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Max E. Ammann
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Standpunkt

Die Anfänge der Zuchtweltmeisterschaft

30.04.2019 10:49
von  Max E. Ammann //

Dieser Tage kontaktierte mich Ingvar Fredricson, der ehemalige, langjährige Direktor des schwedischen Nationalgestüts Flyinge (und Vater der beiden internationalen Reiter Jens und Peder – der Letztere amtierender Europameister der Springreiter).

Fredric, so wird er genannt, schreibt ein Buch über sein Leben in Flyinge und in der Pferdezucht. Eines der Kapitel befasst sich mit der «World Breeding Federation for Sport Horses» (WBFSH), an deren Gründung vor drei Jahrzehnten wir beide beteiligt waren. Damals, von 1988 bis 1992, trafen wir uns an zahlreichen Sitzungen, von der ersten Zusammenkunft am 3. September 1988 in Apeldoorn bis zum 20. März 1992, als im französischen «Haras National des Bréviaires» die Gründung der WBFSH beschlossen wurde.

«L’Année Hippique»

Alles begann anfangs der 80er-Jahre, als ich im wiedererstandenen Jahrbuch «L’Année Hippique» zu den Jahresweltranglisten der besten Reiter und Fahrer erstmals eine Jahresrangliste der erfolgreichsten Zuchtländer erstellte. Die Jahresweltranglisten im Springen, der Dressur, der Military und im Fahren wurden seit 1969 erstellt und in mehreren Fachzeitschriften alljährlich publiziert, so im «Schweizer Kavallerist» (heute «Kavallo»), in der «ReiterRevue», der «Information Hippique» oder im «Chronicle of the Horse». Diese «World Ratings», als Vorgänger der 1978 eingeführten FEI-Computerliste, basierten auf den im Laufe eines Jahres erzielten Resultaten, wurden aber nach Abwägen dieser Resultate nach Gefühl erstellt.

Deutschland erster Sieger

Die Zuchtweltrangliste für 1984, die erste, die im «L’Année Hippique» veröffentlicht wurde, sah die Bundesrepublik Deutschland als Sieger im Springen und der Dressur, Irland in der Military und Ungarn im Fahren. Die Gesamtwertung aller vier Disziplinen gewann die Bundesrepublik Deutschland klar vor Irland. Die Bundesdeutschen hatten in allen vier Disziplinen gepunktet, die Iren in Springen, Dressur und Military, aber nicht im Fahren.
Diese Zuchtweltrangliste wurde beachtet und diskutiert. Mit Joep Bartels, meinem Weltcuppartner (er leitete den Dressurweltcup, ich den Springweltcup), diskutierte ich, ob man nicht die Zuchtverbände respektive Zuchtländer für ein offizielles Zuchtchampionat gewinnen wolle. Mit Xavier Libbrecht interessierte sich auch ein französischer Journalist für das Thema. Wir beschlossen, Kontakt mit der damaligen FEI-Präsidentin, Prinzessin Anne, aufzunehmen. Ich traf sie im Juni 1988 beim CSIO in Hickstead. Sie war interessiert und bereit, Einladungen für eine erste Zusammenkunft zu versenden. Die Frage war: Wer soll dabei sein? Nationale Zuchtorganisationen? Zuchtbücher? Gestütsleiter? Privatzüchter? Die Lis­te umfasste schliesslich neun Namen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Irland, Grossbritannien und der Schweiz. Für die Schweiz wurde Pierre-André Poncet, der Direktor von Avenches, eingeladen. Die andern waren eine Mischung aus Staatsfunktionären (wie Frankreich), Zuchtbüchern (wie die Niederlande), Gestütsleute (wie Schweden), Reiter (wie Belgien) oder Privatzüchter (wie Grossbritannien).

Geburt der WBFSH

Die erste Sitzung fand am 3. September 1988 während der Viererzug-WM in Apeldoorn statt. Dreieinhalb Monate später lud Prinzessin Anne zur zweiten Sitzung in den Buckingham Palast ein. Im Mai 1989 traf man sich erneut während der internationalen Military in Badminton. 1990 und 1991 kamen weitere Zusammenkünfte in Brüssel, Bern und Maastricht sowie Einzelgespräche. In Deutschland traf ich an einer Zusammenkunft die Vertreter aller Zuchtbücher. Die Zahl der Anwesenden bei den Sitzungen nahm zu. An einer Sitzung in Bern am 29. März 1990 informierten wir die FEI. Am 20. März 1992 wurde im Haras National des Bréviaires in Frankreich die Gründung der «World Breeding Federation for Sport Horses» (WBFSH) beschlossen.

«BCM Foundation»

Es war uns bewusst, dass Deutschland und Frankreich die beiden führenden Zuchtländer waren, mit den Niederlanden als Nummer drei. Um einen Kampf ums Präsidentenamt zu vermeiden, schlugen wir als Präsidenten den Vorsitzenden des niederländischen KWPN (Koninklijk Warmbloed Paard Nederland, niederländische Warmblut) vor und machten die Vertreter der beiden mächtigsten Zuchtländer zu Vizepräsidenten. An der Sitzung während des CSI 1991 in Maas­tricht wurde BCM, die Firma von Joep Bartels, die damals in über einem halben Dutzend internationalen Turnieren involviert war, angefragt, das Projekt adminis­trativ zu betreuen. In der Folge übernahm die «BCM Foundation», mit Joep Bartels und seiner Sekretärin, Milly Noe, sowohl die Entwicklung der zu gründenden «World Breeding Federation» wie auch die ab 1992 ausgetragenen Zuchtweltmeisterschaften. Bereits 1992 wurde ein erster «Media Guide», ein Pressehandbuch, herausgegeben. Joep Bartels zog sich 1997 zurück, ich selber nahm nur noch sporadisch an den Aktivitäten der WBFSH teil. Xavier Libbrecht, der dritte journalistische Initiator, blieb dem Projekt verbunden.

Punkteberechnung

Für die Weltrangliste der Zuchtländer nahm ich die Resultate der jährlichen Hauptanlässe, also Olympische Spiele, Weltmeisterschaft, Europameisterschaft und Weltcupfinal, und errechnete Punkte wie folgt:
Einzeltitel bei OS/WM/EM/WCF                    6 Punkte
Ränge zwei/drei                                         5 Punkte
Ränge vier bis sechs                                   4 Punkte
Ränge sieben bis zehn                                3 Punkte
Ränge 11–20                                             2 Punkte
Prüfung beendet (hinter Rang 20)                1 Punkt
Unplatziert                                                 0 Punkte
Mitglied einer Goldequipe                            2 Punkte
Mitglied einer Silber- oder Bronzeequipe       1 Punkt

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 17/2019)

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