnissen für die Nachfolge ungeeignet war. So wurde das Mitglied Bill Steinkraus neuer Präsident und damit das Komitee von zehn auf neun reduziert. Bereits vor der ers­ten Sitzung kam der Wunsch der Interessenvertreter, mit zwei Leuten an den Sitzungen teilzunehmen. Dieser Wunsch wurde so interpretiert, dass die Reiter und die Organisatoren verhindern wollten, dass bei den Sitzungen die Meinung des Vertreters über die Position der betreffenden Organisation dominieren würde. So sassen in den 20 Jahren je zwei europäische Reiter und zwei europäische Organisatoren in den Sitzungen – mit je nur einer Stimme allerdings. Bald war es auch notwendig, den neugegründeten Ligen in Süd­amerika oder Australien eine Teilnahme bei den Sitzungen zu ermöglichen. So vertrat Ted Dwyer fast 20 Jahre lang Australien und Neuseeland im Weltcupkomitee: mit Sitz, aber ohne Stimme.
Das Weltcupkomitee tagte normalerweise einmal pro Jahr: während des Weltcupfinals im April. In den ersten Jahren waren die Sitzungen nicht immer angenehm. Es war damals, 1978, neu, dass Reiter, Organisatoren und FEI als Gleichberechtigte am Tisch sassen und es war für viele nicht immer einfach, ihre Rolle zu finden: einerseits die Interessen ihrer Organisation zu vertreten, andererseits ans Wohl des Weltcups als Projekt zu denken. Der Weltcup war ein neues Produkt und niemand wusste, wohin es führte. Für einige war der Weltcup wie ein Kuchen, jeder wollte ein möglichst grosses Stück – wenn nicht den ganzen Kuchen. Hätte man die Kuchenstücke zusammengezählt, hätte man drei Kuchen gebraucht. Dazu kam in den 80er-Jahren die Rivalität zwischen den europä­ischen und amerikanischen Reitern. Die letzteren hatten neun der ersten zehn Finals gewonnen. Ab Mitte der 80er-Jahre beruhigte sich die Atmosphäre. Die Sitzungen wurden immer konstruktiver. Es entwickelte sich eine Geben-und-Nehmen-Haltung.

1998: das Ende
Raimondo d’Inzeo, der ers­te Präsident des «International Jumping Riders Clubs», war auch der erste europäische Reiter-vertreter im Weltcupkomitee. Ihm folgten David Broome und Franke Sloot­haak. Zu den nicht stimmberechtigten zweiten Reitern am Tisch gehörten, für jeweils eine oder zwei Sitzungen, Harvey Smith, Paul Schockemöhle, Eric Wauters, Piet Raymakers, Pierre Durand, Nick Skelton oder Ludger Beerbaum. Die nordamerikanischen Reiter vertraten Conrad Homfeld, Robert Ridland, Michael Matz und Katie Monahan. Vertreter der europä­ischen Organisatoren waren Dietmar Specht, Raymond Brooks-Ward und Jacinthe Giscard d’Es­taing. Volvo war an sämtlichen Sitzungen vertreten, und die Anwesenheit, vor allem von Ernst Knappe und Ulf Bergqvist, war von essentieller Wichtigkeit. Die Volvo-Vertreter waren sehr zurückhaltend. Sie redeten nur, wenn aufgefordert, und nie haben sie gegen einen Beschluss des Weltcupkomitees protestiert. Als im Juni 1997 Volvo beschloss, sich nach 20 Jahren als Sponsor des Weltcups zurückzuziehen (mit gegen zehn Million Franken Aufwand pro Jahr) war dies für Kräfte innerhalb der FEI das Signal, das unabhängige Gebilde Weltcupkomitee anzugreifen. An der FEI-GV im April 1998 in Hongkong erfolgte der Angriff: der Engländer Michael Bates und die Amerikanerin Jane Clark waren die Speerspitze, denen die damalige FEI-Präsidentin, Doña Pilar, wenig entgegensetzen konnte. Das Weltcupkomitee wur­de abgeschafft und durch eine zahnlose «Weltcup Working Group» ersetzt.

(Erschienen in der PferdeWoche 37/2017)

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