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Max E. Ammann
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Standpunkt

Erinnerung an Bert de Némethy

17.01.2017 13:13
von  Max E. Ammann //

Kürzlich sind mir die acht Videos, die 1989 mit Bertalan de Némethys Trainingsmethode herausgebracht wurden, wieder unter die Augen gekommen. Die Videos folgten auf Berts Buch mit dem gleichen Titel: «The De Némethy Method». Dies gab den Anlass, meine Erinnerungen an diesen ausserordentlichen Reiter, Pferdemann, Menschen und Freund zu schreiben.

Wir lernten uns 1964 kennen, bei meinem ersten Besuch im 1961 eröffneten Trainingszentrum des USET in Gladstone. Damals war Bert bereits neun Jahre Trainer der amerikanischen Springreiter. Wir blieben in Kontakt. Nach seinem Rücktritt als USET-Coach 1980 wurde er ein geschätzter Parcoursbauer, der für die Olympischen Spiele von 1984 beispielslose Parcours entwarf und 1980 und 1989 zweimal die Weltcupfinals baute. Bert de Némethy starb 2002 – fünf Jahre nach dem Tod seiner Frau Emily.

Militärdienst in der Kavallerie

Bertalan de Némethy wur­de 1911 im ungarischen Györ geboren, der Sohn des Gouverneurs. Nach Absolvierung der Ludovika Militärakademie kam er 1932 zur Kavallerie – zum dritten Regiment der Husa­ren des Grafen Nádasdy. 1934 trat er in die Kavallerieschule von Örkény Tábor ein, wo er bereits 1937 Instruktor wurde. 1939 wurde er an die damals führende deutsche Kavallerieschule in Hannover abkommandiert. Bereits 1937 wurde De Némethy in die ungarische Spring­equipe aufgenommen, der auch Berts Vorbild, Agos­ton Endrödy (Olympia Fünfter von 1936), ange­hör­te. Die ungarischen Reiter trainierten für die Olympischen Spiele von 1940, die dann nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges abgesagt wurden. 1939 ritt De Némethy als Husarenrittmeister auf der Halde beim CSIO Luzern.

Flucht nach Dänemark

Nach dem Einmarsch der russischen Armee in Bu­da­pest floh De Némethy, wie viele andere ungarische Offiziere, in den Wes­ten. Bert landete in Dänemark, wo er sechs Jahre als Reitlehrer wirkte. 1952 kam er als Einwanderer in die USA – 1958 wurde er US-Bürger. Er wohnte in Far Hills, New Jersey, und unterrichtete im Sleepy Hollow Country Club in Tarrytown, New York. 1955, nach dem enttäuschenden Abscheiden der amerikanischen Spring­reiter bei den Pan­amerikanischen Spielen wurde Bert de Némethy – auf Rat der beiden Olym­pia­reiter von 1952 Arthur McCashin und Bill Steinkraus – zum Springcoach des USET gewählt. Noch ohne das spätere Trainingszentrum Gladstone war De Némethy vorerst Wandertrainer, mit dem Nahziel der Bildung einer Equipe für die Olympischen Spiele von 1956 in Stockholm. Von den Reitern, die in den ersten sechs Jahren seit der Gründung des USET 1950 die USA vertreten hatten, blieb nur noch Bill Steinkraus, damals 31-jährig. Neu dazu kamen Frank Chapot (22), Hugh Wiley (29) und bald darauf George Morris (18). Diese vier Reiter bildeten von 1958 bis 1960 eine der erfolgreichsten, permanenten Nationenpreisequipen über­haupt. 1959 gewannen sie vier der damaligen 13 Nationenpreise, 1960 deren drei, darunter Luzern. In allen drei Jahren war Bert de Némethy mit dem Quartett in Europa gestartet, wo die US-Amerikaner nicht nur durch ihre Erfolge auffielen, sondern auch durch ihren uniformen, eleganten Springstil.

Organisierte Talentsuche

Ab 1961 kamen mit Kathy Kusner, Mary Mairs (später Frau Chapot) und Carol Hofmann gleich drei Amazonen ins US-Team, dies für die zurückgetretenen Wiley und Morris. Die Erfolgswelle der Amerikaner hielt an. Von 1962 bis 1965 gewannen die Amerikaner jedes Mal alle drei Nationenpreise des Fall Circuit: Harrisburg, New York, Toronto. 1965 organisierte Bert de Némethy erstmals auf nationenweiter Basis eine Talentsuche, die unter anderen die spätere Präsidentin des amerikanischen Pferdesportverbandes, Chrystine Jones-Tauber, in die USET Spring­equipe brachte. 1969 wur­de die Talentsuche ausgebaut: Mit Olympiasieger Joe Fargis, dem zweimaligen Weltcupfinalsieger Conrad Homfeld und dem heutigen USET-Coach Ro­bert Ridland kamen gleich drei Grosstalente neu ins Team. 1973, bei der dritten grossen Talentsuche, gab es erneut reiche Ernte: Micha­el Matz, Buddy Brown, Melanie Smith, Mac Cone und Tony d’Ambrosio.
1980 trat Bert de Némethy als USET-Springcoach zu­rück. Acht Jahre später erschien seine Reitlehre in Buchform, dann ein Jahr später die acht Videos, von total achteinhalb Stunden Länge. Bert de Némethys Methode war, vereinfacht formuliert, eine Synthese der französischen und der deutschen Schule, mit L’Hotte und Steinbrecht als Protagonisten. Bekannt wurde er durch die konsequente Verwendung von Cavalettis als Hilfsmittel für den Absprung. Beizufügen ist allerdings, dass Bert de Némethy weniger Talent hatte, auf einzelne Reiter einzugehen.

Militärisches Generaltraining

Seine Methode war militärisches Generaltraining. Er war methodisch auch in der Vorbereitung und der Durchführung der fast jährlichen Europareisen. Er verlangte Disziplin: Te­nuevorschrift und Pünktlichkeit beim gemeinsamen Ausgang. Er führte minutiös Buch über die Erfolge von Reiter und Pferden. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass Bert de Némethy nur wenig Orientierungssinn hat­te. Mit ihm am Steuer wurde das Auffinden des Restaurants oft zum Irrlauf. 1980 baute Bert de Némethy den Parcours des zweiten Weltcupfinals in Baltimore. Es war kurz nach dem legendären Parcoursbauerseminar von Warendorf, wo die technisch versierten Brinkmann und De Némethy ihre Auffassung gegenüber der immer massiver bauenden Pamela Carruthers durchgesetzt hatten. «Related Fences», kürzere und leichtere Stangen, flachere Löffel waren angesagt, und Bert de Némethy wandte die neue Doktrin an. In Baltimore gab es fast flache Halterungen und man erlebte, wie schwächere Reiter nach frühem Glück später im Parcours bestraft wurden. Bert de Némethy, der seine Parcours in langen Denkperioden entwarf, konnte keine Turniere bauen – so wie Frank Chapot, der beim Frühstück auf der Papierserviette die Parcours des Tages entwarf. Aber für Spezialanlässe, wie Olympische Spiele oder Weltcupfinals, schuf Bert de Némethy denkwürdige Parcours.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr 2/2017)

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