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Max E. Ammann
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Standpunkt

Die Schweizer Springreiter

07.05.2019 13:52
von  Max E. Ammann //

Von 1948 bis 1964 gewannen die Schweizer Dressurreiter bei Olympischen Spielen, FEI-
Championaten und Europameisterschaften 18 Medaillen, davon acht goldene. Von 1947 bis 1960 gewannen die Schweizer Militaryreiter immerhin fünf Medaillen, davon eine goldene.
Die Schweizer Springreiter gewannen in diesen zwei Nachkriegsjahrzehnten keine Medaille,
dies vor allem, weil sie bei den in den 50er-Jahren eingeführten FEI-Championaten gar nicht teilnahmen, und bei den fünf Olympischen Spielen 1948 bis 1964 nur zwei Mal eine Equipe
entsandten, zwei Mal mit Einzelreitern teilnahmen und 1948 ganz verzichteten.

Heute ist es umgekehrt. Die Schweizer Springreiter sind, zusammen mit den Voltigierern, bei OS, WM, EM, WCF die sichersten Medaillengewinner, vor den Fahrern und Distanzreitern, bei denen man immer auf einen Podestplatz hoffen kann. Keine Medaillen erwartet man in der Dressur und der Military, die beiden Hauptlieferanten von Medaillen in den Nachkriegsjahren.

Zwei von 31

Die FEI führte die Springreiter-WM 1953 ein. 1957 folgten die EM, getrennt für Frauen und Männer, und seit 1952 gibt es eine Europameisterschaft der Juniorenspringreiter. In diesen Jahren bis 1964 ergaben sich so für die Springreiter 31 WM- oder EM-Startmöglichkeiten. Die Schweiz nützte deren zwei. 1955 wagte Alexander Stoffel auf Privatinitiative einen WM-Start in Aachen und 1958 wurden zwei Amazonen an die EM nach Palermo entsandt. Eine gezielte Beteiligung bei den Europameis­terschaften gab es erst 1965 (Männer und Frauen) respektive 1966 bei den Junioren. An den ersten WM-Start wagte man sich 1974. Das Abseitsstehen der Schweizer Springreiter begann 1948, als darauf verzichtet wurde, neben der Military und der Dressur auch die Springprüfungen der Olympischen Spiele zu beschicken. Die Ursachen gehen auf die frühen 30er-Jahre zurück. Als nach dem Ersten Weltkrieg in den 20er-Jahren der internationale Turnierbetrieb wieder aufgenommen wurde, war die Schweiz im Springen wie in der Military an vorderster Front dabei. Starke Persönlichkeiten, wie die Kommandanten der Regie und des Depots, Richard Ziegler und Ernest Haccius, setzten sich für Auslandstarts ein: Die Schweizer Offiziere reis­ten von 1921 bis 1930 mehrmals nach Nizza und Dublin, Rom, Aachen und Brüssel, je einmal nach London und Den Haag. Dazu kamen ab Mitte der 20er-Jahre die zwei bedeutenden Heim-CSIOs von Luzern und Genf. Die Schweizer Spring­reiter gehörten in jenem Jahrzehnt zu den stärksten Europas. Sie gewannen sechs Nationenpreise, weniger als die damals überragenden Italiener, aber auf der Höhe der Franzosen, Deutschen und Polen. Denkwürdig ist der dreimalige Gewinn der «Aga Khan Trophy» von Dublin.

Schweizer Milizoffiziere


Das änderte sich in den 30er-Jahren. In Deutschland, Frankreich, Italien oder Irland wurden straff geführte Springställe aus Berufsoffizieren gebildet. Die Schweiz konnte nicht mithalten. Neben einigen Bereiter-Offizieren in der Regie und im Depot waren die meisten Schweizer Spitzenreiter Milizoffiziere, des Öfteren Besitzer von Industriebetrieben, die sie selber führten. 1931 gewannen die Schweizer noch die Nationenpreise von Nizza und Wien. Aber von 1932 bis Kriegsausbruch 1939 kam nur noch ein Sieg dazu. Auch olympisch blieben die Medaillen aus. In diesem Jahrzehnt gewannen die Deutschen, Iren, Franzosen und Italiener mit ihren Springställen 30, 22, 17 und 16 Nationenpreise.

Springen flop, Dressur top

Nach dem Krieg, als 1946 die internationale Turniertätigkeit wieder begann, blieben die Schweizer Springreiter im Mittelmass stecken – dies im Gegensatz zu den Military- und Dressurreitern, die sofort erstaunliche Erfolge feierten. Bei den Dressurreitern durften 1949 die Unteroffiziere beim FEI-Championat in Le Zoute mitreiten, wo sie im Prix St. Georges gleich einen sechsfachen Sieg feierten. Den Grand Prix gewann in Le Zoute der Regie-Bereiter-Offizier Oskar Frank. Bei den Militaryreitern zogen die jahrelang erfolgreichen Hans Schwarzenbach und Anton Bühler die Schweizer bis zu den Olympischen Spielen vom Rom 1960 zu Spitzenrängen. Die Springreiter hatten 1947 mit vier Podestplätzen in fünf Nationenpreisstarts ein erfolgreiches Jahr. Dann wurde es schwieriger. Von 1948 bis 1960 verzeichnet man nur zwei Nationenpreissiege (Pinerolo 1953 und Le Zoute 1957) und keinen einzigen GP-Einzelsieg in einem bedeutenden CSIO. Es waren gute Reiter, die in den 50er-Jahren für die Schweiz ritten: die Offiziere Arnold Mettler, Alexander Stoffel, William de Rham, Marc Büchler, Kurt ­Eschler, Mario Mylius, Frank Lombard, Hans Britschgi, Karl Ilg und die Herrenreiter Victor Morf und Werner Brenzikofer. Aber in den andern europäischen Ländern wurde der Sport immer professioneller. Die Rotröcke wurden immer zahlreicher, die Offiziere immer weniger. 1956, bei den Olympischen Spielen, ritten reine Offiziers­teams nur noch für die Schweiz, Italien, Irland, Chile und Ägypten – Deutschland, Grossbritannien, die USA und Belgien hatten nur Zivilis­ten.

Schweizer Aufstieg Teil 1

Die Rückkehr der Schweizer Springreiter an die Spitze erfolgte in zwei Etappen. Die erste begann Ende der 50er-Jahre mit Hans Möhr und Paul Weier, zu denen anfangs der 60er-Jahre Max Hauri und Arthur Blickenstorfer stiessen, zwei Offiziere und zwei Rotröcke. Zusammen mit der Amazone Monica Bachmann errangen die Schweizer Springreiter ab 1963 wieder regelmässig Siege in Grossen Preisen und Nationenpreisen. Als ab 1965 auch die Europameis­terschaften beschickt wurden, gab es auch dort Spitzenplätze. Die Junioren, die 1966 erstmals bei der EM in Kopenhagen mitreiten durften, gewannen gleich die Bronzemedaille. 1969 in Dinard wurde das Quartett Brigitte Nater, Beat Rötlisberger, Charles Grandjean und Jürg Notz gar Europameister.

Schweizer Aufstieg Teil 2

Mitte der 70er-Jahre gelang mit den Brüdern Markus und Thomas Fuchs, Walter Gabathuler, Willi Melliger und Philippe Guerdat, einem Erfolgsquintett, der Sprung von den Junioren zur Spitze. Zusammen mit Jürg Friedli, Bruno Candrian, Gerhard Etter, Francis Racine, Kurt Maeder und vor allem Heidi Robbiani bildete sich, mit den weiterreitenden Grössen der 60er-Jahre, eine Leistungsdichte, die 1983 ihre erste Krönung erlebte: EM-Mannschaftsgold in Hickstead, drei Nationenpreissiege in Genf, Aachen und Dublin und Gewinne der Grossen Preise an den CSIO von Aachen (Melliger), Bratislava (Etter), La Baule (Derbysieg für Thomas Fuchs) und Rotterdam (Gabathuler). 1984 gab es Olympiasilber und den Grossen Preis von Spruce Meadows für Heidi Robbiani mit Jessica.
Diese Erfolgswelle wird seither fortgesetzt, zuletzt mit den beiden WM-Medaillen in Tryon durch Martin Fuchs und Steve Guerdat und den Doppelsieg (Guerdat vor Fuchs) beim Weltcupfinal 2019.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 18/2019)

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