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Max E. Ammann
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Standpunkt

Der Pferdesport in Korea

28.03.2017 13:34
von  Max E. Ammann //

Der Korruptionsskandal in Südkorea, mit dem Industrie-Konglomerat Samsung als Hauptakteur, der zur Absetzung der Staatspräsidentin Park Geun-hye führte,beinhaltet eine in diesem Ausmass nie zuvor erlebte Pferdesportkomponente.

Abgesehen von der abgesetzten Staatspräsidentin gibt es in dieser Affäre zwei Hauptakteure: Einmal der 48-jährige de-facto Herrscher über den Industrieriesen Samsung, Lee Jae-yong, dessen Vater, Lee Kun-hee, ab 1986 Samsung und den Pferdesport zusammenbrachte. Daraus resultierten nicht zuletzt ­Millionen-Sponsoring-Ver­träge mit der FEI und dem koreanischen Pferdesportverband. Dann die Vertraute der abgesetzten Staatspräsidentin, Choi Soon-sil, die angeblich mit erpressten Samsung-Millionen das Dressurhobby ihrer Tochter Ching Yoo-ra finanzierte. Dies brachte immerhin eine Mannschaftsgoldmedaille an den asiatischen Spielen von 2014 für die damals 18-jährige Tochter.

Hippotherapie

Das Engagement Koreas, respektive des Chaebol Samsung im Pferdesport, begann 1986 (Chaebol heissen die grossen Familienkonzerne, wie Samsung, Hyundai, Dae­wo, Lotte oder Lucky Gold Star, die in den 60er- bis 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Korea entstanden). An der Spitze von Samsung stand der verehrte Chairman Lee, der Vater des erwähnten Lee Jae-yong. Die Geschichte, die damals immer wieder erzählt wurde, war, dass der 1942 geborene Chairman Lee nach einer Krankheit dank therapeutischem Reiten wieder genesen ist. Diese Dankbarkeit für das Reiten sei der Auslöser, dass Samsung unter Chairman Lee 1986 ausserhalb der Hauptstadt Seoul eine grosszügige Reitanlage baute und begann, koreanische Reiter zu unterstützen. Korea hatte am IOC-Kongress von 1981 in Baden-Baden die Olympischen Spiele von 1988 zugesprochen erhalten. Sie sollten Höhepunkt des neuen Korea nach der 20-jährigen Diktatur von Park Chung-hee (1960-1979) werden (dem Vater der abgesetzten Staatspräsidentin). Die Unterstützung des Pferdesportes durch Sam­sung respektive Chairman Lee ergab 1988 in Seoul immerhin einen zehnten Dressurplatz für Suh Jung-kyun auf dem einstigen Klimke-Pferd Pascal, von Samsung für die Koreaner erworben. In der Vielseitigkeit belegte Choi Myung-jin Platz 17. Im gleichen Olympiajahr 1988 engagierte sich Samsung als Sponsor der von der FEI organisierten World Challenges, Spring- und Dressurprüfungen, die damit in den Ländern ausserhalb Westeuropas und Nordamerikas gefördert wurden. 

Chairman Lee engagierte sich persönlich für den Pferdesport. Einmal, etwa 1990, besuchte er den CHIO Aachen und gab auf dem Turnierplatz ein exklusives Mittagessen. Im Herbst 1995 kam von Samsung die Anfrage an den Weltcupdirektor, ob es möglich sei, das Sponsoring des Weltcups zu übernehmen. Damaliger Sponsor, mit einer jährlichen Auslage von gegen zehn Millionen Franken, war seit 1978 der schwedische Automobilhersteller Volvo. Deren Ausstieg kam damals nicht in Frage, so wurde Samsung das Sponsoring der Nationenpreisserie vorgeschlagen, die seit 1991 ohne Sponsoringgelder war.

Engagement in der Nationenpreisserie

Samsung zeigte sich inte­ressiert und so flog ich im Januar 1996 nach Seoul. In mehrtägigen Sitzungen wurde ein Vertrag ausgehandelt, der im September 1996 im Hauptquartier von Samsung Electronics von dessen Präsidenten und dem Generalsekretär der FEI unterschrieben wurde. Das Engagement von Samsung für die Nationenpreise dauerte über 20 Jahre – ab 2003 mit der Samsung Super League der acht besten Nationen.

Parallel zu dem Sponsoring Samsungs (neben der FEI profitierte auch der koreanische Pferde­sportverband) förderte Samsung die eigenen Reiter. Vorerst auf der 1986 erbauten Grossanlage bei Seoul, wo unter anderem die sowjetische Dressurreiterin Nina Menkova als Trainerin wirkte. Bald erkannte man, dass man den Anschluss an die Weltspitze nur schaffte, wenn die koreanischen Reiter in den Zentren des Pferde­sportes, also Europa oder Nordamerika, trainierten und dort auch regelmässig auf höchstem Niveau starteten. So lebten mehrere Jahre lang um die sechs koreanische Springreiter in Mühlen bei Paul Schockemöhle. Die koreanische Nationenpreis­equipe war ein regelmässiger Gast bei den CSIO – einmal, im polnischen Poznan, gab es gar einen Sieg. 2004 qualifizierte sich Südkorea mit einer Springequipe für die Olympischen Spiele in Athen. Sie wurden dort Achte (die Schweiz war Fünfte hinter den USA, SWE, GER und NED). In der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts zog sich Samsung etwas aus dem Pferdesport zurück. Die Reiter wurden aus Europa abgezogen und das Sponsoring der Nationenpreisserie endete 2008. Nur gerade auf dem eigenen Kontinent sah man koreanische Reiter am Start, so 2014 bei den Asien-Spielen in Incheon, Korea. Dort gewann ein junges Mädchen namens Chung Yoo-ra die Goldmedaille mit der Dressurmannschaft Koreas. Etwas über zwei Jahre später wurde die nun 20-Jährige in Dänemark verhaftet – als mitbeteiligte Tochter der eingangs erwähnten Staatspräsidenten-Freundin Choi Soon-sil. Der Mutter wird unter anderem vorgeworfen, von Samsung um die 38 Millionen Franken erhalten (erpresst) zu haben. Einige Millionen davon flossen in den Pferde­sport. Angeblich zum Aufbau einer koreanischen Mannschaft. Man mietete die Reitsportanlage Jaegerhof in Biblis bei Frankfurt. Nun stellte sich he­raus, dass die so geförderte koreanische Mannschaft nur aus Tochter Chung Yoo-ra und ihrem Trainer besteht.

Weitere Kapitel dieser Geschichte dürften folgen!

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 12/2017)

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