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Max E. Ammann
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Standpunkt

Der Springsport im 19. Jahrhundert

05.03.2019 11:50
von  Max E. Ammann //

Nach den historischen Beiträgen zu den Ursprüngen der Vielseitigkeit und der Dressur eine Übersicht über den Springsport im 19. Jahrhundert. Dieser Standpunkt endet allerdings erst im 20. Jahrhundert, denn 1900, 1902 und 1909 waren Schlüsseljahre für den Schweizer wie den internationalen Pferdesport.

Die ersten verbürgten Springprüfungen fanden am 15. April 1868 auf dem damaligen Gelände der Royal Dublin Society an der Kildare Street statt. Ausgeschrieben waren je ein Hochspringen (high leap) und ein Weitspringen (wide leap) und gedacht waren die beiden Springen als Eignungstest der Pferde für die Fuchsjagd. In den Jahrzehnten bis zur Jahrhundertwende kam es in den meisten europäischen Ländern zu «ersten» Springkonkurrenzen, so in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Österreich, in den 80er-Jahren in Belgien, Italien und den Niederlanden, Mitte der 90er-Jahre in Deutschland und schliesslich 1900 in der Schweiz. Pferdeschauen gab es aber schon viel früher. Dass in den USA ein «Concours Hippique» immer noch als «Horse Show» bezeichnet wird, sei ein Hinweis, dass man Pferde prüfte und bewertete, lange bevor man sie über Hindernisse testete. Man kann annehmen, dass solche Pferdeschauen des Öfteren zusammen mit einem Pferdemarkt abgehalten wurden.

Deutsche Premiere in München

Man weiss, dass es in Deutschland bereits in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts Leistungsprüfungen für das Ostpreussen- Pferd gab. Allerdings dauerte es dann bis 1895, ehe man auf eine deutsche Springkonkurrenz stösst. Sie wurde in München von der 1894 gegründeten Bayerisch­en Campagnereiter-Gesellschaft organisiert. Die Hindernisse waren knapp einen Meter hoch. Weitere deutsche Reit- und Fahrturniere gab es in jenem Jahrzehnt in Frankfurt, Hamburg, Köln und Berlin. In der deutschen Hauptstadt organisierte der 1897 gegründete Deutsche Sportverein ab 1899 Reit- und Fahrturniere.

US-Streit um Premiere

In den USA streiten sich drei Turniere darum, die erste amerikanische «Horse Show» zu sein. Upperville in Virginia, Lakefield in Connecticut und Springfield in Massachusetts. Upperville soll 1853 erstmals durchgeführt worden sein – letztes Jahr feierte das Dörfchen bei den Blue Ridge Mountains mit seinen knapp 1000 Einwohnern das 165-Jahr-Jubiläum der ersten «Horse Show». Allerdings: Gesprungen wurde in jenen Jahrzehnten nicht. Mit Sicherheit gab es bei der 1883 in New York gegründeten «National Horse Show» im ersten Madison Square Garden (ein leeres Eisenbahndepot am Madison Square) Springprüfungen. Am populärs­ten waren die Hochsprungkonkurrenzen. 1883 sprang das Siegespferd 1.83 Meter. Im darauffolgenden Jahr waren es bereits 1.98 Meter und 1891 stand der Rekord auf 2.16 Meter.

Gesellschaftlicher Höhepunkt

In Frankreich führte die 1865 gegründete «Société Hippique Française» (SHF) bereits im darauffolgenden Jahr ihr erstes Reitturnier durch. Allerdings noch ohne Springprüfungen. Innert wenigen Jahren bildete die SHF in Frankreich einen sechs Concours umfassenden Turnierbetrieb. Fünf regionale Concours im Südwesten, im Südosten, im Osten, im Westen und im Norden führten zum Finale, dem Concours Central in Paris. Die fünf regionalen Concours waren in erster Linie Leistungsprüfungen für die französische Zucht – der Concours Central, ab 1901 im Grand Palais in Paris ausgetragen, war bald ein Höhepunkt des gesellschaftlichen Lebens.

Belgien, Italien, Niederlande

In Belgien weiss man von ersten Concours Hippiques mit Springprüfungen aus dem Jahre 1881, vorerst im Bois de Combre, bald darauf in der Halle du Cinquantenaire. Bereits 1896 zählte man in Belgien 15 «Concours Hippiques». In Italien gab es 1884 die erste Springkonkurrenz in Turin, an der auch Offiziere der benachbarten Kavallerieschule von Pinerolo starteten. 1891 kam es zum ersten öffentlichen Concours in Tor di Quinto, der anderen italienischen Kavallerieschule. Federico Caprilli war einer der Teilnehmer. In den Niederlanden wurde der erste Concours Hippique 1886 ausgetragen. In der Donau-Mo-
narchie, wo die Campagnereiter-Gesellschaft 1873/74 die ersten Dressurprüfungen durchführte, kamen 1875 in der Krieau auch Springprüfungen zur Austragung.

Schweizer Premiere 1900

In der Schweiz zählt die Springprüfung von 1900 anlässlich der Pferderennen in Yverdon als ers­ter Springwettbewerb. Sieger wurde Max de Rham, der später als Illustrator, unter anderen der Titelseite von «L’Année Hippique» in den 40er-Jahren, sehr geschätzt wurde. 1901 siegte Lt. L.W. Ramuz auf Manfred, ein Paar, das in den folgenden Jahren den jungen Schweizer Springsport – deren Zentren damals Yverdon und Morges waren – dominierte. Ramuz gründete später mit Oscar von Gunten in Faoug bei Murten einen Pferdehandel, der den Schweizer Pferdesport jahrelang beeinflusste.

CSI-Premiere 1902 in Turin

Zu erwähnen im Jahr 1900 ist der «Concours Central» der SHF in Paris. Wegen der Weltausstellung wurde der nationale Anlass, der bereits 18 Tage dauerte, um drei internationale Tage verlängert. Die fünf Prüfungen, die dabei ausgeschrieben wurden, zogen allerdings nur gerade einige Belgier und einen Italiener an. Viele Jahrzehnte später wurden die drei Springprüfungen als Teil der zweiten Olympischen Spiele anerkannt – dies, obwohl das Starterfeld aus der damals üblichen Mischung von Offizieren, wohlhabenden Besitzern und Berufsreitern bestand. 1902 kam es zum ersten CSI in Turin, mit Reitern aus sechs Ländern. Der belgische Concours von Spa produzierte in jenen Jahren um die Jahrhundertwende einige Hindernisse, die noch heute im Gebrauch sind: so die Triplebarre oder die Open-Ditch.

1909 erstes Teamspringen

1909 wurde ein Schlüsseljahr des internationalen Pferde-sports. In der Londoner Olympiahalle wurde ein Mannschaftsspringen für Offiziere ausgeschrieben, das heute als erster Nationenpreis gilt. Wenige Wochen nach diesem Hallendebüt kam es im spanischen San Se­bastian zum ersten Freiluftnationenpreis.
In Luzern wurde 1909 auf der Halde am See der erste internationale «Concours Hippique» ausgetragen und die «National Horse Show» in New Yorks Madison Square Garden lud erstmals internationale Teams ein. Die Briten entsandten drei Offiziere mit ihren Pferden. Ebenfalls aufs Schiff wagten sich 1909 vier argentinische Offiziere, die mit ihren Pferden nach Europa fuhren und dort einige Turniere bestritten.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 9/2019)

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